Im Jahr 2020 wurden mit insgesamt 350 Frühsommermeningoenzephalitis-Fällen mehr als doppelt so viele Infektionen wie im Vorjahr registriert. Das ist die höchste Anzahl seit dem Jahr 2001.
Im Jahr 2020 wurden aus 38 von 44 Kreisen in Baden-Württemberg insgesamt 350 Frühsommermeningoenzephalitis (FSME)-Fälle an das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg (LGA) im Regierungspräsidium Stuttgart übermittelt, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr 2019 mit 171 Fällen. Dies ist die höchste Anzahl der registrierten Infektionen seit dem Jahr 2001. Zuvor wurde die höchste Anzahl im Jahr 2018 mit insgesamt 288 Fällen beobachtet.
„Das Robert Koch-Institut weist außer dem Stadtkreis Heilbronn ganz Baden-Württemberg als FSME-Risikogebiet aus. Eine spezifische Therapie gegen FSME gibt es nicht. Es können lediglich die Symptome behandelt werden. Daher ist die mehrfache Schutzimpfung gegen eine FSME-Erkrankung so wichtig. Kinder und Erwachsene sollten bei ihrer Hausärztin beziehungsweise ihrem Hausarzt den Impfpass kontrollieren und den Impfschutz aktualisieren lassen“, sagte der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha.
Zahlen 2020 auf Rekordniveau
Es gibt mehrere mögliche Ursachen für den starken Anstieg der Zahlen. Bedingt durch die Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 haben sich viele Menschen im vergangenen Jahr in ihrer Freizeit, beispielsweise für Sport oder Spaziergänge, häufiger im Freien oder im eigenen Garten aufgehalten und hatten somit ein erhöhtes Expositionsrisiko. Im Jahr 2020 wurden an Orten, die regelmäßig auf Zecken beprobt wurden, hohe Zahlen des Überträgers von FSME beobachtet. Nach Auskunft des Nationalen Konsiliarlabors für FSME beim Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr war insbesondere die Anzahl der Erwachsenen-Stadien der Zecken in 2020 ungewöhnlich hoch. Dieses Zeckenstadium weist eine höhere Virusträgerrate auf als das Nymphenstadium. So ist davon auszugehen, dass in der zurückliegenden Zeckensaison in den bekannten FSME-Risikogebieten auch die Wahrscheinlichkeit erhöht war, von einer infizierten Zecke gestochen zu werden. Wie sich das FSME-Infektionsgeschehen im Jahr 2021 entwickelt, ist noch nicht absehbar. Die FSME-Saison beginnt in der Regel mit der Aktivität der Zecken im Frühjahr. 2021 wurde bisher ein Fall aus dem Landkreis Rastatt an das LGA übermittelt.
FSME-Impfung bietet wirksamen Schutz
„Der beste Schutz vor einer FSME-Infektion ist die Impfung. Daher sollten Personen, die in FSME-Risikogebieten leben oder dorthin fahren, einen ausreichenden Impfschutz anstreben. Für einen kompletten Impfschutz sind in der Regel drei Impfungen notwendig“, erklärte der Stuttgarter Regierungspräsident Wolfgang Reimer, in dessen Behörde das Landesgesundheitsamt angesiedelt ist. Häufig geschehe die Infektion im eigenen Garten oder bei Spaziergängen in der Natur, so Reimer. Die Zecke klettert beispielsweise auf einen Grashalm oder ein Gebüsch. Kommt ein Tier oder ein Mensch vorbei, wird sie bei Kontakt abgestreift und hält sich fest. Zecken fallen nicht von Bäumen und können nicht springen.
„Nach der ersten Impfung findet entsprechend dem klassischen Schema die zweite Impfung ein bis drei Monate später statt. Die dritte Impfung ist – je nach Impfstoff – fünf bis zwölf beziehungsweise neun bis zwölf Monate nach der zweiten Impfung fällig“, erläuterte Dr. Gottfried Roller, Leiter des Landesgesundheitsamts Baden-Württemberg. Der Impfschutz hält dann mindestens drei Jahre an. Nach vollständiger Impfung kann bei 99 Prozent der Geimpften mit einem vollständigen Schutz vor FSME gerechnet werden. Bereits nach zwei Impfungen besteht bei 98 Prozent der Geimpften ein Schutz, der allerdings nur etwa ein Jahr anhält. Daher sollten alle drei Impfungen erfolgen.
Praktische Schutzmaßnahmen
„Da Zecken nicht nur FSME, sondern auch Erkrankungen wie Borreliose und Tularämie übertragen können, raten wir zu praktischen Schutzmaßnahmen. So sollte man in der Natur möglichst lange Kleidung und festes Schuhwerk tragen. Auf heller Kleidung lassen sich Zecken leichter entdecken und entfernen. Daheim sollte man seinen Körper gründlich nach Zecken absuchen, vor allem in Hautfalten, da Zecken das feucht-warme Milieu mögen“, so Dr. Roller.
Die Zecke sollte schnell entfernt werden, um das Infektionsrisiko zu verringern. „Wichtig ist, möglichst alle Teile der Zecke zu entfernen, um einer Entzündung vorzubeugen. Am besten greift man die Zecke mit einer Pinzette oder einem speziellen Zeckenentfernungsinstrument nahe der Hautoberfläche an ihren Mundwerkzeugen und zieht sie langsam und gerade aus der Haut. Die Zecke sollte nicht am vollgesogenen Körper gepackt und beim Entfernen nicht gedreht werden“, betonte Dr. Roller. Vor dem Entfernen sollte die Zecke keinesfalls mit Öl oder Klebstoff beträufelt werden. Dies könne das Tier reizen und zur Folge haben, dass die Zecke den Speichel und somit mögliche Infektionserreger abgebe. Nach Entfernung der Zecke solle die Wunde sorgfältig desinfiziert werden, so Dr. Roller.
Zahl übermittelter Fälle unterliegt Schwankungen
Entsprechend der Aktivität der übertragenden Zecken werden FSME-Erkrankungen hauptsächlich vom Frühjahr bis in den Spätherbst übermittelt. Die Anzahl übermittelter FSME-Erkrankungen unterliegt seit Einführung der Meldepflicht stärkeren Schwankungen. Die Gründe hierfür liegen an klimatischen und ökologischen Faktoren, die die Aktivität der Zecken aber auch die Populationsgrößen der Wirtstiere, wie Mäuse und Niederwild, beeinflussen. Des Weiteren werden die Meldezahlen durch die Freizeitaktivitäten der Menschen und den Impfstatus beeinflusst. Auch die Entscheidung der Ärzte, in welchen Fällen eine Untersuchung des Blutes auf FSME veranlasst wird, hat Auswirkungen auf die Anzahl der gesicherten Diagnosen. FSME ist eine virusbedingte Infektionskrankheit, die mit grippeähnlichen Symptomen einhergeht, jedoch auch für eine Entzündung des Gehirns beziehungsweise der Hirnhäute sorgen kann.
Robert Koch-Institut: Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Zecken, Zeckenstich, Infektion
Robert-Koch-Institut: Antworten auf häufig gestellte Fragen zur FSME-Impfung
Quelle:
Ministerium für Soziales und Integration gemeinsam mit Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg (LGA) im Regierungspräsidium Stuttgart