Podcast

„Einfach Inklusion“ Folge 9: Inklusive Bildung

Landesbehindertenbeauftragte Simone Fischer und Mikrofon

Die Landesbehinderten-Beauftragte Simone Fischer spricht in der neunten Folge ihres Podcasts „Beteiligung schafft Gesellschaft. Einfach Inklusion“ mit Prof. Dr. Kerstin Merz-Atalik von der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg über die Chancen inklusiver Bildung sowie Herausforderungen und Vorurteile.

Die Beauftragte der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Simone Fischer, begrüßt in der neuen Folge ihres Podcasts Prof. Dr. Kerstin Merz-Atalik, seit 2004 Professorin an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Im Podcast sprechen sie über die Chancen inklusiver Bildung sowie Herausforderungen und Vorurteile, die 14 Jahre nach Inkrafttreten des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und dem damit verbundenen klaren Bekenntnis zur Inklusion in der schulischen Bildung die vielerorts immer noch vorherrschen.

Prof. Dr. Kerstin Merz-Atalik sagt: „Die Entscheidung der Vereinten Nationen für die inklusive Bildung wurde nicht aus dem Blauen heraus getroffen. Sie fußt auf Forschung und Vorbildern, überwiegend aus dem angloamerikanischen Bereich sowie differenzierten Anhörungen. Dennoch hält sich hartnäckig die Vorstellung, dass Kinder mit Behinderungen in Sonderschulen besser oder mehr lernen. Das lässt sich empirisch nicht belegen. Es ist nachgewiesen, dass alle Kinder sehr stark von heterogenen Lerngruppen und Vielfalt profitieren.“ Für Sonderschulen gebe es ein Forschungsdesiderat, da kaum dazu geforscht wurde, ob diese Schulformen und ihre Pädagogik tatsächlich zu höheren Entwicklungen führen und die Kinder besser fördern können. Dennoch werde immer behauptet, dass es den Kindern dort bessergeht.

Inklusive Bildung muss sichergestellt werden

Simone Fischer, Beauftragte der Landesregierung Baden-Württemberg für die Belange von Menschen mit Behinderungen, sagt: „Schule ist Lebens- und Teilhaberaum. Sie hat die bedeutsame Aufgabe, allen Kindern Bildung und Werte unserer Gesellschaft zu vermitteln. Zu unserer fortschrittlichen Gesellschaft gehört, Vielfalt und Inklusion als Bereicherung zu sehen, vor allem die Voraussetzungen dafür zu schaffen und sie schließlich auch zu leben. Inklusive Bildung ist ein Recht, das primär sichergestellt sein muss. Sie muss allen Kindern und Jugendlichen gleichermaßen zugänglich sein. Dazu brauchen wir eine gute Ausstattung der Schulen sowie Lehrerinnen und Lehrer, die sich zutrauen, inklusiv zu arbeiten.“

Im Podcast berichtet Prof. Dr. Kerstin Merz-Atalik von vorbildlichen Beispielen aus Portugal, Südtirol und Finnland, die zeigen, wie neben dem Wissenserwerb auch Respekt, Partizipation, die aktive Gestaltung des eigenen Lebens und soziale Interaktion im Schulalltag aller Kinder eine wichtige Rolle spielen. Diese Schulen sind zentrale Orte der Gemeinden. Erhebungen zeigen: Dort, wo Lehrkräfte gerne arbeiten, ist Schule neben einem Ort des Lernens immer auch Kommunikations- und Wohlfühlraum, der Werte einer Gemeinschaft nicht nur im Unterricht vermittelt, sondern auch lebt. „Dazu braucht es klare Vorgaben der Bildungspolitik, eine Strategie, Timeline und Messwerte. Schulen können inklusive Pädagogik nur entwickeln, wenn sie multiprofessionelle Teams haben und dafür ausgestattet sind. Auch eine Sonderschule kann morgen anfangen, alle Kinder, die keine Behinderung haben, aus dem Wohneinzugsgebiet aufzunehmen. Das ist nicht nur ein One-Way-Ticket für die Regelschulen“, so Prof. Dr. Kerstin Merz-Atalik. Simone Fischer: „Wir müssen hier weiter vorankommen. Inklusion ist unser aller Auftrag. Neben den Regeleinrichtungen sind immer auch Sonderformate aufgefordert, sich zu öffnen und Inklusion umzusetzen.“

