Die Erfolgsgeschichte Baden-Württembergs ist vor allem ein Resultat der nüchternen Vernunft. Seine Entstehung verdankt das Land einer besonderen historischen Konstellation nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Gebiet im deutschen Südwesten war nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands ohne Rücksicht auf geografische, soziale oder wirtschaftliche Verhältnisse dreigeteilt worden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Die Amerikaner formten aus den von ihnen besetzten Gebieten Nordbaden und Nordwürttemberg den Übergangsstaat Württemberg-Baden mit der Hauptstadt Stuttgart, in dem der Landesbezirk Baden jedoch eine weitgehende Verwaltungsautonomie inne hatte. Die Franzosen machten aus dem Süden Württembergs und Hohenzollern das Land Württemberg-Hohenzollern mit der Hauptstadt Tübingen. Aus dem südbadischen Landesteil wurde Baden mit der Metropole Freiburg.
Chaos und Neuordnung
Schon früh gab es in Teilen der Bevölkerung den Wunsch, die willkürliche Aufteilung der Siegermächte rückgängig zu machen. Die Grenzen sollten wieder den gewachsenen geografischen und kulturellen Linien folgen. Einige forderten gar, alle drei Teile zu einem einzigen Bundesland zu vereinigen. Neu war die Idee nicht, Baden, Württemberg und Hohenzollern zu vereinen. Bereits im 19. Jahrhundert und dann vor allem in der Weimarer Republik hatten namhafte Politiker aller Couleur darüber nachgedacht, darunter auch der Liberale Theodor Heuss.
Der erste Signalstoß nach 1945 kam aus Stuttgart. Hier hatte im September 1946 die Verfassungsgebende Landesversammlung von Württemberg-Baden einen entscheidenden Schritt getan. Nach Artikel 107 der Landesverfassung sollten Verfassungsänderungen bei einer Vereinigung mit Südwürttemberg und Südbaden mit einfacher Mehrheit beschlossen werden können.
Schwierige Verhandlungen
Der nächste Anstoß kam von außen. Am 1. Juli 1948 erteilten die drei Militärgouverneure den Regierungschefs im deutschen Westen den Auftrag, Vorschläge für eine Neugliederung der Länder zu erarbeiten. Nach Fläche und Einwohnerzahl sollten dabei möglichst ausgewogene Länder entstehen. Für den deutschen Südwesten bedeutete dies die Vereinigung der drei Verwaltungseinheiten Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden. Auf badischer Seite zielte man jedoch auf die Wiedervereinigung des ganzen badischen Landes ab und glaubte „schwäbischen Imperialismus“ am Werk zu sehen. Die Situation war vertrackt. Verhandlungen zwischen den drei Regierungschefs Leo Wohleb (Baden), Reinhold Maier (Württemberg-Baden) und Gebhard Müller (Württemberg-Hohenzollern) kamen zunächst zu keinem Ergebnis.
Artikel 118 des Grundgesetzes
Inzwischen beschäftigte sich nach dem Willen der drei westlichen Besatzungsmächte der „Parlamentarische Rat“ mit der Ausarbeitung einer Verfassung für den deutschen Staat. Für den deutschen Südwesten kam es darin, auf Initiative aus Württemberg-Hohenzollern, zu einer Sonderregelung für die Lösung der Südweststaatsfrage. In dem betreffenden Artikel 118 hieß es, es könne abweichend von der in Artikel 29 geregelten Länderneugliederung durch Vereinbarung der drei südwestdeutschen Länder zu einer Neugliederung des südwestdeutschen Gebiets kommen. Ohne eine Vereinbarung werde die Neugliederung durch ein Bundesgesetz geregelt, das eine Volksbefragung vorsehe. Als im April 1950 die Alliierten dem Artikel 118 zustimmten, war eine weitere Hürde auf dem Weg zum Südweststaat genommen.
