Um Qualität und Effizienz der Justizbehörden weiter zu steigern, investieren wir auch in den kommenden Jahren in Justizgebäude, Technik und Digitalisierung. Gerade auch die Sicherheit von Bediensteten sowie von Besucherinnen und Besuchern in den baden-württembergischen Gerichtsgebäuden verbessern wir weiter.
Mit dem Investitionsprogramm Justiz haben wir auf die gestiegenen Belastungen der Justiz reagiert und wichtige Schritte zur Stärkung der dritten Gewalt im Land unternommen. An die personellen Stärkungen in der vergangenen Legislaturperiode konnten wir auch in der neuen Legislatur anknüpfen, in der bisher über 700 neue Stellen für die Justiz geschaffen und über 200 bislang befristete Stellen nunmehr dauerhaft eingerichtet wurden. Bei den zusammen also über 900 Stellen handelt es sich unter anderem um 171,5 Stellen für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, 538,5 Stellen im Justizvollzug und 35 Stellen für Justizwachtmeisterinnen und Justizwachtmeister. Wir wollen die Justiz auch in den nächsten Jahren weiter personell stärken.
Mit den zuletzt im Haushalt 2023/2024 geschaffenen 67,5 Neustellen für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte wurde unter anderem das Cybercrime-Zentrum Baden-Württemberg errichtet, das zum 1. Januar 2024 seine Arbeit aufgenommen hat. Zudem wird die Strafjustiz für die Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und der Wirtschaftskriminalität sowie für den Ausbau des beschleunigten Verfahrens nach der Strafprozessordnung und der Häuser des Jugendrechts personell weiter verstärkt. Schließlich wurden die Zivilgerichte bei der Bewältigung der massenhaft eingegangenen Diesel-Verfahren unterstützt.
Mit den zuletzt zusätzlich geschaffenen Stellen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit und den organisatorischen Neuerungen im Bereich der asylgerichtlichen Verfahren wurde die Justiz außerdem in die Lage versetzt, auf die wieder ansteigenden Eingangszahlen in Asylsachen angemessen reagieren und die Verfahrenslaufzeiten nochmals spürbar reduzieren zu können. Zudem wurden zur Beschleunigung von Verwaltungsrechtsstreitigkeiten in komplexen Planungs- und Genehmigungsverfahren ein zusätzlicher Infrastruktur-Senat am Verwaltungsgerichtshof und zwei Infrastruktur-Kammern an den Verwaltungsgerichten Karlsruhe und Stuttgart geschaffen.
Baden-Württemberg setzt damit nicht nur ein deutliches Zeichen zur Stärkung des Rechtsstaats, sondern betont gleichzeitig die herausgehobene Bedeutung der dritten Gewalt für unser Gemeinwesen.
Baden-Württemberg ist Vorreiter einer modernen Justiz. Die gesamte baden-württembergische Justiz ist landesweit „papierlos“ erreichbar. Für einen sicheren und flächendeckenden Empfang elektronischer Dokumente haben wir an allen Gerichten und Staatsanwaltschaften des Landes eigene elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfächer (EGVP) eingerichtet und die sonstigen Justizbehörden des Landes mit besonderen elektronischen Behördenpostfächern (beBPo) ausgestattet. Noch im Jahr 2022 wird das besondere elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) bereitstehen, das Bürgerinnen und Bürgern und vielen weiteren Kommunikationspartnern der Justiz länderübergreifend die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr ermöglicht.
In der Justiz Baden-Württemberg ist die elektronische Akte in der alltäglichen Praxis angekommen. Sie hat sich in allen Gerichtsbarkeiten und Instanzen im Rahmen von Pilotierungen sowie der Flächenausstattung im Echtbetrieb bewährt. Inzwischen arbeiten insgesamt rund 7.000 Justizangehörige an weit über 100 Gerichtsstandorten in Baden-Württemberg mit der elektronischen Akte und es kommen jeden Monat weitere Standorte hinzu. In der Finanz-, Arbeits-, Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit ist die elektronische Akte vollständig eingeführt. In Zivilsachen sind beide Oberlandesgerichte, alle Landgerichte und die überwiegende Zahl der Amtsgerichte mit der eAkte ausgestattet. Zum Jahresende 2023 wird die elektronische Akte in allen Gerichten angekommen sein. Schon weit mehr als eine Million Verfahren wurden in der Justiz in Baden-Württemberg bereits ausschließlich digital bearbeitet.
