Staatssekretärin Andrea Lindlohr hat bei ihrer Sommertour zum Thema „Nachhaltig Bauen in Baden-Württemberg“ beispielgebende Projekte im Land besucht.
Wie funktioniert zirkuläres Bauen in Theorie und Praxis? Ein Bild davon machen konnte sich die Staatssekretärin im Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen, Andrea Lindlohr, bei ihrer Sommertour „Nachhaltig Bauen in Baden-Württemberg“. In Karlsruhe, Ludwigsburg, Stuttgart, Wendlingen und Aalen informierte sie sich über innovative Ansätze und beispielgebende Projekte zur Nachhaltigkeit als Planungsgrundlage für Sanierung und Neubau, zum Einsatz nachwachsender Rohstoffe und zur Wiederverwertung von Bauteilen.
Staatssekretärin Andrea Lindlohr: „Die Wiederverwertung von Bauteilen ist heute noch zu langwierig und kompliziert, Bauwillige müssen jedes Vorhaben individuell mit den Behörden abstimmen. Damit Bauen und Sanieren nachhaltiger wird, entwickeln wir deshalb zusammen mit der Wissenschaft einen technischen Leitfaden für die Wiederverwendung tragender Holz- und Stahlbauteile. So bringen wir das zirkuläre Bauen aus der Nische in die Breite.“
Nachhaltig geplante und gebaute Gebäude für den Klimaschutz
Rund 40 Prozent der CO₂-Emissionen bundesweit lassen sich auf Gebäude zu-rückführen. Nachhaltig geplante und gebaute Gebäude sind deshalb für das Erreichen unserer Klimaschutzziele unverzichtbar. Steigende Materialkosten machen das zirkuläre Bauen außerdem immer mehr zum Faktor für das bezahlbare Bauen.
Staatssekretärin Lindlohr: „Nachhaltig Bauen fängt beim nachhaltigen Planen an. Mit ‚N!BBW‘, unserem digitalen Planungswerkzeug, bieten wir hierfür allen am Bau Beteiligten ein geeignetes Instrument. Es hilft dabei, die Nachhaltigkeitsaspekte während allen Planungs- und Bauphasen im Blick zu behalten. Damit stärkt es die Transparenz im Prozess und schafft ein Wissensnetzwerk, das weit über das einzelne Vorhaben hinaus wirkt.“
Stationen der Sommertour
Den Auftakt bildete ein Besuch am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) am Montag, 29. Juli 2024: Gemeinsam mit Prof. Dirk Hebel – Dekan der Fakultät für Architektur, Professor für Nachhaltiges Bauen und einer der Co-Vorsitzenden im Strategiedialog Bezahlbares Wohnen und innovatives Bauen – besichtigte Staatssekretärin Lindlohr zunächst die Materialbibliothek. Sie ist für die Studierenden eine wichtige Recherche- und Inspirationsquelle. Ein besonderer Fokus liegt auf Baumaterialien, die entweder aus lokaler Verfügbarkeit oder lokaler Produktion stammen, die im biologischen Kreislauf kompostiert oder im technischen Kreislauf ohne Qualitätsverlust wiederverwertet werden können oder die aus sekundären, wiederverwendeten oder wiederverwerteten Rohstoffen des anthropogenen Lagers bestehen.
Als Nächstes stand das RoofKIT auf dem Programm – der siegreiche Wettbewerbsbeitrag eines KIT-Studierendenteams für den Solar Decathlon Europe 2022. Thema war die Frage, wie sozial-ökonomisch fairer Wohnraum geschaffen werden kann, ohne natürlichere Ressourcen zu zerstören. Der RoofKIT-Prototyp beantwortet die Frage mit einer modularen, leicht de- und remontierbaren Konstruktion zur Gebäudeaufstockung. Zum Einsatz kommen natürliche Materialien – Holz, Lehm, Wollfilz und Pilzorganismen – als auch sekundäre Baustoffe und -teile: Second-Hand-Fenster, alte Lastkraftwagen-Planen, Stahl aus ehemaligen Fabrikhallen oder Küchenfronten aus alten Joghurtbechern. „Das RoofKIT vereint viele innovative Ansätze unter einem Dach“, so die Staatssekretärin: „Die Wiederverwendbarkeit ist hier konsequent von Anfang bis Ende gedacht, für das Gebäude insgesamt und für jede einzelne Baukomponente.“
Versuchsanstalt für Stahl, Holz und Steine in Karlsruhe
