Der Landesforschungspreis Baden-Württemberg zeichnet herausragende Leistungen in der Grundlagenforschung und der Angewandten Forschung aus. Diese Auszeichnung ist mit je 100.000 Euro dotiert.
Prof. Dr. Anna Köttgen und Prof. Dr. Hans-Georg Rammensee erhalten in diesem Jahr den Landesforschungspreis Baden-Württemberg. Die Auszeichnung für Spitzenleistungen in der Grundlagenforschung und in der Angewandten Forschung ist mit je 100.000 Euro dotiert. Als höchstdotierter Forschungspreis eines Bundeslandes vergibt Baden-Württemberg den Preis alle zwei Jahre. Damit erhalten die Preisträgerinnen und Preisträger die Möglichkeit, ein Forschungsvorhaben ihrer Wahl anzugehen.
In den vergangenen Monaten wurde mehr als deutlich, wie essenziell wichtig innovative Spitzenforschung für unsere Gesellschaft ist. Und der Beitrag der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Baden-Württemberg kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Forschungsarbeiten von Professorin Anna Köttgen und Professor Hans-Georg Rammensee sind bahnbrechend. Zu ihren herausragenden Leistungen beglückwünsche ich die beiden Preisträger des Landesforschungspreises 2020 sehr herzlich“, sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer am Montag, 28. Dezember in Stuttgart. Der Landesforschungspreis Baden-Württembergs habe inzwischen eine Reputation erlangt, die weit über die Landesgrenzen hinaus strahle.
Grundlagenforschung im Bereich der Nierenerkrankungen und Gicht
„Professorin Dr. Anna Köttgen hat die Jury durch die bereits im frühen Stadium ihrer Karriere vollbrachte exzellente Arbeit überzeugt. Insbesondere im Bereich der genetischen Grundlagen von Nierenerkrankungen und Gicht hat sie ganz neue Erkenntnisse zutage befördert. Ihre Publikationsleistungen, vor allem in den letzten Jahren, finden internationale Beachtung, und sie ist in mehreren nationalen und internationalen Forschungsverbünden involviert – oder leitet diese“, so Bauer.
Seit 2017 leitet Professorin Dr. Anna Köttgen als Direktorin das Institut für Genetische Epidemiologie am Universitätsklinikum Freiburg. Gemeinsam mit ihrem Team hat Anna Köttgen wichtige wissenschaftliche Beiträge zum Verständnis der physiologischen Nierenfunktion beim Menschen geleistet. Um das Verständnis der physiologischen Funktion der Niere und ihrer Rolle im menschlichen Stoffwechsel voranzutreiben, hat die Freiburger Wissenschaftlerin neuartige Ansätze zur Integration molekularer Daten des Genoms, Epigenoms, Transkriptoms und Metaboloms entwickelt. Durch die Verknüpfung genetischer, molekularer und klinischer Daten von Teilnehmer*innen umfangreicher Patientenstudien konnte Anna Köttgen eine Vielzahl bisher unbekannter Risikogene für Nierenerkrankungen und metabolische Erkrankungen identifizieren.
So ist es ihr beispielsweise gelungen, ein bis dahin unbekanntes Transportprotein für Harnsäure zu entdecken, in dem genetische Varianten für etwa zehn Prozent aller Gichterkrankungen verantwortlich sind. Erst jüngst hat ein Forscherteam um Anna Köttgen im Rahmen einer Studie 90 Gene gefunden, die den Stoffwechsel und die Entgiftung über Nieren und Urin beeinflussen und deren Rolle in diesen Prozessen bisher größtenteils unbekannt war. Die Ergebnisse aus den international sichtbaren und vielfach zitierten Studien von Anna Köttgen liefern neue Erkenntnisse zur Bedeutung stoffwechselbedingter Veranlagungen. Und sie bilden die Basis für weiterführende experimentelle Untersuchungen in translationalen Studien und für eine verbesserte Risikovorhersage.
Angewandte Forschung in der Immunbiologie
„Prof. Hans-Georg Rammensee ist einer der weltweit führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der antigenspezifischen Immunbiologie. Er ist spezialisiert auf die Krebs-Immuntherapie, aber es sind gerade seine Beiträge für die Entwicklung von Impfstoffen, die im besonderen Fokus sind. Eine seiner Pionierleistungen war die Entwicklung von mRNA-Impfungen, eine Technik, die derzeit von mehreren Firmen bei der Entwicklung eines Impfstoffes gegen SARS-CoV-2 angewendet werden. Gut nachvollziehbar also, dass die Gutachter den großen zu erwartenden ‚Impact‘ seiner Forschung in den nächsten Jahren hervorgehoben haben“, sagte Ministerin Bauer.
Seit fast 40 Jahren erforscht der Immunologe die Interaktion von T-Zellen mit ihren Antigenen. Schon lange zählt der Direktor der Abteilung Immunologie am Interfakultären Institut für Zellbiologie der Eberhard Karls Universität Tübingen zu den weltweit führenden Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Antigenspezifischen Immunbiologie. Im Zentrum seiner Forschung stehen sogenannte Peptide, die sich an der Außenhülle von Zellen befinden. Sie signalisieren dem Immunsystem, ob eine Körperzelle gesund oder krank ist. Bei entsprechender Identifizierung sind T-Zellen in der Lage, Veränderungen in den Peptiden zu erkennen, also auch mutierte Peptide etwa im Falle einer Tumorerkrankung. Dies kann zu einer Aktivierung des Immunsystems und Elimination der Tumorzellen führen. Das von Hans-Georg Rammensee entwickelte Verfahren bietet die Möglichkeit einer exakten Bestimmung der von T-Zellen erkannten Peptidantigene aus Viren und aus Tumorzellen – und letztlich eine individualisierte Immuntherapie bei Krebspatienten.
Dass das erwähnte Verfahren nicht nur bei Krebszellen, sondern auch bei Virusinfektionen funktioniert, wäre bis vor Kurzem nur einen Nebensatz wert gewesen – heute ist diese Erkenntnis für die Entwicklung eines Impfstoffs gegen das SARS-CoV-2 Virus essenziell wichtig. Tatsächlich hat Hans-Georg Rammensee auch hier wichtige Pionierarbeit geleistet – und zwar bereits Ende der 1990er-Jahre. Schon damals hat er gemeinsam mit seinen Kollegen Günther Jung, Ingmar Hörr und Reinhard Obst die wissenschaftliche Basis gelegt für ein Verfahren zur Herstellung sogenannter mRNA-Impfstoffe. Aktuell wenden mehrere Firmen – darunter die von Rammensee mitgegründete CureVac N.V. – das Verfahren an, um einen wirksamen Impfstoff gegen das SARS-CoV-2 Virus zu entwickeln.
Der geplante Festakt anlässlich der Verleihung des Landesforschungspreises kann aufgrund der Corona-bedingten Kontaktbeschränkungen in diesem Jahr leider nicht stattfinden. Um die Preisträger*innen des Landesforschungspreises 2020 gebührend zu würdigen und deren Leistungen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurden Filmporträts produziert.