Probeabstimmung
Die zentrale Frage blieb aber weiterhin, ob die alten Länder wiederhergestellt oder aber ein wirtschaftlich stärkerer und politisch einflussreicherer neuer Südweststaat gegründet werden sollte. Bei einem erneuten Treffen der drei Regierungschefs am 15. April 1950 machte Gebhard Müller (CDU) den Vorschlag einer Informationsabstimmung des Volkes zum Südweststaat. Die Probeabstimmung sollte keinen bindenden Charakter haben. Das Ergebnis der Befragung am 24. September 1950 entsprach den Erwartungen. Die Württemberger entschieden sich mit über 90 Prozent für den Südweststaat, die Nordbadener immerhin noch mit über 57 Prozent, während die Südbadener den neuen Staat mit knapp 60 Prozent ablehnten. Im gesamten alten Baden hatte die Bevölkerung den Südweststaat mit einer knappen Mehrheit abgelehnt.
Bundespolitischer Spielball
Die Regierungschefs konnten sich nicht über den Abstimmungsmodus einigen. Sollte die Abstimmung nach neuen Ländern (Baden, Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern), nach Landesteilen (Nord- und Südbaden, Nord- und Südwürttemberg) oder nach alten Ländern (Baden, Württemberg) durchgeführt werden? Da keine Einigung in Sicht war, musste der Bund wie in Artikel 118 vorgeschrieben durch ein Bundesgesetz die Initiative ergreifen. Allerdings war der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer gegen einen Südweststaat. Die Ablehnung hatte einen einfachen machtpolitischen Grund: Adenauer fürchtete um die Mehrheit der Bundesregierung im Bundesrat.
Den Durchbruch für den Südweststaat brachte schließlich ein Gesetzentwurf zur Neugliederung der Südweststaaten von 13 CDU-Abgeordneten aus Württemberg unter der Führung von Kurt Georg Kiesinger. Sie schlugen eine Festlegung von vier Abstimmungsbezirken vor. Die Stimmbezirke gliederten sich in Nordbaden, Südbaden, Nordwürttemberg und Südwürttemberg-Hohenzollern. Demnach war der Südweststaat dann zu bilden, wenn die Abstimmung im gesamten Abstimmungsgebiet und in mindestens drei Abstimmungsbezirken eine Mehrheit für die Vereinigung ergab. Mit großer Mehrheit stimmte der Bundestag dem Gesetz am 25. April 1951 zu.
Seit längerem schon waren die Gegensätze heftig und teilweise polemisch aufeinander geprallt. Es gab rationale Argumente für den Südweststaat: mit der Vereinigung würde der deutsche Südwesten als Wirtschaftsraum gestärkt, die Verwaltungsstrukturen vereinfacht und der Einfluss des Südwestens auf bundespolitischer Ebene erheblich gestärkt. Die Befürworter führten die bereits bestehenden wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Verbindungen der Landesteile ins Feld. Auf der anderen Seite argumentierten vor allem die Südbadener emotional mit Heimattreue, badischen Traditionen und mit der Angst vor vermeintlicher schwäbischer Dominanz. Zwischen den Altbadenern und den Südweststaatsanhängern entbrannte ein Kampf um jede Stimme.
Volksabstimmung und Entscheidung
Nach einem heftigen Abstimmungskampf, in dem es an kräftigen Worten nicht fehlte, fiel am 9. Dezember 1951 schließlich die Entscheidung. Insgesamt nahmen mehr als 60 Prozent der Bevölkerung an der Volksbefragung teil, wovon sich knapp 70 Prozent für einen einzigen Südweststaat aussprachen. In den drei Abstimmungsbezirken Nord- und Südwürttemberg sowie Nordbaden votierte die Mehrheit der Bevölkerung für den Südweststaat. In Württemberg waren es über 92 Prozent, die zustimmten, in Nordbaden immerhin noch 57 Prozent. In Südbaden sprachen sich dagegen nach wie vor über 62 Prozent der Abstimmungsberechtigten für die Wiederherstellung des alten Landes Baden aus.
Das neue Bundesland Baden-Württemberg
Die Verfassungsgebende Versammlung des neuen Landes Baden-Württemberg wurde am 9. März 1952 gewählt. Mit 50 Mandaten war die CDU die stärkste Partei, gefolgt von der SPD mit 38, der Demokratischen Volkspartei (DVP/FDP) mit 23, dem Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) (später: Gesamtdeutsche Partei) mit sechs und den Kommunisten mit vier Abgeordneten. In den Mittelpunkt rückte nun die Frage, wer Ministerpräsident des neuen Landes werden solle. Eine große Koalition von CDU, SPD und FDP erschien als die zweckmäßigste und psychologisch klügste Lösung.
