Der flächendeckenden Einsatz von Flüsterasphalt und Lärmschutzwänden sowie durch innerörtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen können wie auch Elektromobilität die Lärmbelastung in den Städten deutlich senken. Das zeigt eine aktuelle Studie.
Die meisten lärmgeplagten Menschen im Lande könnten durch den flächendeckenden Einsatz von Flüsterasphalt und Lärmschutzwänden sowie durch innerörtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen wirkungsvoll geschützt werden. Dies zeigt eine vom Landesverkehrsministerium und der Landesanstalt für Umweltschutz (LUBW) in Auftrag gegebene Studie des Fachbüros Lärmkontor in Hamburg. Zwei Drittel der heute von Lärm mit nächtlichen Pegeln über 55 dB(A) betroffenen Menschen könnte geholfen werden. Die Zahl der Betroffenen mit gesundheitsgefährdenden Pegeln über 60 dB(A) würde gar um 90 Prozent sinken!
Verkehrsminister Winfried Hermann sagte: „Schallschluckende Straßenbeläge, Lärmschutzwände und Tempolimits in den Städten und Gemeinden können einen riesigen Beitrag zum Gesundheitsschutz der Anwohner leisten. Auch beim Verkehrslärm ist eine „Vision Zero“, bei der in Zukunft niemand mehr unter gesundheitsgefährdendem Lärm zu leiden hat, keine Utopie. Deshalb müssen Bund, Land und Kommunen ihre Anstrengungen für einen besseren Lärmschutz verstärken. Außerdem müssen die bundesweit geltenden Grenzwerte dringend gesenkt werden.“
Straßenverkehr ist größte Lärmquelle
Hauptverursacher der Lärmbelastung in Deutschland ist der Straßenverkehr. In Baden-Württemberg sind an Hauptverkehrsstraßen außerhalb der Ballungsräume mehr als 100.000 Menschen von Lärm mit Pegeln über 55 Dezibel in der Nacht betroffen. Die Untersuchung zeigt auch, dass ohne bereits erzielte Lärmschutzerfolge etwa 35.000 Menschen zusätzlich belastet wären und dass es gelingen kann, gesundheitskritische Lärmbelastungen für die Anwohner zu großen Teilen zu vermeiden. Minister Hermann erklärte: „Die Anstrengungen des Landes für gute, leise und sichere Straßen tragen Früchte.“
Die Untersuchung des Fachbüros Lärmkontor basiert auf der Lärmkartierung 2017 der Hauptverkehrsstraßen durch die LUBW. Gegenstand der Untersuchung war die Frage, wie laut es ohne die heute bereits umgesetzten Maßnahmen an unseren Straßen wäre (Szenario 1: ohne Lärmschutz). Die zweite Fragestellung war, wie viel leiser es in Zukunft werden könnte (Szenario 2: Lärmschutz-Vision).
Das erste Szenario untersuchte, wie hoch die Lärmbelastung entlang der kartierten Hauptverkehrsstraßen wäre, gäbe es weder Tempobeschränkungen in Ortsdurchfahrten noch Flüsterasphalt oder Lärmschutzwände an den Straßen. Ohne die heute schon bestehenden Maßnahmen läge die Zahl der Betroffenen mit nächtlichen Pegeln über 55 dB(A) landesweit um etwa ein Drittel höher. Rund 35.000 Menschen mehr hätten unter unruhigem Schlaf und erhöhtem Krankheitsrisiko zu leiden. Von sehr hohen gesundheitsgefährdenden Lärmpegeln über 60 dB(A) nachts wären sogar fast 40 Prozent mehr Menschen betroffen. Diese Menschen hätten ein deutlich höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Arterienverkalkung und Herzkrankheiten bis hin zum Herzinfarkt.