Seit dem Jahr 2022 wird erstmals bei der Staatsanwaltschaft Ulm und dem Amtsgericht Ulm die elektronische Strafakte pilotiert. Durch eine speziell geschaffene Datenautobahn können Strafakten der Polizei an die Staatsanwaltschaft übergeben werden. Mit der Pilotierung der elektronischen Bußgeldakte durch die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart und die Staatsanwaltschaft Rottweil arbeiten nunmehr drei Staatsanwaltschaften mit der eAkte der Justiz.
Auch der elektronische Rechtsverkehr nimmt stetig zu. So sind zwischenzeitlich pro Monat bereits rund eine Million an elektronischen Ein- und Ausgängen zu verzeichnen.
Soweit Gerichte die Verfahren elektronisch führen, können die Verfahrensbeteiligten Akteneinsicht über das im Jahr 2019 in Betrieb genommene Akteneinsichtsportal erhalten.
Neben den Verfahrensbereichen wird nach erfolgreicher Pilotierung der elektronischen Akten in den Verwaltungsabteilungen der Gerichte und Staatsanwaltschaften auch dort die elektronische Akte eingeführt, erste Gerichte arbeiten somit schon nahezu ausschließlich digital.
Neben der Einführung der elektronischen Verfahrensakte befasst sich die Justiz erfolgreich mit Pilotprojekten zum Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI). Anhand der Anforderungen der gerichtlichen Praxis werden Assistenzprogramme auf Basis von KI-Methoden erstellt und die notwendige Infrastruktur zu deren Betrieb entwickelt und aufgebaut. Darüber hinaus verfügen die Gerichte über moderne Visualisierungs- und Videokonferenztechnik, welche stetig ausgebaut wird. Diese Ausstattung ermöglicht den Gerichten, mit dem Format der Videoverhandlungen, niederschwellig in Kontakt mit Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und der Anwaltschaft zu treten.
Baden-Württemberg hat bereits seit Ende 2020 Commercial Courts an den Landgerichten Stuttgart und Mannheim eingerichtet. Die Erfahrungen sind sehr positiv. Sie machen der Wirtschaft ein besonders attraktives Angebot für große Wirtschaftsstreitigkeiten, um ein Abwandern in die Schiedsgerichtsbarkeit zu vermeiden und die Prägekraft der Rechtsprechung zu stärken.
Dies stärkt den Gerichtsstandort Baden-Württemberg. Die Commercial-Courts zeichnen sich durch eine besondere räumliche, technische und personelle Ausstattung aus. Commercial Courts spielen eine ausgesprochen wichtige Rolle auf dem Weg hin zum Zivilprozess der Zukunft. Mit dem vom Bund geplanten Justizstandort-Stärkungsgesetz wird die Möglichkeit eröffnet, einen Commercial Court auf Ebene des Oberlandesgerichts einzurichten, der für bestimmte Wirtschaftszivilverfahren ab einem Streitwert von 500.000 Euro nach Vereinbarung der Parteien erstinstanzlich zuständig ist. Darüber hinaus können nach dem Gesetz auf Ebene der Landgerichte Commercial Chambers für Wirtschaftszivilverfahren mit niedrigerem Streitwert eingerichtet werden, gegen deren Entscheidungen der Rechtsmittelweg zum Commercial Court eröffnet wird. Damit kann das bereits heute erfolgreiche Commercial Court-Modell in Baden-Württemberg konsequent fortentwickelt werden.
Vorbeugung ist der beste Weg bei der Kriminalitätsbekämpfung. Daher unterstützt die Landesregierung vielfältige Präventionsmaßnahmen, um zu verhindern, dass Jugendliche und Heranwachsende straffällig werden. Ist ein junger Mensch jedoch straffällig geworden, gilt es zu verhindern, dass er in eine verfestigte kriminelle Karriere abgleitet. Ein bewährtes Modell zur Bekämpfung der Jugendkriminalität sind die „Häuser des Jugendrechts“.