Am 25. April 1952 siegte in der Abstimmung allerdings der DVP-Politiker Reinhold Maier mit 64 zu 50 Stimmen gegen Gebhard Müller. Zur großen Überraschung und in einer der turbulentesten Szenen, die das Parlament erlebte, gab Reinhold Maier unmittelbar nach der Wahl die Vereinigung der drei bisherigen Länder zu einem neuen Bundesland bekannt. Mit Blick auf seine Taschenuhr sagte er: „Meine sehr verehrten Abgeordneten! Gemäß Paragraph 14 Absatz 4 wird hiermit der Zeitpunkt der Bildung der vorläufigen Regierung auf den gegenwärtigen Augenblick, nämlich auf Freitag 25. April 1952, 12 Uhr und 30 Minuten, festgestellt. Mit dieser Erklärung sind […] die Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern zu einem Bundesland vereinigt. […] Gott schütze das neue Bundesland.“
Die Mitglieder der Verfassungsgebenden Landesversammlung fanden jedoch rasch zu sachlicher und konstruktiver Arbeit zusammen. Am 15. Mai 1952 wurde das Gesetz über die vorläufige Ausübung der Staatsgewalt im südwestdeutschen Bundesland, das sogenannte „Überleitungsgesetz“, verabschiedet. Es gab dem neuen Land den zunächst vorläufigen Namen Baden-Württemberg und hob die Landtage und Regierungen der Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern auf.
Im Oktober 1953, nach der Bundestagswahl und Querelen der Koalitionäre im Bund, räumte Reinhold Maier seinen Amtssessel in der Villa Reitzenstein. Gebhard Müller bildete nun eine zweite vorläufige Regierung unter Einschluss aller vier demokratischen Parteien zur Schöpfung der Verfassung und zum Aufbau und zur Integration des Landes. Am 11. November 1953 verabschiedete die Landesversammlung die Verfassung mit 70 zu 39 Stimmen. Sie trat am 19. November 1953 in Kraft. Mit der Verfassung hieß das neue Bundesland nun auch offiziell Baden-Württemberg.
Spuren der Nachkriegsländer
Die Altbadener, die sich zum Heimatbund Badenerland zusammenschlossen, führten auch nach der Gründung des Landes Baden-Württemberg ihren Kampf um die Wiederherstellung des früheren Landes Baden fort. Sie zogen bis vor das Bundesverfassungsgericht. Es gestand ihnen 1956 zu, dass die badische Bevölkerung in einer nochmaligen Volksabstimmung über den Verbleib ihrer Heimat im Land Baden-Württemberg entscheiden dürfe. Erst am 7. Juni 1970 kam es zu dieser erneuten Volksabstimmung. Das Ergebnis war ein eindrucksvolles Bekenntnis der badischen Bevölkerung für das Land Baden-Württemberg. Bei einer Beteiligung von mehr als 62 Prozent stimmten knapp 82 Prozent für den Verbleib beim Land Baden-Württemberg.
Eine der deutlichsten Spuren der einstigen Teilung waren die zwei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Baden-Württemberg. Baden-Württemberg war damit das einzige Bundesland mit zwei Landesrundfunkanstalten: der Südwestfunk (SWF), der auch in Rheinland-Pfalz sendete, und der Süddeutsche Rundfunk (SDR). Erst 1998 fusionierten die beiden Sender nach mehreren gescheiterten Anläufen zum Südwestrundfunk (SWR). Heute erinnern vor allem noch die Aufteilung der vier Regierungsbezirke an die kurzlebigen Nachkriegsländer beziehungsweise Abstimmungsbezirke. Bedeutende kulturelle Einrichtungen existieren noch heute doppelt. So gibt es in Karlsruhe und Stuttgart je ein Staatstheater, eine Staatsgalerie, ein Landesmuseum und eine Landesbibliothek.