Letzte Station in Karlsruhe war die Versuchsanstalt für Stahl, Holz und Steine am KIT. Hier sind sowohl Forschung und Lehre, als auch die Prüfung, Überwachung und Zertifizierung von Bauprodukten unter einem Dach vereint. Staatssekretärin Lindlohr informierte sich über die Chancen und Herausforderungen des zirkulären Bauens mit tragenden Bauteilen und über das Forschungsprojekt „Wiederverwertung von Holz- und Stahlbauteilen“. Dessen Ergebnisse werden in einen technischen Leitfaden einfließen. Staatssekretärin Lindlohr: „Die vorhandenen Materialien in bestehenden Gebäuden sind ein wahrer Fundus. Den müssen wir erkennen und nutzen, anstatt nur an Abriss zu denken. Auch beim Neubau müssen wir die Wiederverwendbarkeit der Materialien gleich mitberücksichtigen.“
Am Dienstag, 30. Juli 2024, besuchte Staatssekretärin Andrea Lindlohr die Grundschule Fuchshofstraße in Ludwigsburg – ein Projekt im Rahmen von „N!BBW – Nachhaltiges Bauen in Baden-Württemberg“. Das Planungswerkzeug „N!BBW“ ist ein onlinebasierter, kostenloser Leitfaden des Landes für nachhaltiges Planen, Bauen und Sanieren. Es hilft den am Bau Beteiligten dabei, während allen Planungs- und Bauphasen die verschiedenen Nachhaltigkeitsaspekte im Blick zu behalten – von Baustoffen über Ökobilanz bis zum Raumklima. Die N!BBW-Kriterien wurden bei der Grundschule Fuchshofstraße von Anfang an umfassend angewandt: Die Haupttragelemente des Hybridbaus bestehen aus Holz, Stahl und Stahlbeton. Die Baustoffauswahl erfolgte nach dem Kreislaufprinzip des „Cradle-to-Cradle“. Der Neubau wurde mit dem Hugo-Häring-Preis 2023 ausgezeichnet. „Je früher die Nachhaltigkeitsaspekte in Planung und Bau einfließen, desto größer ist ihre Wirkung. Das kann man an der Grundschule Fuchshofstraße ganz deutlich sehen“, sagte Staatssekretärin Andrea Lindlohr.
In Stuttgart besuchte Staatssekretärin Andrea Lindlohr das Umbauprojekt in der Königstraße 1c. Die LBBW Immobilien-Gruppe baut hier im Zuge der Revitalisierung des Schlossgartenquartiers ein ehemaliges Kaufhaus zu Büro- und Handelsflächen um. In Zusammenarbeit mit der Concular GmbH werden dabei im Sinne des zirkulären Bauens die Baumaterialien aus dem ehemaligen Kaufhaus noch während des Rückbaus an andere Bauprojekte weitervermittelt – von Geländern und Schaufenstern bis zu Pfosten-Riegel-Konstruktionen oder Rolltreppen. „Damit finden die Bauteile aus dem ‚Spendergebäude‘ passgenau eine Nachnutzung und kommen wieder in den Kreislauf“, sagte Staatssekretärin Andrea Lindlohr.
Am Mittwoch, 31. Juli 2024, besuchte Staatssekretärin Lindlohr das Holzparkhaus in Wendlingen. Das Parkhaus ist derzeit Deutschlands größtes Parkhaus vorwiegend in Holzbauweise und ein Projekt im Rahmen der Internationalen Bauausstellung IBA‘27 aus dem Themengebiet „Design für Reuse“: Es wurde so geplant und ausgeführt, dass der Entwurf eine Nachnutzung zum Beispiel als Wohn- oder Gewerbebau ermöglicht. Das Parkhaus ist sortenrein ohne Verbundmaterialien konstruiert, Verbindungen sind gesteckt oder verschraubt, um einen zerstörungsfreien Rückbau zu ermöglichen. „Ein entscheidender Aspekt für die Nachhaltigkeit ist, dass ein Gebäude möglichst lange und auch flexibel genutzt werden kann. Die Stadt Wendlingen leistet mit dem Holzparkhaus echte Pionierarbeit“, sagte Staatssekretärin Andrea Lindlohr.
Zuletzt stand der Neubau des Schubart-Gymnasiums in Aalen auf dem Programm. Das Gebäude wurde als Low-Tech-Gebäude mit integralem Energiekonzept zunächst als Null-Energie-Schule geplant. Die bauphysikalischen Aspekte wurden beim Neubau vorbildlich berücksichtigt. Durch ein entsprechendes Monitoring und Anpassungen im Betrieb konnte der Heizwärmebedarf nach Fertigstellung nochmals gesenkt werden. Die Schule ist nun nachweislich ein Plus-Energie-Gebäude. „Die Erfahrungen aus dem Monitoring fließen nun in weitere Projekten ein. Damit wirkt der Nachhaltigkeitsgedanke des Neubaus weit über das Schulgelände hinaus“, sagte Staatssekretärin Andrea Lindlohr.