Polizei, Jugendgerichtshilfe und Staatsanwaltschaft finden sich hier unter einem Dach. Die kurzen Wege ermöglichen ein zeitnahes Reagieren auf Straftaten, die Jugendliche und Heranwachsende begehen. Das hilft, die Verfahrensdauer zu verringern. Neben Sanktionen bieten die Einrichtungen jedoch auch Hilfsangebote und individuelle Betreuung an. Auf Grundlage des im Jugendstrafrecht verankerten Erziehungsgedankens können so umgehend Lösungswege aufgezeigt werden.
Bis heute haben wir in Baden-Württemberg bereits in Stuttgart, Mannheim, Pforzheim, Heilbronn, Ulm, Offenburg, Karlsruhe, Villingen-Schwenningen und Waldshut-Tiengen Häuser des Jugendrechts eingerichtet. Die Planungen zu weiteren Häusern des Jugendrechts, beispielsweise in Heidelberg, Konstanz und Stuttgart-Mitte, sind weit fortgeschritten. Erklärtes Ziel der Landesregierung ist ein möglichst flächendeckender Ausbau derartiger Einrichtungen im ganzen Land.
Daneben existiert im Landkreis Tuttlingen seit vielen Jahren eine besondere Kooperationsform zwischen Polizei, Jugendamt und Staatsanwaltschaft namens „Jukop". Jugendamt und Polizei befinden sich wie bei den „klassischen“ Häusern des Jugendrechts räumlich unter einem Dach. Die Beteiligung der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft Rottweil erfolgt überwiegend telefonisch oder per E-Mail, in regelmäßigen Abständen und bei Bedarf in besonderen Fällen auch durch persönliche Besprechungen.
Durch eine zügige Bearbeitung von Strafverfahren kann Straftätern frühzeitig Grenzen aufgezeigt werden. Potentiellen Straftätern kann gleichzeitig die abschreckende Wirkung des Strafrechts vor Augen geführt werden. Diese Zielsetzungen können insbesondere im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens nach den §§ 417 ff. der Strafprozessordnung erreicht werden. Eine Aburteilung im beschleunigten Verfahrens kann in amtsgerichtlichen Strafsachen erfolgen, die auf Grund des einfach gelagerten Sachverhalts oder der klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlung geeignet sind.
Angesichts der unbestreitbaren Vorteile dieser Verfahrensart haben wir zunächst in Freiburg, Mannheim und Stuttgart drei Modellprojekte zur Stärkung des beschleunigten Verfahrens eingerichtet, die im Juni 2020 ihre Tätigkeit aufnahmen. Ziel der Projekte war und ist zum einen eine rasche Sanktionierung von Straftaten im Einzelfall. Zum anderen werden im Rahmen dieser Projekte organisatorische Standards und Arbeitsabläufe zwischen Amtsgericht, Staatsanwaltschaft und Polizei entwickelt und erprobt, die dann auch an anderen geeigneten Gerichtsstandorte nutzbar gemacht werden können.
Die beteiligten Gerichte und Staatsanwaltschaften haben im Rahmen der Projekte sowohl unter spezial- und generalpräventiven Gesichtspunkten als auch im Hinblick auf die Akzeptanz der beschleunigten Verfahren gute Erfahrungen gemacht. Danach ist das beschleunigte Verfahren ein geeigneter Ansatz, um das allgemeine Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat zu stärken. Die bestehenden Modellprojekte wurden daher zwischenzeitlich verstetigt. Zudem werden die bislang im Rahmen der Projekte gesammelten wertvollen Erfahrungen mit der Durchführung des beschleunigten Verfahrens genutzt, um diese Verfahrensart an sieben weiteren Gerichtsstandorten im Land zu etablieren. Der mit der Durchführung der Verfahren einhergehende personelle und organisatorische Mehraufwand bei den in den vergangenen beiden Jahren eingerichteten Projekten in Offenburg, Karlsruhe, Heilbronn, Ulm, Heidelberg, Tübingen und Konstanz wird hierbei – wie bereits an den Modellstandorten in Freiburg, Mannheim und Stuttgart – durch die Zuweisung von Personalstellen, die im Haushalt für diesen Zweck geschaffen wurden, kompensiert.
