Landwirtschaftsminister Peter Hauk kritisiert das zur Abstimmung vorgesehene Insektenschutzpaket des Bundes. Pflanzenschutzmittelverbote in FFH-Gebieten stellten landwirtschaftliche Betriebe vor ungelöste Produktionsprobleme.
„Wir stehen hinter unseren Acker-, Wein- und Erwerbsobstbaubetrieben im Land, und deshalb ist der Entwurf des Insektenschutzgesetzes und der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung des Bundes, in denen Pflanzenschutzmittelverbote auch in FFH-Gebieten eingeführt werden sollen, nicht tragbar. Diese Regelungen würden die Erzeugung marktfähiger Qualitätsprodukte deutlich erschweren und auf Kosten der heimischen Landwirtschaft gehen. Das in Baden-Württemberg im letzten Jahr verabschiedete Biodiversitätsstärkungsgesetz wird durch das geplante Gesetz und die geplante Verordnung des Bundes konterkariert. Es führt zu weitreichenden Beschränkungen der landwirtschaftlichen Nutzung in den FFH-Gebieten und läuft zu den in Umsetzung befindlichen Pestizidreduktionsstrategien der Länder konträr. Deshalb darf das geplante Insektenschutzpaket des Bundes so nicht verabschiedet werden“, sagte der Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk.
Kooperationsansatz mit Landwirten
Baden-Württemberg zeichne sich durch einen besonderen Artenreichtum und vielfältige Lebensräume aus. Dies habe bei der Meldung der Natura 2000-Gebiete (Vogelschutz- und FFH-Gebiete) im Land zu einer weitreichenden Schutzgebietskulisse geführt. Nach aktuellem Stand seien rund 17,5 Prozent der Landesfläche als Natura 2000-Gebiete und davon rund 11,7 Prozent als FFH-Gebiete geschützt. In vielen dieser Gebiete sei die Landwirtschaft ein fester Bestandteil für deren Erhalt. Bei den rund 429.000 Hektar FFH-Gebietsflächen seien rund 99.700 Hektar als landwirtschaftlich genutzte Fläche erfasst.
Der Kooperationsansatz mit den Landwirtinnen und Landwirten habe daher in Baden-Württemberg von jeher eine besondere Bedeutung. Über den Vertragsnaturschutz und das Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl (kurz: FAKT) würden die Lebensräume und Arten in den Natura 2000-Gebieten erhalten und aktiv gepflegt. „Durch eine angepasste landwirtschaftliche Bewirtschaftung und gleichzeitig wertschöpfende Nutzung der Flächen tragen die Landwirtinnen und Landwirte in Baden-Württemberg somit seit Jahrzehnten zur Erhaltung der artenreichen und vielfältigen Kulturlandschaft in den Natura 2000-Gebieten, insbesondere in den FFH-Gebieten, mit ihrer eigenen Tatkraft und ihrem Engagement bei. Dies alles steht nun durch die geplanten Verbote im Insektenschutzgesetz und in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung auf dem Prüfstand und stellt die in Baden-Württemberg erzielten Erfolge in Frage“, gibt der Minister zu Bedenken.
Insektizidverbot gefährdet wirtschaftliche Produktion
Vor allem das geplante Herbizid- und Insektizidverbot in FFH-Gebieten würde zu weitreichenden Bewirtschaftungsbeschränkungen in Baden-Württemberg führen. Im Weinbau sind rund 15.000 Hektar betroffen und damit ein Großteil der Weingüter und -kellereien, Weingärtner und Winzergenossenschaften. „Durch das Herbizidverbot in FFH-Gebieten stünde der in Baden-Württemberg traditionelle Steillagenweinbau, der unsere Kulturlandschaft – auch historisch – prägt, vor dem Aus“, betonte der Minister. Ein Insektizideinsatz sei vor allem gegen invasive Schädlinge erforderlich.
Aber auch Betriebe, Direktvermarkter und Genossenschaften im Obst- und Gemüseanbau wären bei einem Herbizid- und Insektizidverbot in FFH-Gebieten erheblich betroffen. So sei eine wirtschaftliche Produktion und die Erzeugung marktfähiger Produkte vor allem im Gemüsebau ohne Einsatz von Herbiziden und Insektiziden aufgrund der Vielzahl von Schädlingen nur beschränkt möglich.
Regelung sollte Ländern überlassen werden
Hinzu komme, dass die geplanten bundesrechtlichen Regelungen mit den am 31. Juli 2020 in Kraft getretenen Regelungen des Landes zum Pestizideinsatz in Schutzgebieten, die im Naturschutzgesetz (NatSchG) und im Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz (LLG) verankert wurden, nicht übereinstimmten. „Die Landesvorschriften im Naturschutzgesetz und im Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz stellen interessengerechte Regelungen zum Umgang mit Pestiziden in Schutzgebieten, auch in Natura 2000-Gebieten, dar. Sie sind geeignet, zur Beschränkung des Pestizideinsatzes zugunsten des Insektenschutzes gewinnbringend beizutragen und lassen gleichzeitig die betrieblichen Belange unserer Landwirtinnen und Landwirte nicht außer Acht,“ bekräftigte Minister Hauk und fügte an: „Deshalb hat das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz erhebliche Bedenken bezüglich der vom Bund vorgesehenen Pflanzenschutzmittelverbote in FFH-Gebieten. Stattdessen sollte die Regelung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes in FFH- und auch in Vogelschutzgebieten den Ländern überlassen werden, die aufgrund der in den Ländern bereits angestrengten Pflanzenschutzmittelreduktionsstrategien geeignete und angemessene gesetzliche Regelungen geschaffen und Maßnahmenpakete geschnürt haben“.
Bestehender Insektenschutz im Land
Die gesetzlichen Regelungen des Landes, die auch den Pestizideinsatz in Schutzgebieten zum Inhalt haben, beruhen in ihren Grundzügen auf dem im Jahre 2019 aus der Bevölkerung heraus initiierten Volksbegehren „Rettet die Bienen“. Sie wurden durch das Eckpunktepapier der Landesregierung zum Insektenschutz im Oktober 2019 weiterentwickelt und im Dezember 2019 mit den Naturschutz- und Landwirtschaftsverbänden auf breiter Basis diskutiert und schließlich vom Landtag im Juli 2020 beschlossen.
Im Naturschutzgesetz (NatSchG) wurde zum Schutz der Insekten geregelt, dass die Anwendung von Pestiziden in Naturschutzgebieten ab dem 1. Januar 2022 auf der gesamten Fläche verboten ist (Paragraf 34 Abs. 1 Satz 1 NatSchG). In den übrigen Schutzgebieten, insbesondere in den Natura 2000-Gebieten, erfolgt eine Anwendung von Pflanzenschutzmitteln nach den Grundsätzen des Landes zum Integrierten Pflanzenschutz gemäß Paragraf 17c LLG (§ 34 Abs. 1 Satz 2 NatSchG). Dabei sind in der Landwirtschaft weitergehende landesspezifische Vorgaben zum Integrierten Pflanzenschutz einzuhalten. Ziel ist es, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf das notwendige Maß für die Qualität der Ernteprodukte zu beschränken. Besonderen Wert wurde dabei auch auf mögliche Ausnahmen vom Pestizidverbot in Naturschutzgebieten zugunsten der Landwirtschaft gelegt, insbesondere wenn das Pestizidverbot eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche, insbesondere naturschutzfachliche, Interessen gebotene Härte zur Folge hätte oder die Verwendung bestimmter Pflanzenschutzmittel zur Erhaltung des Schutzgebiets unerlässlich ist (Paragraf 34 Abs. 4 NatSchG).