Die Automobilwirtschaft erlebt gerade den tiefsten Umbruch ihrer Geschichte: Elektrifizierung, Digitalisierung, autonomes Fahren und Sharing-Modelle sind riesige Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Die Landesregierung hat daher einen Strategiedialog Automobilwirtschaft angestoßen, der alle Akteure einschließt.
„Die Automobilwirtschaft erlebt gerade den tiefsten Umbruch ihrer Geschichte. Elektrifizierung, Digitalisierung, autonomes Fahren und flexible Nutzung stellen die Automobilbranche vor gravierende Veränderungen. Alles kommt auf den Prüfstand. Man könnte auch sagen, das Auto wird gerade neu erfunden“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann, nachdem der Ministerrat eine Arbeitsstruktur zum Transformationsprozess in der Automobilwirtschaft beschlossen hatte. „Für Baden-Württemberg steht viel auf dem Spiel: Unsere technologische Vorreiterrolle, unsere Wirtschaftskraft, unsere Arbeitsplätze und der Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen vor den Folgen des Klimawandels. Das Pariser Klimaabkommen verpflichtet uns, bis spätestens 2050 vollständig aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe auszusteigen. Weltweit stellt man sich bereits darauf ein.“ China werde eine Quote für Elektroautos einführen, Frankreich will den Verkauf von Verbrennungsmotoren bis 2040 einstellen, Volvo ab 2019 jedes neu produzierte Auto mit einem Elektromotor ausstatten. „Baden-Württemberg ist die Wiege des Automobils. Und unser Ziel muss es daher sein, dass auch das Auto der Zukunft ‚Made in Baden-Württemberg‘ ist“, so Kretschmann.
„Strategiedialog Automobilwirtschaft BW“ neues Format institutionalisierter Zusammenarbeit
„Die Herausforderungen sind so groß und komplex, dass es den engen Schulterschluss von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Arbeitnehmerverbänden, Verbraucherorganisationen, Umweltverbänden und Zivilgesellschaft braucht. Wir müssen hier noch enger zusammenarbeiten“, betonte der Ministerpräsident. Die Landesregierung habe daher mit den Partnern eine Arbeitsstruktur abgestimmt, die kurze und schnelle Entscheidungswege ermögliche. „Der ‚Strategiedialog Automobilwirtschaft BW‘ ist ein völlig neues Format der institutionalisierten Zusammenarbeit“, so Kretschmann.
„Die Zusammenarbeit auf Arbeitsebene wird in sechs strategischen Themenfeldern organisiert. Wir haben uns hierbei an den Herausforderungen der Branche mit Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette orientiert“, sagte der Ministerpräsident. In Themenfeld 1 fallen Forschung und Entwicklung, Produktion und Zulieferer. Themenfeld 2 umfasst den Vertrieb und Aftersales. Themenfelder 1 und 2 sind zugleich die Handlungsfelder des Transformationsrates Automobilwirtschaft. Themenfeld 3 beinhaltet die energiepolitischen Fragen des Transformationsprozesses. Der Bereich Digitalisierung liegt in Themenfeld 4. Verkehrslösungen und Elektromobilität fallen in Themenfeld 5. Das Themenfeld 6, Forschungs- und Innovationsumfeld, ist als Querschnittsthema angelegt. Zudem stellt das Querschnittsthema Zivilgesellschaft, ebenso wie die Nachhaltigkeitsstrategie der Landesregierung, eine Klammer für alle Themenfelder dar. „Ziel des Querschnittsthemas Zivilgesellschaft ist es, dass sich die Bürgerinnen und Bürger als Kunden und Nutzer in diesen Prozess einbringen können“, betonte der Ministerpräsident. „Denn ohne die Akzeptanz der Verbraucherinnen und Verbraucher wird es nicht funktionieren.“ Das gleiche gelte auch für die Arbeitnehmerseite der Automobilwirtschaft, es sei wichtig auch sie in den Prozess mit einzubeziehen.
„Jeweils ein Fachministerium und ein Unternehmen übernehmen im Tandem gemeinsam die Federführung für ein Themenfeld“, betonte der Ministerpräsident. In den Themenfeldern werden Roadmaps entwickelt, um die Herausforderungen detailliert zu beschreiben. Es werden klare Ziele formuliert und die notwendigen Aktivitäten aufgezeigt. Es werden Maßnahmen verankert, Projekte erarbeitet, und es wird öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen geben. „Damit werden wir den Transformationsprozess unterstützen, positiv begleiten und sichtbar machen. Denn nur gemeinsam lässt sich die weltweite Spitzenstellung Baden-Württembergs halten“, betonte Kretschmann.
