Um mehr Jugendliche erfolgreich in eine Berufsausbildung zu bringen, haben das Land und die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit ein neues Landeskonzept zur Beruflichen Orientierung verabschiedet. Damit werden die bestehenden Angebote besser aufeinander abgestimmt und die Berufliche Orientierung noch verbindlicher in den Unterricht integriert.
Wirtschafts- und Arbeitsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut und die Partner des „Ausbildungsbündnisses Baden-Württemberg“ haben in einem Spitzengespräch Bilanz zum Ausbildungsjahr 2017/2018 gezogen, aktuelle Herausforderungen auf dem Ausbildungsmarkt diskutiert sowie ein neues Landeskonzept zur Beruflichen Orientierung verabschiedet.
„Mit einem leichten Anstieg bei den neuen Ausbildungsverträgen konnten wir dem Gegenwind aus demografischem Wandel und Trend zum Studium trotzen“, sagte Hoffmeister-Kraut. „Besonders erfreulich ist, dass deutlich mehr Geflüchtete eine Berufsausbildung begonnen haben – knapp 2.400 neue Ausbildungsverträge mit Geflüchteten sind ein großer Fortschritt und wertvoll für die Integration und den Fachkräftenachwuchs in Baden-Württemberg.“ Die Arbeits- und Wirtschaftsministerin erklärte weiter, dass die Auszubildenden aus den Hauptasylherkunftsländern verstärkt Berufe wie Bäcker/in oder Maurer/in wählten, in denen die baden-württembergischen Betriebe großen Fachkräftebedarf hätten.
Neues Landeskonzept für allgemein bildende Schulen
Im Fokus des Spitzengesprächs stand außerdem die Frage, wie mehr Jugendliche direkt von der allgemein bildenden Schule in die Ausbildung übergehen können. „Unsere Wirtschaft braucht dringend Fachkräftenachwuchs. Nur mit einer fundierten Beruflichen Orientierung wird es uns gelingen, mehr Schülerinnen und Schüler erfolgreich in eine Berufsausbildung zu bringen. Eine betriebliche Ausbildung bietet sehr gute Entwicklungs- und Einkommenschancen und unser Berufsspektrum ist außerordentlich groß und vielfältig. Das müssen die Jugendlichen schon in den Schulen erfahren und erleben“, so Hoffmeister-Kraut.
Das Land und die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit haben deshalb beim Spitzengespräch ein neues Landeskonzept zur Beruflichen Orientierung vorgestellt und unterzeichnet. „Nur wer Vorstellungen von der Berufswelt und seinen eigenen Fähigkeiten hat, kann die richtige Wahl des Berufswegs treffen. Deshalb ist es mir wichtig, die Berufliche Orientierung als zentrales Thema noch stärker im Schulleben zu verankern. Elemente wie der neu eingeführte Tag der Beruflichen Orientierung sorgen dabei für mehr Verbindlichkeit“, sagte Kultusministerin Susanne Eisenmann. Mit dem neuen Landeskonzept werden die bestehenden Angebote besser aufeinander abgestimmt und die Berufliche Orientierung werde noch verbindlicher in den Unterricht integriert, so die Ministerin weiter.
Die Partner des Ausbildungsbündnisses haben vereinbart, in Form eines Landeskonzeptes die Berufliche Orientierung an allen allgemein bildenden Schulen weiterzuentwickeln. Ein systematisches Angebot zur Beruflichen Orientierung soll erreicht werden, indem in jeder Schule Tandems aus Lehrkräften und Berufsberatung gebildet werden, die ein passgenaues Konzept erarbeiten und verbindlich umsetzen. So sollen jungen Menschen erkennen, dass berufliche und akademische Bildung gleichwertige Möglichkeiten sind, die eigene Berufsbiografie zu gestalten. Dabei ist das Ziel, dass die Jugendlichen möglichst frühzeitig für sich erkennen, was sie wollen und können. Sie sollen in die Lage versetzt werden herauszufiltern, welche beruflichen Karrierewege für sie in Betracht kommen und wie die weiteren Schritte für sie aussehen.
In zwölf Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs ist erstmalig exemplarisch untersucht worden, wo die Schulabgängerinnen und -abgänger der Haupt-, Werkreal- und Realschulen nach der Schule verbleiben. Das Ergebnis zum Schuljahresende 2016/2017: 28 Prozent der Schulabgängerinnen und -abgänger gehen direkt in eine Berufsausbildung über. Die Bündnispartner zielen auf eine höhere Quote für den direkten Übergang von der Schule in Ausbildung ab. Hierbei kommt der Umsetzung des neuen Landeskonzeptes und den Maßnahmen der einzelnen Bündnispartner eine wichtige Rolle zu.
Stabiler Ausbildungsmarkt
Im Jahr 2017 nahm die Zahl der neuen Ausbildungsverträge leicht zu: 74.655 neue Ausbildungsverträge zum 30. September bedeuten ein Plus von 0,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr (73.989).