Kommunen sollen Lärmaktionspläne nutzen
Das zweite Szenario wirft einen Blick in die Zukunft. Es geht davon aus, dass überall dort, wo Menschen von hohen Straßenlärmpegeln betroffen sind, Maßnahmen ergriffen werden. Konkret wurde die Wirkung lärmmindernder Fahrbahnbeläge und in den Innerortsbereichen Tempo 30 berechnet. Als Auslösewert für diese Maßnahmen wurde eine vorhandene Lärmbelastung von 55 dB(A) nachts angesetzt. Bei solchen Lärmpegeln können in Baden-Württemberg sogenannte Lärmsanierungsmaßnahmen erfolgen, also etwa lärmmindernde Straßenbeläge eingebaut oder Geschwindigkeitsbeschränkungen angeordnet werden.
Im konkreten Einzelfall können verkehrsrechtliche, bautechnische oder finanzielle Gründe gegen eine kurzfristige oder auch generelle Umsetzung der im Modell untersuchten Maßnahmen sprechen. Die Untersuchung zeigt jedoch, dass in Baden-Württemberg mit der Lärmaktionsplanung und der Lärmsanierung gute Rahmenbedingungen für den Lärmschutz an Straßen bestehen, die es im Interesse der lärmbetroffenen Anwohner auszuschöpfen gilt. Hermann ermutigt die Kommunen ausdrücklich Lärmaktionspläne zu nutzen.
In Bezug auf Geschwindigkeitsbeschränkungen aus Lärmschutzgründen haben die Gemeinden über die Lärmaktionsplanung das Heft des Handelns in der Hand. Lärmmindernde Fahrbahnbeläge werden im Rahmen der Straßenerhaltung und des Lärmsanierungsprogramms in Bereichen mit hohen Lärmbelastungen und vielen Betroffenen standardmäßig verbaut, sofern die Voraussetzungen vor Ort gegeben sind. Die bisherigen Erfahrungen mit den verbauten Deckschichten sind positiv – und im Vergleich zu Standardbelägen verursacht der Einbau oftmals auch keine bedeutenden Mehrkosten mehr.
Elektromobilität senkt auch die Lärmbelastung
Die Diagramme oben zeigen das Lärmminderungspotenzial der untersuchten „Lärmschutz-Vision“ unterteilt nach Regierungsbezirken auf Landkreisebene auf. Landesweit würden in Baden-Württemberg durch den umfassenden Einsatz lärm-mindernder Fahrbahnbeläge sowie die Anordnung von Tempo 30 mehr als 73.000 Menschen, die heute entlang von Hauptverkehrsstraßen Lärmpegeln über 55 Dezibel in der Nacht ausgesetzt sind, entlastet werden.
Zu den untersuchten Maßnahmen kommt eine Vielzahl weiterer möglicher Maßnahmen hinzu, die in der Berechnung nicht berücksichtigt wurden. So würde die aus Gründen des Klimaschutzes notwendige Verringerung des Autoverkehrs um ein Drittel in den Städten ebenso einen wichtigen Beitrag zum Lärmschutz leisten, wie die erforderliche Umstellung auf klimafreundliche Antriebe. Elektromotoren verringern die Antriebsgeräusche, so dass Busse, Lkw und auch Pkw vor allem bei geringen Geschwindigkeiten leiser werden. Und auch Motorräder könnten mit Elektroantrieb deutlich leiser sein. Auch ein Umbau von Straßen zu lebendigen und verkehrsberuhigten Ortsmitten und eine kluge Anordnung von Gebäuden in der Stadtplanung können wichtige Beiträge leisten.
Die Lärmkartierung in Baden-Württemberg
Die Lärmkartierung der Hauptverkehrsstraßen erfolgt nach § 47c Absatz 1 Bundes-Immissionsschutz-Gesetz (BImSchG) alle fünf Jahre. Einbezogen werden Bundesfern-, Landes- und sonstige grenzüberschreitende Straßen mit einem Verkehrsaufkommen von mehr als drei Millionen Fahrzeugen pro Jahr.
Die Lärmkartierung der Ballungsräume über 100.000 Einwohner (Freiburg, Heidelberg, Heilbronn, Karlsruhe, Pforzheim, Reutlingen, Stuttgart, Ulm) erfolgt durch die genannten Städte in eigener Zuständigkeit und war daher nicht Teil der Untersuchung.
LUBW: Lärmkarten sowie die landesweite gemeindescharfe Belastungsstatistik der Lärmkartierung 2017