Beim Lehmbauforum BW im Haus der Wirtschaft in Stuttgart diskutierten Fachleute über die vielfältigen Anwendungsbereiche des nachhaltigen Baustoffs.
Die aktuellen Herausforderungen bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sind enorm. Steigende Baupreise, stockende Lieferketten und ein Mangel an Baustoffen mit der Zielsetzung nachhaltige Lösungen zu finden, rücken nachhaltige Baustoffe immer mehr in den Fokus. Lehm ist einer davon.
„Die Landesregierung hat sich vorgenommen, den Lehmbau stärker ins Bewusstsein zu rücken“, sagte Nicole Razavi, Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen, zum Auftakt des Lehmbauforums BW am 8. Mai 2023: „Lehm ist in der Natur reichlich vorhanden, kann ohne großen Energieaufwand abgebaut werden, ist biologisch abbaubar und kann – das ist das eigentlich Spannende – nach seiner Nutzungsdauer wieder zurück in die Natur gegeben werden. Damit kann Lehm einen wichtigen Beitrag für ein generationengerechtes, klima- und ressourcenschonendes Bauen und Sanieren leisten.“
Die Vorteile von Lehm
Lehm ist in vielen Böden enthalten und damit regional verfügbar. Da das Material im Erdaushub häufig enthalten ist, findet der Abbau als Nebenprodukt von Erdarbeiten statt. Durch die Aufbereitung des Materials und die Mischung von unterschiedlichen Lehmen lassen sich genormte Baustoffe aus Lehm herstellen. Für den Herstellungsprozess wird weniger Energie benötigt als bei mineralischen Baustoffen. Da der Lehm lediglich getrocknet wird, ist ein einfaches Recycling möglich.
Neben diesen ökologischen Vorteilen hat Lehm auch einen positiven Einfluss auf das Raumklima. Er ist atmungsaktiv und kann Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben. Seine thermische Trägheit sorgt für ausgeglichene Temperaturen. Sichtbar belassene Lehmoberflächen haben eine warme, natürliche Ausstrahlung und eine behagliche Atmosphäre. Von diesen Eigenschaften profitieren die Bewohnerinnen und Bewohner von Gebäuden aus Lehmbaustoffen.
Warum wird das Material also nicht noch viel häufiger verwendet? Das Lehmbauforum hat am 8. Mai 2023 die Fachleute Martin Rauch (Lehm Ton Erde Baukunst GmbH), Martin Haas (haascookzemmrich STUDIO 2050), Ulrich Röhlen (Zweiter Obmann des Normenausschusses Lehmbau, zweiter Vorsitzender des Dachverbands Lehm e.V.) und Waldemar Eider (eiwa Lehmbau GmbH) auf dem Podium zusammengebracht, um über die verschiedenen Vorteile und Anwendungsbereiche des nachhaltigen Baustoffs zu sprechen und darüber zu diskutieren, wie es zu einer Flächenanwendung des Materials kommen kann. Die Veranstaltung wurde moderiert von Jutta Fuchs.
Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten
Eine nicht weit verbreitete Anwendung ist der Stampflehmbau. Mit diesem Verfahren kann eine tragende Wand hergestellt werden. Lehm wird dabei lagenweise in einer Schalung verdichtet. Dieses Verfahren ist arbeitsintensiv, daher hat Herr Rauch eine Methode entwickelt, maschinell verdichtete Elemente aus Stampflehm zu produzieren. Wird in der Wanddicke die Abwitterung berücksichtigt, kann die Stampflehmwand als Außenwand ohne zusätzliche Bekleidung verwendet werden. Bei dieser Konstruktion bietet es sich an, die positiven Eigenschaften des Materials für ein angenehmes Raumklima zu nutzen und gleichzeitig Gebäudetechnik auf ein Minimum zu reduzieren.
Für die weitverbreiteten Metallständerwände ist eine Beplankung aus Lehmbauplatten eine ökologische Alternative. Gleiches gilt auch für die Beplankung von Holzrahmenbauwänden. Mit Lehmputzen und Lehmfarben können viele Gestaltungswünsche realisiert werden. Diese Baustoffe eignen sich auch für die Sanierung im Bestand.
Normierung der wichtigsten Lehmbaustoffe sorgt für häufigere Anwendung
Darüber, ob eine Breitenanwendung des Materials sich auf den nicht bewitterten Innenbereich konzentrieren wird oder nicht, gingen die Meinungen auseinander. In jedem Fall hat die Normierung der wichtigsten Lehmbaustoffe und eine Verarbeitung mit gängigen Maschinen bereits zu einer häufigeren Anwendung geführt. Die überarbeitete Norm für Mauerwerk aus Lehmsteinen im Innenbereich ermöglicht bis zu 13 Meter hohe Wände.
„Die heutige Veranstaltung hat gezeigt: Der Baustoff Lehm hat ein riesiges Potenzial“, so Staatssekretärin Andrea Lindlohr in ihrem Schlusswort: „Wir werden bald einen Innovationspreis Lehmbau ausloben. Damit wollen wir gute Lösungen im Land sichtbar machen. Ich freue mich schon heute auf viele interessante Beiträge!“
Innovationspreis Lehmbau BW
Um die Verbreitung des Baustoffes zu fördern, ist ein Innovationspreis Lehmbau BW geplant. Dieser soll gut gebaute Lehm-Beispiele in ein landesweites Schaufenster stellen und zur Nachahmung ermutigen. Der Innovationspreis Lehmbau BW soll im Sommer 2023 ausgelobt werden.
Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen: Wohnraumoffensive Baden-Württemberg