Der Ausbildungsmarkt ist weiterhin geprägt durch eine einerseits hohe Zahl von bei den Agenturen und Jobcentern gemeldeten Bewerberinnen und Bewerbern, die nicht den gewünschten Ausbildungsplatz gefunden haben. 8.577 Bewerberinnen und Bewerber sind alternativ Verbliebene, die eigentlich eine Berufsausbildung anstreben, jedoch meist in schulische Bildungsgänge eingemündet sind (+ 0,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Ohne Ausbildungsplatz oder Alternative sind 978 unversorgte Bewerberinnen und Bewerber (- 2,8 Prozent). Demgegenüber steht andererseits mit 7.659 eine steigende Zahl von gemeldeten unbesetzten Ausbildungsstellen (+ 6,8 Prozent). Aus der Summe der neuen Ausbildungsverträge und der nicht in Ausbildung eingemündeten Jugendlichen ergibt sich mit 107.434 Jugendlichen ein weiterhin großes Interesse an dualer Ausbildung.
Mehr Geflüchtete erfolgreich in Ausbildung integriert
2.387 Auszubildende, die aus den acht Hauptasylherkunftsländern plus Gambia stammen, haben im Ausbildungsjahr 2017 einen neuen Ausbildungsvertrag unterzeichnet (Stichtag 31. Dezember 2017, Vorjahr: 868). Damit stellen die Auszubildenden aus den genannten Staaten über drei Prozent aller Neuverträge dar und bilden ein wertvolles Potenzial für den Fachkräftenachwuchs. Sie verteilen sich auf 128 Ausbildungsberufe. Am häufigsten gewählte Berufe sind insbesondere solche, in denen die Betriebe großen Nachwuchsbedarf haben, unter anderem Bäcker/in, Koch/Köchin, Maler/in, Lackierer/in, Maurer/in, Anlagenmechaniker/in Sanitär, Heizungs- und Klimatechnik und Fachlagerist/in.
Stimmen der Partner aus dem Ausbildungsbündnis
Christan Rauch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit
„Nach wie vor stellt sich der baden-württembergische Ausbildungsmarkt als ein Bewerbermarkt dar. Unternehmen und Betrieben rate ich deshalb, sich auch solche Bewerberkreise zu erschließen, die bisher nicht so im Fokus standen. Deshalb gilt es, unsere Aufmerksamkeit auch auf diejenigen zu lenken, die aktuell noch im weiterführenden beruflichen Vollzeitschulsystem zu finden sind. Hier liegen noch ungenutzte Potenziale. Diese müssen wir besser und früher nutzen, um einen direkten Übergang von der Schule in den Beruf zu ermöglichen. Ein formal höherer Schulabschluss allein verbessert nicht automatisch die Chancen am Arbeitsmarkt.“
Rainer Reichhold, Präsident Baden-Württembergischer Handwerkstag e. V.
„Für die Fachkräfte von morgen ist die Wirtschaft mehr denn je auf die Auszubildenden von heute angewiesen. Es gilt daher alle Anstrengungen zu unternehmen, um potentielle Auszubildende und Betriebe zusammen zu bringen, mehr Jugendliche für eine duale Ausbildung zu gewinnen und die direkten Übergänge in eine duale Ausbildung zu stärken. Ein wesentlicher Beitrag kommt dabei der Beruflichen Orientierung zu und damit auch dem neuen Fach ,Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung‘. Dieses gilt es weiter mit Leben zu füllen. Die Wirtschaft in Baden-Württemberg unterstützt dabei die Schulen vor Ort bei der Beruflichen Orientierung. Sie ist aber auch Partner für das Land, wenn es um die Verankerung von Beruflicher Orientierung in Lehre, Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften geht. Hierfür steht die Wirtschaft mit ihren Fortbildungsangeboten für Lehrkräfte zur Verfügung. Denn eine gelingende Berufliche Orientierung ist die Basis für die Sicherung des Fachkräftenachwuchses von morgen.“
Gabriele Frenzer-Wolf, stellvertretende DGB-Landesvorsitzende
„In Baden-Württemberg fehlten 2017 fast 6.000 abgeschlossene Ausbildungsverträge. Der Ausbildungsmarkt stagniert trotz guter Wirtschaftslage. Der DGB hat das Ziel formuliert, dass 75 Prozent der ausbildungsinteressierten Jugendlichen eines Jahrgangs mit einem Ausbildungsplatz versorgt werden sollen. Von diesem Ziel sind wir noch ein ganzes Stück entfernt. Die sogenannte Einmündungsquote lag im vergangenen Jahr lediglich bei 69,5 Prozent (2016: 69,7 Prozent).
Die Bedeutung der beruflichen Orientierung haben die Partner im Bündnis bereits 2013 bei ihren Vorschlägen zur Neuordnung des Übergangs von der Schule in den Beruf erkannt. Es ist gut, dass nun endlich ein Landeskonzept vorliegt. Es stärkt die Rolle der Gewerkschaften als außerschulischer Partner bei der Berufsorientierung. Entsprechende Angebote von DGB und Gewerkschaften stehen für Lehrkräfte und Schulen bereit. Auch begrüßen wir ausdrücklich die Einbeziehung der betrieblichen Mitbestimmungsorgane bei Schülerpraktika. Für die erfolgreiche Integration von Geflüchteten in Ausbildung müssen alle Partner weitere Anstrengungen unternehmen. Dazu gehört neben einer intensiven Sprachförderung während der Ausbildung mit Freistellungen durch die Betriebe auch ein intensives Monitoring des Ausbildungsverlaufs.“
Bündnisbilanz Ausbildung (PDF)