In einem Diskussionspapier fordert Umweltminister Franz Untersteller neue Instrumente am Strommarkt, um dem Klimaschutz mehr Dynamik zu verleihen. Er fordert die EEG-Umlage abzuschaffen und die Stromsteuer zu reduzieren. Im Gegenzug soll sich der Preis mehr an den CO2-Emissionen orientieren.
Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller will den Strompreis in Deutschland deutlich senken und stattdessen CO2-intensive Energieträger teurer machen. „Damit bekommen wir eine neue Dynamik im Klimaschutz und bei der Energiewende“, sagte der Umweltminister.
Nachdem die Kohlekommission vergangene Woche einen Fahrplan für den Ausstieg aus der Kohleverstromung vorgelegt hat, sei es Zeit, sich auch um Benzin, Diesel und Heizöl zu kümmern, begründete Untersteller seinen Vorstoß.
„Für eine wirksame Klimaschutzpolitik müssen die Emissionen aus den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr gemeinsam betrachtet werden. Diese so genannte Sektorkopplung funktioniert bislang nicht. Sauberer Strom ist im Vergleich immer noch zu teuer, und das müssen wir ändern.“
Die Idee: Strom günstiger machen durch die Abschaffung der EEG-Umlage sowie die Reduzierung der Stromsteuer; und im Gegenzug CO2 einen Preis geben, der seine negativen Umweltwirkungen abbildet.
Strompreis könnte um 10 Cent pro Kilowattstunde sinken
„Wenn wir das umsetzen, wird der Strom für Haushaltskundinnen und -kunden schlagartig um gut 10 Cent pro Kilowattstunde billiger, also um rund ein Drittel. Das kann sowohl die E-Mobilität als auch zum Beispiel die Anschaffung von Wärmepumpen befördern. Mit der Abschaffung der EEG-Umlage können wir die Energiewelt zudem drastisch vereinfachen, das ist praktizierter Bürokratieabbau.“, sagte Untersteller.
Selbstverständlich werde in der Diskussion um diesen Vorschlag zu prüfen sein, welche sozial- und steuerpolitischen Instrumente nötig und geeignet sind, um unzumutbare Mehrbelastungen insbesondere für einkommensschwache Haushalte zu verhindern, betonte der Minister. Dass es grundsätzlich möglich sei, CO2 zu bepreisen, machten andere europäische Länder aber längst vor: Schweden oder die Schweiz.
Diskussionspapier
Energiewende reloaded: Strompreise senken, CO2 einen Preis geben.
Die Kommission für Wachstum Strukturwandel und Beschäftigung – auch als Kohlekommission bekannt – hat Ende vergangener Woche einen Fahrplan für den Ausstieg aus der Kohleverstromung vorgelegt. Damit ist der Weg zu einer insgesamt saubereren Energiewirtschaft skizziert.
Wir dürfen uns damit aber nicht zufriedengeben. Für eine wirksame Klimaschutzpolitik müssen die Emissionen aus den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr gemeinsam betrachtet werden. Diese sogenannte Sektorkopplung funktioniert bislang nicht. Offensichtlich sind die auf europäischer Ebene geschaffenen Anreiz-Instrumente, das Emissionshandels-System und das europäische Prinzip der nationalen Lastenteilung beim Klimaschutz (effort sharing) nicht wirkungsvoll genug.
Es gelingt uns nicht, sauberen Strom in Anwendungen zu bringen, die bisher von fossilen Energieträgern dominiert werden. Die Betrachtung der Preisbestandteile von Strom auf der einen Seite und Benzin, Diesel und Heizöl auf der anderen Seite macht deutlich, woran das liegt: Der saubere Strom ist im Vergleich immer noch zu teuer, um in Verkehrs- und Wärmeanwendungen drängen zu können.