Laut Prof. Dr. Merz-Atalik liege ein zentraler Aspekt auf dem Lehrerbildungssystem, das so strukturiert sein müsse, dass es einem inklusiven Bildungssystem entspricht. Dazu müsse es flexiblere Studiengänge ermöglichen, die Lehramtsstudierende nicht sortieren. „Schultypenspezifische Lehrämter sind in einem inklusiven Bildungssystem fehl am Platz.“ Stattdessen müsse es Angebote in allen stufenbezogenen Lehrämtern geben, zur Professionalisierung für inklusive Bildung sowie für zusätzliche Kompetenzen wie beispielsweise Mehrsprachigkeit, Behinderung und weitere. Dass dies funktioniere zeige das Nachbarland Österreich. In Studienstätten wie Bielefeld oder Berlin könne man vorbildlich das Grundschullehramt oder Sekundarstufenlehramt parallel zum Sonderpädagogiklehramt studieren, die Studienstrukturen seien zusammengeführt worden. „Ein solches Ausbildungssystem ist zukunftsfähig und inklusionsfähig.“

Recht auf inklusive Bildung nicht flächendeckend gewährt

Aktuelle Zahlen der Kultusministerkonferenz (KMK) zeigen, dass das Recht auf inklusive Bildung in Deutschland nicht flächendeckend gewährt wird: Zwar besuchten von den 582.400 Schülern und Schülerinnen, die im Jahr 2020 sonderpädagogisch gefördert wurden, rund 56 Prozent eine Förderschule und rund 44 Prozent eine allgemeine Schule. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischer Förderung bezogen auf alle Schülerinnen und Schüler ist in den letzten Jahren jedoch insgesamt gestiegen. Das führt dazu, dass der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die eine Förderschule besuchen, seit Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention kaum abgenommen hat: Sie lag im Jahr 2020 bei 4,3 Prozent. Mehr als 70 Prozent der Jugendlichen, die eine Förderschule besuchten, verließen die Schule ohne Hauptschulabschluss.

Die Beauftragten von Bund und Ländern für die Belange von Menschen mit Behinderungen fordern in einem gemeinsamen Papier (PDF) dazu auf, die inklusive schulische Bildung zu stärken. Sie verweisen auf die UN-Behindertenrechtskonvention, die seit 2009 in Deutschland im Range eines Bundesgesetzes gilt. Im Einzelnen sind aus Sicht der Beauftragten folgende Schritte für eine erfolgreiche Transformation erforderlich:

  1. Hochwertige inklusive Bildung gewährleisten
  2. Transformation zügig und strukturiert voranbringen: Parallelstrukturen zwischen Förderschulbesuch und inklusiver Beschulung sind zugunsten letzterer konsequent abzubauen und weitestgehend aufzulösen
  3. Unabhängige Förderdiagnostik, individuelle Förderplanung, erforderliche Nachteilsausgleiche und Hilfsmittel gewähren
  4. Inklusive Schulen mit qualifiziertem Personal bedarfsgerecht ausstatten
  5. Bauliche, technische und digitale Barrierefreiheit gewährleisten.

Für den Ausbau der Inklusion in Kita und Schule sieht der Koalitionsvertrag für Baden-Württemberg (PDF) der Landesregierung unterschiedliche Maßnahmen vor. Das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg erarbeitet mit einem Lenkungskreis Inklusion sowie einem weiteren Expertenkreis, der sich mit der Inklusion an beruflichen Schulen beschäftigt daran, die inklusive schulische Bildung in Baden-Württemberg voranzubringen. Ziel ist es unter anderem, einen für alle gültigen Qualitätsrahmen zu erarbeiten. Es soll erreicht werden, dass sich Eltern sowie Schülerinnen und Schüler unabhängig vom Wohnort landesweit auf vergleichbare Qualitätsstandards verlassen können. An der Pädagogischen Hochschule Freiburg hat das Land im vergangenen Jahr den Studiengang „Lehramt Sonderpädagogik“ mit insgesamt 175 Studienanfängerplätzen eingerichtet, die ersten Studierenden werden das Studium zum Wintersemester 2023/2024 aufnehmen.

