Speerwurf-Weltmeisterin Christina Obergföll ist Baden-Württembergs neue Botschafterin für Alphabetisierung und Grundbildung. Sie kann Betroffenen Mut machen, den Schritt zu gehen und lesen und schreiben zu lernen.
Christina Obergföll, Speerwurf-Weltmeisterin von 2013 und Trägerin des Verdienstordens des Landes, ist Baden-Württembergs neue Botschafterin für Alphabetisierung und Grundbildung. Kultusministerin Theresa Schopper hat die populäre Sportlerin aus Hohberg im Ortenaukreis heute der Öffentlichkeit vorgestellt: „Ich freue mich sehr, dass wir mit Christina Obergföll eine so erfolgreiche Sportlerin für die Aufgabe als Botschafterin für Alphabetisierung und Grundbildung gewinnen konnten. Sie kann Betroffenen Mut machen, den Schritt zu gehen und lesen und schreiben zu lernen. Als Sportlerin steht sie auch als Vorbild dafür, dass sich Zähigkeit und Fleiß auszahlen und zum Erfolg führen.“
Das Kultusministerium will mit der Ernennung von Christina Obergföll der Alphabetisierung und Grundbildung im Land ein Gesicht geben. Die Weltmeisterin war schnell dazu bereit, die Aufgabe zu übernehmen. „Für mich ist es unvorstellbar, in einer solchen Situation zu stecken und das Schreiben und Lesen nicht ausreichend zu beherrschen. Gerne möchte ich den Menschen Mut zusprechen, nicht aufzugeben und an ihren Schwächen zu arbeiten. Am Ende zahlt sich das Durchhaltevermögen aus und man erntet die Früchte des Erfolgs“, sagt die Speerwurf-Weltmeisterin. Sie ergänzt: „Es freut mich, wenn ich mit meiner Bekanntheit dazu beitragen kann, das Thema noch stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung zu bringen. Schließlich bekommen die rund 750.000 Betroffenen im Land neue Möglichkeiten und Chancen, wenn sie ihre Fähigkeiten durch die Teilnahme an einem Kurs verbessern.“
Förderung für acht neue Grundbildungszentren
Die neue Botschafterin wird Menschen auch in den sozialen Medien, etwa mit Videoaufnahmen, Mut machen und sich für die Alphabetisierung und Grundbildung einsetzen. Darüber hinaus wird sie unter anderem die Grundbildungszentren (GBZ) im Land besuchen und vor Ort für deren Angebote werben. „Christina Obergföll ist für uns ein Glücksfall, um die Bedeutung der Grundbildungszentren sichtbar zu machen. Sie ist nicht nur eine herausragende Sportlerin, sondern auch sozial sehr engagiert und setzt sich beispielsweise für krebskranke Kinder ein“, sagt die Ministerin.
Bis 2024 fördert das Land in einer ersten Phase acht neue Grundbildungszentren über Mittel des Europäischen Sozialfonds (ESF) in Höhe von zunächst rund zwei Millionen Euro sowie mit 600.000 Euro an Landesmitteln. Insgesamt stehen bis 2027 für die ESF-Förderung der Alphabetisierung und Grundbildung 4,5 Millionen Euro zur Verfügung. Das neue Landesprogramm im Rahmen der ESF-Förderung von 2022 bis 2024 umfasst acht GBZ: Mannheim (Abendakademie), Rastatt (Effektiv-Bildung I.S. GmbH), Offenburg (VHS), Freiburg (VHS), Stuttgart (VHS), Ulm (Institut fakt.ori), Freudenstadt (VHS) und Schwäbisch Gmünd (VHS). Die Grundbildungszentren in Stuttgart, Rastatt und Schwäbisch Gmünd sind neu dabei.
Die Grundbildungszentren haben vor Ort zum einen die Aufgabe, Betroffene mit Lernangeboten besonders niederschwellig anzusprechen und sie in Kursen weiterzubilden. Zum anderen errichten sie Netzwerke und Kooperationen mit Einrichtungen, die direkten Zugang zu Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten haben. Angesprochen werden dabei im Sinne von aufsuchender Bildungsarbeit sowohl Stadtbibliotheken, Arbeitsagenturen und Jobcenter wie auch Unternehmen, Tafelläden und andere Orte, an denen Menschen mit Grundbildungsbedarf geholfen werden kann.