Wenn wir das nicht ändern, bleiben unsere CO2-Emissionen zu hoch und die Klimaschutzziele unerreichbar. Wer eine Lenkung will, muss auch lenken wollen: Schmutzige Energie finanziert die saubere Es liegt deshalb auf der Hand, dass CO2-arme Energieträger billiger, CO2-intensive teurer werden müssen. Dann entsteht ein marktwirtschaftlicher Anreiz, damit erneuerbarer Strom fossile Energie ersetzen kann. Das heißt, CO2 muss endlich einen Preis bekommen, der seine negativen Umweltwirkungen abbildet.
Die Mehreinnahmen durch einen CO2-Preis geben wir an die Bürgerinnen und Bürger zurück: Wir schaffen die EEG-Umlage ab und reduzieren die Stromsteuer auf das europarechtliche Minimum. Mit dieser Umlenkung machen wir CO2-arm erzeugten Strom gegenüber fossilen Kraftstoffen konkurrenzfähig und verleihen zugleich dem Ausbau der Erneuerbaren durch eine drastische Systemvereinfachung neuen Schwung. Die Energiewende erhält eine neue Dynamik. Selbstverständlich wird dabei, insbesondere für einkommensschwächere Haushalte zu prüfen sein, welche sozial- und steuerpolitischen Instrumente nötig und geeignet sind, um unzumutbare Mehrbelastungen zu verhindern. Stichwort „Energiegeld“.
Wir senken den Strompreis um gut 30 Prozent
Wenn unser Vorschlag umgesetzt wird, reduziert sich der Strompreis für Haushaltskundinnen und -kunden um etwa 6,41 Cent pro Kilowattstunde für die EEG-Umlage und 2,05 Cent pro Kilowattstunde für die Stromsteuer. Die Mehrwertsteuer eingerechnet, sind das 10,1 Cent weniger pro Kilowattstunde.
Damit wird Strom schlagartig um etwa ein Drittel günstiger, was der Elektromobilität oder dem Einsatz von Wärmepumpen den nötigen neuen Schwung gibt.
Ein energiewirtschaftlicher Befreiungsschlag
Mit diesen Maßnahmen leisten wir einen deutlichen Beitrag zum Bürokratieabbau, die Schere zwischen privilegierten und nicht - privilegierten Unternehmen wird geschlossen, die Akzeptanz der Energiewende steigt (Strom wird für alle billiger). Und Windräder und Photovoltaik-Anlagen können auch nach über 20 Jahren Laufzeit mit einer attraktiven wirtschaftlichen Perspektive weiterbetrieben werden (Wegfall der belastenden EEG-Umlage).
Eine neue, dringend notwendige Dynamik beim Ausbau der Erneuerbaren setzt ein – wir kommen dem Ziel „100 Prozent Erneuerbare“ näher.
Kein Haushalt darf abgehängt werden
Wir sind uns darüber im Klaren, dass diese Strompreissenkung Gewinner- und Verliererhaushalte hervorbringen kann, obwohl der Ansatz aufkommensneutral ist und sich die zu erwartenden Preiserhöhungen bei Kraftstoffen oder Brennstoffen im Rahmen der bisherigen Marktschwankungen bewegen werden. Deshalb müssen wir über zusätzliche sozial- und steuerpolitische Instrumente nachdenken. Kompensationsmaßnahmen könnten ebenfalls für Unternehmen erforderlich sein, die mit aktuell verfügbarer Technik zu keiner nennenswerten CO2-Einsparung zum Beispiel bei der Erzeugung von Prozesswärme kommen und im starken internationalen Wettbewerb stehen.
Andere Länder sind den Schritt einer CO2-Bepreisung schon gegangen. In der Schweiz beträgt der CO2-Preis umgerechnet 85 Euro pro Tonne, in Schweden zahlen Haushalte und der Dienstleistungssektor 125 Euro. Seien wir ebenso mutig: Wir wollen weniger CO2 in der Atmosphäre, also müssen wir den Emissionen einen Preis geben.
Wir wollen den Ausbau der Erneuerbaren vereinfachen und damit forcieren, also müssen wir alte Zöpfe abschneiden und Bürokratie abbauen. Schnell, präzise, mit Blick darauf, die Gesellschaft mitzunehmen. Es ist Zeit zu handeln.