Transformationsprozess durch Projekte unterstützen und sichtbar machen
„Wir haben mit den drei Landesinitiativen Elektromobilität und vielen weiteren Projekten bereits 215 Millionen Euro in die Hand genommen, um neuartige Mobilitätslösungen auf den Weg und die Entwicklung alternativer Antriebskonzepte voran zu bringen“, so Kretschmann. „An diese erfolgreichen Projekte und Initiativen knüpfen wir im Rahmen des Strategischen Dialogs zum Transformationsprozess in der Automobilwirtschaft an. Wir gehen diese Herausforderungen nun noch offensiver an und nehmen alle Beteiligten mit.“ Projektideen in den einzelnen Themenfeldern sind beispielsweise der Aufbau eines Zentrums für digitalisierte Batteriezellenproduktion. Gemeinsam mit den Herstellern und Recyclingunternehmen sollen zudem neue Konzepte für das industrielle Recycling von Batterien entwickelt werden. Neue Stromanwendungen im Verkehrsbereich führen längerfristig zu einem erheblichen Anstieg der Nachfrage nach erneuerbar erzeugtem Strom. Es soll daher Fragen nach dem künftigen Kapazitäts- und Flexibilitätsbedarf und der kosteneffizienten Entwicklung des Energiesystems bei gleichzeitigem Erhalt des derzeitigen sehr hohen Maßes an Versorgungssicherheit nachgegangen werden. Als konkrete innovative Projekte zur Unterstützung des Transformationsprozesses soll auch ein Elektromobilitäts-Nachrüstprogramm für Busse und Fahrzeugflotten zur Beschleunigung der Modernisierung insbesondere kommunaler Fahrzeugflotten sowie des Handwerks realisiert werden. Zur Staureduktion als Beitrag zur intermodalen Mobilität soll zudem das intelligentes Parkraummanagement einerseits durch Park&Ride und Bike&Ride sowie andererseits durch integrierte Datenplattformen von Parkflächenanbietern und Automobilherstellern auf Basis 5G-Technologie beschleunigt werden.
Landesagentur e-mobil BW GmbH übernimmt Bündelungsfunktion
Die Landesagentur für Elektromobilität und Brennstoffzellentechnologie Baden-Württemberg e-mobil BW GmbH wird als Innovationsagentur des Landes für neue Mobilitätslösungen und Automotive die einzelnen Aktivitäten dieses Prozesses bündeln. „Die e-mobil BW GmbH übernimmt eine Filterfunktion und ist objektiver Berater der Landesregierung in diesem Prozess, mit großem Erfahrungsschatz aus vielen Forschungs- und Demonstrationsprojekten“, betonte der Ministerpräsident. Auch bei der Organisation der Gremien- und Öffentlichkeitsarbeit wird sie unterstützen. Franz Loogen, Geschäftsführer der e-mobil BW GmbH: „Wir haben seit unserer Gründung mit unseren starken Partner-Netzwerken – allen voran dem Cluster Elektromobilität Süd-West – den Technologiewandel hin zu nachhaltigen Mobilitätslösungen vorangetrieben. Wir freuen uns sehr, nun unsere Kompetenzen im Projektmanagement als auch unser Fachwissen in den Strategiedialog Automobilwirtschaft BW einzubringen. Neben der Funktion als unabhängige Kompetenzstelle werden wir zudem ausgewählte Projekte und Initiativen anstoßen und umsetzen.“
Seit März 2017 besteht bereits eine Interministerielle Arbeitsgruppe für die fachliche Koordinierung. Diese stellt auch den Austausch und die enge Verzahnung mit der Digitalisierungsstrategie des Landes sowie der Landesinitiative Elektromobilität III sicher.
Der Strategiedialog Automobilwirtschaft
Innerhalb der Landesregierung wird zur politischen Koordinierung zudem ein Lenkungskreis „Strategiedialog Automobilwirtschaft“ eingerichtet, der aus den Amtschefs der betroffenen Ressorts besteht. Der Lenkungskreis wird drei Mal im Jahr zusammen kommen, um sich über die Arbeit in verschiedenen Themenfeldern berichten zu lassen, einzelne Themen zu diskutieren und zu prüfen, ob zur weiteren Zielerreichung nachgesteuert werden muss.
Der bereits im Mai 2017 gestartete strategische Dialog mit allen relevanten Akteuren bildet das Dach des „Strategiedialog Automobilwirtschaft BW“. Bei ihm kommen Vertreterinnen und Vertreter des Ministerrats, der Leitungsebenen in Unternehmen sowie aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen. „Wir lassen uns zukünftig jährlich über die Fortschritte berichten. Wir tauschen uns aus, wo eine Nachsteuerung notwendig ist und welche Meilensteine neu zu setzen sind“, betonte Kretschmann.
Der Dialogprozess ist auf mindestens sieben Jahre angelegt. „Während dieses Zeitraums werden Veränderungen eines eher langfristig angelegten Wirtschaftssystems sichtbar. Sieben Jahre entsprechen zudem in etwa der Zyklusdauer einer Produktentwicklung in der Fahrzeugindustrie“, so Franz Loogen. Im Jahr 2020 soll eine Zwischenbilanzkonferenz stattfinden.
Transformation macht an Ländergrenzen keinen Halt
„Der Transformationsprozess birgt auch Ländergrenzen übergreifende Fragen und Herausforderungen. Ende März habe ich deshalb bereits mit meinen Kollegen aus Bayern, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen auf eine Zusammenarbeit verständigt“, so Kretschmann. „Und wir laden auch den Bund ein, kurz- und mittelfristig weitere Unterstützungsmaßnahmen für den Automobilstandort Deutschland anzugehen.“
Themen-Landkarte Transformationsprozess (PDF)
Organisationsstruktur Strategiedialog Automobilwirtschaft (PDF)