Die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten und den Strafgefangenen eine Perspektive für ein Leben ohne Straftaten zu ermöglichen, ist Aufgabe des Justizvollzugs. Die Landesregierung sorgt für gut ausgebildetes Personal und umfassende Konzepte, damit die Wiedereingliederung von Straftätern in die Gesellschaft und somit eine erfolgreiche Resozialisierung gelingen kann.
Die Schaffung ausreichender Haftplatzkapazitäten ist ein wichtiger Bestandteil eines funktionierenden Justizvollzugs. Mit dem begonnenen Neubau in Rottweil wird eine funktional und unter Berücksichtigung aktueller Sicherheitsstandards gestaltete neue Justizvollzugsanstalt mit 500 zeitgemäßen Haftplätzen entstehen. Zudem wurde der geschlossene Vollzug an männlichen Gefangenen durch die Fertigstellung von Unterkunftsgebäuden in Modulbauweise an den bestehenden Vollzugsstandorten Heimsheim, Ravensburg und Schwäbisch Hall im Umfang von jeweils bis zu 120 Haftplätzen entlastet.
Der Bedarf an stationären Krankenbehandlung von überwiegend psychiatrisch auffälligen Gefangenen steigt. Wir haben die Planung eines neuen Justizvollzugskrankenhauses mit 200 Haftplätzen auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Stuttgart in Angriff genommen. Dieses soll zudem hinsichtlich der begrenzten Sicherungsmöglichkeiten der bisherigen Einrichtung auf dem Hohenasperg und der beengten Unterbringung der ebenfalls dort angesiedelten Sozialtherapeutischen Anstalt Abhilfe verschaffen.
Die Weiterentwicklung und Verbesserung der medizinischen Versorgung in baden-württembergischen Gefängnissen unter Berücksichtigung der aktuellen Herausforderungen war und ist das Gesamtziel der Expertenkommission Medizinkonzept. Der im Jahr 2020 von dieser Expertenkommission vorgelegte Abschlussbericht enthält neben einer Darstellung des Ist-Zustandes der medizinischen Versorgung der Gefangenen im baden-württembergischen Justizvollzug insbesondere 30 Empfehlungen. Sie geben wichtige Impulse und Antworten, um den Herausforderungen im Gesundheitswesen im Justizvollzug zu begegnen und die medizinische Versorgung der Gefangenen – wo es nötig ist – weiterzuentwickeln und zu verbessern. Mit Blick auf die – auch seitens der Expertenkommission Medizinkonzept geforderte – zeitnahe Umsetzung der Empfehlungen wurden für den Einstieg in die Umsetzung bereits in den Staatshaushaltsplänen 2022 und 2023/2024 Personal- und Sachmittel etatisiert. Für die Umsetzung der noch offenen Empfehlungen der Expertenkommission Medizinkonzept bedarf es auch künftig der Bereitstellung der erforderlichen Sach- und Personalmittel im Staatshaushaltsplan.
Die Personalausstattung des Justizvollzugs haben wir zuletzt alleine im Haushalt 2023 nochmals um 273 Stellen verstärkt. Verbesserte Beförderungsmöglichkeiten, insbesondere Stellenhebungen in den Spitzenfunktionen, sowie das Wahlrecht der Beamtinnen und Beamten des Vollzugs- und Werkdienstes im Bereich der Gesundheitsfürsorge zwischen Beihilfe und Heilfürsorge steigern die Attraktivität der Berufe im Justizvollzug.
Die Digitalisierung hält zunehmend Einzug in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, darunter auch im Justizvollzug. Hier haben sich in den letzten Jahren bereits eine Vielzahl von Digitalisierungsmaßnahmen und -projekten etabliert. Dies stellt einen wichtigen Schritt hin zu einem effektiven und zukunftsstarken Justizvollzug dar.
Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Digitalisierung im Justizvollzug verbunden mit ihren zahlreichen Vorteilen, wie etwa einer effizienten Prozessgestaltung und den erweiterten Möglichkeiten der Resozialisierung, bleibt jedoch auch in Zukunft ein zentrales Anliegen. Daher wurde auch zum 1. Juli 2023 im Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg die Stabsstelle „Digitalisierungsstrategie Justizvollzug“ geschaffen. Sie hat neben der zentralen Steuerung der Digitalisierungsthemen die Aufgabe für den Justizvollzug eine professionelle Digitalisierungsstrategie zu erarbeiten und hierbei vor allem neue Digitalisierungsmaßnahmen und -projekte zu identifizieren und umzusetzen.
Als wesentliche Bausteine für die weitere Digitalisierung des Justizvollzuges sieht die Digitalisierungsstrategie in einem ersten Schritt die Einführung elektronischer Akten in den Justizvollzugseinrichtungen des Landes vor mit dem Ziel, den Zugang zu wichtigen Informationen zu erleichtern und eine effizientere Bearbeitung zu ermöglichen.
Bereits in der Vergangenheit haben sich im Justizvollzug insbesondere folgende Digitalisierungsprojekte etabliert:
Im täglichen Umgang mit den Gefangenen ist die Überwindung von Sprachbarrieren und daraus resultierenden Verständigungsproblemen eine große Herausforderung. Ein sehr wichtiger Baustein zur Überwindung dieser Barriere ist der Einsatz von Dolmetscherinnen und Dolmetschern, die seit dem Jahr 2017 bei Bedarf binnen weniger Minuten per Videokonferenz zur Verfügung stehen.
Von den guten Erfahrungen mit den Videodolmetscherinnen und Videodolmetschern profitiert auch die medizinische Versorgung der Gefängnisinsassen. Die medizinische Versorgung von Gefangenen stellt den Justizvollzug vor besondere Herausforderungen, insbesondere bei der steigenden Zahl ausländischer und psychisch auffälliger Insassen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wurde 2018 das Modellprojekt „Telemedizin im Justizvollzug“ ins Leben gerufen. Das Projekt ermöglicht es, Gefangene mittels Videokonferenztechnik zu behandeln, wenn Anstaltsärzte nicht oder nicht in dem benötigten Umfang zur Verfügung stehen. Nach einer erfolgreichen Pilotphase wurde die Telemedizin im Jahr 2019 landesweit in allen Justizvollzugsanstalten eingeführt und ist mittlerweile in den Regelbetrieb übergegangen und ein fester Bestandteil der medizinischen Versorgung. Über die Telemedizin können nicht nur Ärzte verschiedener Fachrichtungen, sondern zugleich auch Dolmetscher des Videodolmetscherdienstes zugeschaltet werden. Die Telemedizin hat sich so als sinnvolle Ergänzung zum bestehenden Behandlungs- und Beratungsangebot etabliert. Der beauftragte Dienstleister stellt den Justizvollzugsanstalten im Rahmen einer Rufbereitschaft 24/7 Teleärzte mit Facharztqualifikation auf den Gebieten der Allgemeinmedizin und Psychiatrie sowie im Rahmen von Sprechstunden Teleärzte mit Facharztqualifikation auf den Gebieten der Allgemeinmedizin und Psychiatrie zur Verfügung. Zudem können psychiatrische, dermatologische, infektiologische (Hepatitis C und anderes) und suchtmedizinische Konsile via Telemedizin in Anspruch genommen werden. Auch gibt es ein Angebot zur Rauchentwöhnungsberatung und -behandlung. Diese Leistungen werden durch die Substitution via Telemedizin ergänzt. Für die Anstaltsärztinnen und Anstaltsärzte bietet die Telemedizin mit länderübergreifenden ärztlichen Fallkonferenzen ein spezielles Fortbildungsangebot im Bereich der Gefängnismedizin (monatlich, videobasiert). Die Aufnahme weiterer Behandlungsangebote wird anhand der Bedarfe des Justizvollzugs auch weiterhin geprüft und gegebenenfalls ergänzt. Das Ministerium der Justiz und für Migration hat mit dem Projekt bundesweites Neuland betreten. Die Telemedizin im Justizvollzug Baden-Württemberg wird im Abschlussbericht der Expertenkommission Medizinkonzept besonders positiv hervorgehoben und hat bundesweit Signalwirkung entfaltet.
