Die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung 2016 zeigt stagnierende Lesekompetenzen bei Grundschülern in Deutschland. Erneut werde mit dieser großen internationalen Studie Handlungsbedarf in der Lese- und Sprachförderung deutlich, so Kultusministerin Susanne Eisenmann.
Die in Berlin vorgestellte Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung 2016 PIRLS/IGLU (Progress in International Reading Literacy Study) zeigt, dass die Grundschulen in ganz Deutschland Nachholbedarf im Kompetenzbereich Lesen haben. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht das Leseverständnis von Schülerinnen und Schülern am Ende der vierten Jahrgangsstufe. „Erneut wird mit dieser großen internationalen Studie Handlungsbedarf in der Lese- und Sprachförderung deutlich“, sagt Kultusministerin Susanne Eisenmann. PIRLS/IGLU analysiert seit 2001 alle fünf Jahre das Leseverständnis von Grundschülern im internationalen Vergleich.
Deutschland stagniert im Lesen seit der ersten IGLU-Studie 2001
Die aktuelle Studie IGLU 2016 zeigt auf, dass sich Deutschland seit der ersten internationalen Untersuchung 2001 nicht verbessern konnte, sondern in seinen Leistungen stagniert. An der Studie haben 50 Länder teilgenommen, darunter 24 EU-Staaten.
Leseförderung in Baden-Württemberg
„Lesen ist eine elementare Kulturtechnik, der wir in allen Schularten und von Anfang an besondere Aufmerksamkeit widmen müssen“, unterstreicht die Kultusministerin. In allen Bildungsplänen spielt die Leseförderung eine herausgehobene Rolle. Im Deutschunterricht ergänzen Autorenlesungen und Schreibwerkstätten die Leseförderung. Hinzu kommen landesweite Leseoffensiven und Lesewettbewerbe sowie Projekte wie beispielsweise der „Frederick-Tag“. Dieses landesweite und zentrale Lese- und Literaturfest besteht seit 1997 und wird jedes Jahr in Schulen, Volkshochschulen, Bibliotheken, Buchhandlungen sowie anderen Bildungsträgern und Einrichtungen gefeiert. Auch im Rahmen der Bund-Länder-Initiative „Bildung durch Sprache und Schrift“ (BiSS) ermuntern Bibliotheken bundesweit Schülerinnen und Schüler zum Lesen während der Sommerferien.
„All diese Maßnahmen reichen aber offensichtlich noch nicht aus“, so Eisenmann, „wir brauchen eine grundständig angelegte Qualitätsverbesserung, um den Schülerinnen und Schülern in den Grundschulen des Landes zu besseren Leseleistungen zu verhelfen“. Sprach- und Lesekompetenzen seien zwei Seiten derselben Medaille. Und bereits die Ergebnisse von VERA 3 sowie des IQB-Bildungstrends 2016 zeigten, dass eine frühe Konzentration auf die Kernkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen unabdingbar ist.
Auch der außerschulische Bereich sei gefragt – denn Leseförderung könne sich nicht alleine auf die Schule beschränken. „Die Vorbildfunktion von uns Erwachsenen ist hier ganz entscheidend. Wir können nicht von unseren Kindern verlangen, mehr zu lesen, wenn wir Erwachsene selbst nur auf dem Smartphone herumspielen. Hier ist die Gesellschaft insgesamt gefragt. Die Erfahrung, dass regelmäßiges Vorlesen die Lesefähigkeit von Kindern erhöht, können Eltern ganz alltäglich machen“, betont Eisenmann.
Mehr Lernzeit für die Grundschulen in Deutsch und Mathematik
Ein wichtiger Schritt, um Schülerinnen und Schüler in der Grundschule künftig frühzeitig und gezielt in Deutsch und Mathematik fördern zu können, sind zusätzliche Förderstunden für die Grundschule. Mit dem späteren Beginn des Fremdsprachenunterrichts erst ab Klasse 3 erhalten die Schulen im Gegenzug sogenannte Poolstunden, die sie für die individuelle Förderung in Deutsch und Mathematik einsetzen sollen. Außerdem werde die Stundentafel in den Grundschulen in Deutsch und Mathematik bis zum Schuljahr 2018/2019 um vier Stunden erhöht.
Auf die vorschulischen Angebote kommt es an – wo nötig auch verbindlich
„Um die Sprach- und Lesekompetenz in der Grundschule zu verbessern, müssen wir viel früher ansetzen, nämlich bereits in den Kitas. Deshalb wollen wir mit dem Pakt für gute Bildung und Betreuung die frühkindliche Bildung gezielt qualitativ stärken. Eine zentrale Säule sind dabei gezielte Angebote für Kinder mit Sprachförderbedarf. Wo Defizite festgestellt werden, denken wir über eine Teilnahmepflicht nach. Hamburg macht uns vor, dass dies der richtige Ansatz ist. Verlässliche Sprachkenntnisse sind ganz entscheidend für den späteren Bildungserfolg der Schüler in allen Fächern. Deshalb sind eine fundierte Eingangsuntersuchung und daran anschließende verbindliche Maßnahmen zwingend notwendig“, so Kultusministerin Eisenmann.
Orientierungsplan ist tragfähige Grundlage
Grundlage für die frühkindliche Sprachförderung ist der baden-württembergische Orientierungsplan für Kindertageseinrichtungen. Die Sprachkompetenz aller Kinder wird durch eine alltagsintegrierte, ganzheitlich ausgerichtete Sprachbildung während der gesamten Kindergartenzeit gefördert. Bei den Überlegungen zur Weiterentwicklung der frühkindlichen Bildung werde momentan auch geprüft, inwieweit der Orientierungsplan an die heutigen und künftigen Herausforderungen angepasst werden müsse, so Eisenmann. Haben Kinder über die alltagsintegrierte Sprachförderung hinaus einen zusätzlichen Förderbedarf, werden sie über die gesamte Kindergartenzeit zusätzlich gefördert. Das Landesprogramm SPATZ (Sprachförderung für alle Tageseinrichtungen für Kinder mit Zusatzbedarf) ermöglicht den Kindertagesstätten, dafür qualifizierte Fachkräfte als Ergänzung zum bestehenden Personal einzustellen.