Weiterbildungsstrategie: Schwerpunkt auf digitaler Grundbildung
Ein Schwerpunkt des Landesprogramms ist zudem die digitale Grundbildung. Bis 2024 steht dafür eine Million Euro im Rahmen der ressortübergreifenden Weiterbildungsinitiative WEITER.mit.BILDUNG@BW bereit, um die Arbeit der Grundbildungszentren im digitalen Bereich umfassend zu fördern. Prof. Dr. Josef Schrader, Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE), betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung, richtig schreiben und lesen zu können: „Es wird immer wichtiger, schriftlich zu kommunizieren und Texte auch digital zu verstehen. Die Transformation zum Digitalen führt im Privat- und Berufsleben dazu, dass die Bedeutung, das Schreiben und Lesen zu beherrschen noch einmal erheblich zunimmt. Und ohne eine digitale Grundbildung geht es künftig kaum mehr.“
Dabei werden hybride Lehr- und Lernprogramme für den Unterricht entwickelt und umgesetzt. „Eine ausreichende Alphabetisierung und Grundbildung ist eine Grundlage dafür, dass Beschäftigte neue berufliche Chancen für sich aufbauen können. Und für unsere Wirtschaft ist das eine Möglichkeit, den vorhandenen Pool an heimischen Erwerbstätigen erweitern zu können“, betont Schrader. Er fügt hinzu: „Zwingende Grundlage ist allerdings, dass die digitalen Grundlagen didaktisch fundiert vermittelt werden.“ Deshalb seien auch die angebotenen Fort- und Weiterbildungen für die Kursleitungen durch die Fachstelle für Grundbildung und Alphabetisierung Baden-Württemberg und die PH Weingarten besonders wichtig. „Die digitale Grundbildung bietet gute Möglichkeiten, um die Betroffenen in den Kursen zu motivieren und individuell zu fördern. Corona hat uns hier stark vorangebracht. Jetzt müssen wir auf diesem Weg weitergehen, um die Vorteile der Digitalisierung auch für die Alphabetisierung und Grundbildung zu nutzen“, erklärt der Leiter des DIE.
Landesprogramm Alphabetisierung und Grundbildung
6,2 Millionen Erwachsene in Deutschland zählen als gering literalisierte Menschen, statistisch gesehen demnach in Baden-Württemberg rund 750.000 Personen. Sie haben erhebliche Probleme im Lesen, Schreiben, Rechnen und in der Grundbildung allgemein. Rund zwei Drittel von ihnen sind erwerbstätig, mehr als 50 Prozent haben Deutsch als Erstsprache gelernt. Die digitale Transformation der Wirtschaft stellt sie vor allem am Arbeitsplatz vor erhebliche zusätzliche Probleme.
Das Kultusministerium förderte deshalb im Landesprogramm Alphabetisierung und Grundbildung von 2019 bis 2021 Grundbildungszentren und Kurse in Baden-Württemberg, um die Menschen niederschwellig anzusprechen und vor Ort Netzwerke aufzubauen. Als Grundbildungszentren wurden dabei die folgenden Einrichtungen gefördert: Abendakademie Mannheim (VHS), Institut Fakt.ori Ulm, Internationaler Bund Lörrach, Internationaler Bund Pforzheim, VHS Freiburg, VHS Freudenstadt, VHS Heidelberg und VHS Offenburg.
Die baden-württembergische Landesregierung hat im Februar 2021 die ressortübergreifende Weiterbildungsoffensive WEITER.mit.BILDUNG@BW beschlossen. Das Kultusministerium, das Wirtschaftsministerium und das Wissenschaftsministerium werden dabei unter einem gemeinsamen Dach die berufliche, allgemeine und wissenschaftliche Weiterbildung im Land bündeln, nachhaltig stärken und zukunftssicher aufstellen. Dafür investiert das Land in den Jahren 2021 bis 2024 insgesamt 40 Millionen Euro. Eine Million Euro wird für die Grundbildung bereitgestellt.