Als Ausgleich für pandemiebedingt entfallene Besuchsmöglichkeit ist zudem flächendeckend die Videotelefonie über Skype eingeführt worden. Hierzu angeschaffte Tablets lassen sich aber auch zur Teilnahme an Videokonferenzen im gerichtlichen Verfahren einsetzen und ermöglichen es auch hier Dolmetscherinnen und Dolmetscher zuzuschalten.
Im Jahr 2021 wurde ferner das Modellprojekt „Telepsychotherapie im Justizvollzug“ gestartet. Durch das Angebot der Telepsychotherapie soll der Bedarf psychisch kranker Gefangener an psychologischer und psychotherapeutischer Betreuung und Behandlung noch besser gedeckt werden. Darüber hinaus können telepsychotherapeutische Betreuung und Behandlung durch Psychologische Psychotherapeuten in deutscher, arabischer und türkischer Sprache erfolgen. Die Anforderung weiterer Sprachen ist je nach Bedarf der Justizvollzugsanstalten möglich. Die landesweite Ausweitung dieses Behandlungsangebotes und Überführung in den Regelbetrieb kann voraussichtlich mit Ablauf des Jahres 2024 abgeschlossen werden.
Mit diesen Maßnahmen nimmt Baden-Württemberg im Justizvollzug eine Vorreiterrolle in Sachen Digitalisierung ein.
Es ist vorgesehen, noch im Jahr 2024 in Einrichtungen des offenen Vollzugs ein sogenanntes Haftraummediensystem zu pilotieren. Dieses ermöglicht den Gefangenen unter anderem Videotelefonie im Haftraum.
Eine verlässliche und gut funktionierende Bewährungs- und Gerichtshilfe ist für unser Land unverzichtbar. Die Überführung der Bewährungshilfe in staatliche Form zum 1. Januar 2017 ist abgeschlossen und kann als vollumfänglicher Erfolg gewertet werden. Insbesondere ließen sich die bisherige hohe Qualität und die grundsätzlichen Strukturen beibehalten. Die Bewährungs- und Gerichtshilfe Baden-Württemberg (BGBW) ist in ihrer Form als Anstalt öffentlichen Rechts mittlerweile etabliert. Sie ist an einer Vielzahl an Projekten in Zusammenarbeit mit verschiedenen staatlichen Institutionen und Kooperationspartnern beteiligt.
Insbesondere in dem seit 1. November 2020 landesweit ausgerollten Projekt „Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen durch aufsuchende Sozialarbeit“ leisten die Mitarbeitenden der BGBW einen wertvollen und unerlässlichen Beitrag, um in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Staatsanwaltschaften durch Hausbesuche der Gerichtshelferinnen und Gerichtshelfer Ersatzfreiheitsstrafen zu vermeiden.
Opferschutz und Opferhilfe sind uns zentrale Anliegen. Die Aufklärung von Straftaten, die Verfolgung der Täter und deren Bestrafung sind wichtige Beiträge zur Sicherung des Rechtsfriedens in unserer Gesellschaft. Wir sehen jedoch auch eine Verpflichtung, diejenigen zu unterstützen, die Opfer einer Straftat geworden sind. Ihre Rechte und ihre Bedürfnisse wollen wir weiter in den Fokus rücken.
Deshalb lassen wir die Opfer von Straftaten und diejenigen, die einen wertvollen und unverzichtbaren Beitrag im Bereich der vielfältigen und breitgefächerten Opferhilfe im Land erbringen, nicht alleine. So unterstützen wir neben der Koordinierungsstelle für die psychosoziale Prozessbegleitung auch die Zeugenbegleitung und das Internetportal Zeugeninfo.de nachhaltig durch Haushaltsmittel. Die Landesstiftung Opferschutz gewährt in verschiedenen Konstellationen Hilfe für Opfer von Gewalttaten durch eine finanzielle Zuwendung. Die Stiftung ist in bundesweit herausragender Weise mit Haushaltsmitteln zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben ausgestattet. Mit dem Inkrafttreten des neuen Sozialgesetzbuches XIV zum 1. Januar 2024 wurde der Begriff der Gewalttat neu definiert, so dass die Landesstiftung Opferschutz durch die Anpassung ihrer Zuwendungsrichtlinie nunmehr Opfer von körperlichen und auch psychischen Gewalttaten unterstützen kann.