Weitere Meldungen

Arbeiter bauen Präzisions-Klimasysteme zusammen, die für die Lithographie-Abteilung in der Chip Produktion eingesetzt werden (Bild: © dpa).
  • Arbeitsmarkt

Arbeitsmarkt bleibt trotz schwacher Konjunktur stabil

Feuerwehrfahrzeug (Foto: dpa)
  • Feuerwehr

Landesjugend­feuerwehrtag 2024

Ein Thermometer zeigt fast 36 Grad Celsius an. (Bild: © Patrick Pleul / dpa)
  • Schule

Informationen zum Thema „Hitzefrei“ an Schulen

Eine Pflegerin im Gespräch mit einem alten Mann.
  • Pflege

Fünf Millionen Euro gegen Personalmangel in der Pflege

Der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen (links) begrüßt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (rechts).
  • Auslandsreise

Kretschmann auf Delegationsreise in Wien

Rettungsassistenten laufen mit den Rettungsrucksäcken zu einem Einsatz. (Foto: © dpa)
  • Bevölkerungsschutz

Übergabe von neun Fahrzeugen an den Bevölkerungsschutz

Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut
  • Wirtschaft

Dialogreihe mit Spitzenunter­nehmerinnen fortgesetzt

Das Logo des LEA-Mittelstandspreises für soziale Verantwortung.
  • Wirtschaft und Gesellschaft

Mittelstandspreis für soziale Verantwortung 2024 verliehen

Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei seiner Rede
  • Wohnen und Bauen

Strategiedialog Wohnen und Bauen läuft auf Hochtouren

Gruppenfoto (von links nach rechts): Der Erste Bürgermeister der Stadt Freiburg, Ulrich von Kirchbach, Minister Manne Lucha, die Vertreterin der Stadt Ulm, Sarah Waschler, der Landrat des Ostalbkreises, Dr. Joachim Bläse, und der Erste Landesbeamte des Landkreises Calw, Dr. Frank Wiehe, halten gemeinsam eine große Karte mit den Motiv der Ehrenamtskarte Baden-Württemberg in die Kamera.
  • Bürgerengagement

Erprobung der Ehrenamtskarte läuft erfolgreich

Eine Ratte schaut aus einem Käfig (Bild: © dpa, Ronald Wittek)
  • Tierschutz

Projekte zur Vermeidung von Tierversuchen gefördert

Visualisierung Neubau des Transfer Hub for Innovation in Society an der Pädago-gischen Hochschule Schwäbisch Gmünd
  • Bauen

Neubau eines Forschungszentrums in Schwäbisch Gmünd

Ministerin Nicole Razavi bei der Verleihung des Staatspreises Baukultur 2024
  • Baukultur

Staatspreis Baukultur 2024 verliehen

Auswärtige Kabinettssitzung im Neuen Schloss in Meersburg
  • Landesregierung

Bericht aus dem Kabinett vom 25. Juni 2024

von links nach rechts: Georg Graf Waldersee von Unicef Deutschland, Christine Langen, Ministerin der Justiz und für Migration Marion Gentges und Oberbürgermeister Jörg Lutz
  • Auszeichnung

Bundesverdienstmedaille für Christine Langen

Gruppenfoto aller Preisträger des Jugendbildungspreises DeinDing 2024 auf der Bühne des Stuttgarter Jugendhauses Cann
  • Jugendliche

Jugendbildungspreis „DeinDing 2024“ verliehen

Ein Mann dreht einen Joint mit Marihuana. (Foto: dpa)
  • Verwaltung

Zuständigkeiten bei Cannabisgesetz geregelt

Bauarbeiter laufen in Stuttgart an Neubauten der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft mbH (SWSG) vorbei. (Foto: © dpa)
  • WOHNUNGSBAU

Soziale Wohnraumförderung stark nachgefragt

Startsignal zur nächsten Phase Cyber Valley
  • Künstliche Intelligenz

Erstes ELLIS Institut im Cyber Valley eröffnet

Abbdildung eines Ausschnitts des Zertifikat audit berufundfamilie für das Staatsministerium Baden-Württemberg 2023.
  • Beruf und Familie

Staatsministerium mit audit berufundfamilie zertifiziert

Blick in den Wald
  • Forst

Innovationen auf Holzbasis für Textilbranche

Zwei junge Frauen zeigen auf den Monitor und diskutieren gemeinsam über die Präsentation am Computer.
  • Weiterbildung

Drittes Festival der beruflichen Weiterbildung in Stuttgart

Unterwegs in Baden-Württemberg, IRE 3259 als Dieseltriebwagen der Baureihe VT 612. (Bild: © Deutsche Bahn AG / Georg Wagner)
  • Schienenverkehr

Freie Fahrt für junge Menschen

Bescheidübergabe_Förderung_von_LoRaWAN
  • Digitalisierung

Land fördert smarte digitale Städte und Gemeinden

Eine Hand nimmt eine Euro-Münze aus einer Geldbörse, in der sich weitere Münzen befinden. (Foto © dpa)
  • Soziales

Report zur sozialen Isolation und Einsamkeit