Zum 1. Juli 2020 wurde ein Opferbeauftragter der Landesregierung ernannt und eine zentrale Anlaufstelle für Opfer von Terroranschlägen, Amokläufen und Großschadensereignissen eingerichtet. Deren vorrangige Aufgabe ist die Betreuung und die Beratung von Opfern, Betroffenen und Angehörigen sowie deren Vermittlung in Hilfsangebote vom Beginn der Akutphase bis zum Abschluss der Nachsorgephase im Fall eines terroristischen Anschlages, bei Amokläufen und bei Großschadensereignissen. Am 14. Dezember 2021 hat der Ministerrat das dazu erarbeitete Handlungskonzept zur Betroffenenbetreuung gebilligt.
Der Opferbeauftragte, Alexander Schwarz, und seine Geschäftsstelle üben zudem eine Lotsenfunktion für Opfer von allgemeinen Straftaten aus und fungieren als Ansprechpartner sowie als Koordinierungsstelle für die Opferhilfeeinrichtungen. Haupt- und ehrenamtliches Engagement starker Akteure werden so verknüpft, damit sie ihre Ressourcen für Opfer und Betroffene in bestmöglicher Weise einsetzen können.
In Umsetzung der Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag vom Mai 2021 wollen wir dieses bewährte Prinzip noch stärker in die Fläche des Landes tragen. Dazu sollen auch auf regionaler Ebene Opferlotsen eingerichtet werden, die die Arbeit des Opferbeauftragten lokal ergänzen.
Zum 1. Januar 2024 haben wir ein staatsanwaltschaftliches Cybercrime-Zentrum zur gezielten und effektiven Bekämpfung von Straftaten errichtet, die sich gegen informationstechnische Systeme richten oder mittels Computer- und Informationstechnik durchgeführt werden.
In den vergangenen Jahren sind die Fallzahlen zu solchen Delikten in Baden-Württemberg kontinuierlich gestiegen und haben sich von 23.138 im Jahr 2017 auf 56.811 im Jahr 2023 mehr als verdoppelt (+145 %).
Dem bei der Generalstaatsanwaltschaft in Karlsruhe angesiedelten neuen Cybercrime-Zentrum wurde eine landesweite Strafverfolgungszuständigkeit bei (ermittlungs-) technisch besonders anspruchsvollen oder umfangreichen Verfahren des Cybercrime übertragen. Für das insgesamt mit 50,5 Personalstellen ausgestattete Zentrum wurden 42 Neustellen im Doppelhaushalt 2023/2024 bewilligt. Die Aufgaben der bisherigen Cybercrime-Schwerpunktabteilungen bei den Staatsanwaltschaften Mannheim und Stuttgart sowie die ausschließlich koordinierend tätige Zentralstelle bei der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart wurden vom Cybercrime-Zentrum übernommen.
Nicht nur die Komplexität und grenzüberschreitenden Dimensionen, sondern vor allem auch der zunehmende Einsatz von Verschlüsselungstechnologie stellen die Strafverfolgungsbehörden vor besondere Herausforderungen. Im Cybercrime-Zentrum arbeiten deshalb nicht nur Juristen, sondern auch IT-Forensiker, die die Ermittlungen mit ihrer technischen Expertise unterstützen. Durch eine IT-fachliche Beratung ist es möglich, in den einzelnen Verfahren bestehende Ermittlungsoptionen vollumfänglich auszuschöpfen und weitergehende Ermittlungsansätze zu entwickeln. Darüber hinaus solle das Zentrum auch die Kooperation zwischen den im Bereich der Cybersicherheit tätigen Akteure auf Landes-, Bundes- und internationaler Ebene weiter verbessern.