Aufgrund eines Schadens am Abgasturbolader eines Notstromdiesels kam es im Kernkraftwerk Philipsburg zu einer Störung. Das Ereignis hat keine oder eine sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung.
Im Rahmen einer wiederkehrenden Prüfung eines Notstromdiesels in Block 2 des Kernkraftwerks Philippsburg (KKP 2) am 17. Mai 2019 kam es zu einer automatischen Schutzabschaltung aufgrund von niedrigem Kühlwasserfüllstand. Am Abgasrohr wurde eine intensive weiße Abgasfahne festgestellt. Weiter sprach ein Brandmelder im Notstromdieselgebäude an. Es wurde Feueralarm ausgelöst. Die Werkfeuerwehr stellte Flammbildung im Bereich des Abgasturboladers fest, die sie mit einem Handfeuerlöscher erfolgreich bekämpfte. Bei der Befundaufnahme wurden insbesondere Risse im Gehäuse des Abgasturboladers festgestellt sowie Wassereintrag im Bereich der Zylinder. Damit steht dieser Notstromdiesel seit dem Ereignis als einer im viersträngigen Sicherheitssystem nicht zur Verfügung. Die drei anderen Diesel stehen uneingeschränkt zur Verfügung.
Einstufung durch den Kraftwerksbetreiber: Meldekategorie N (Normalmeldung); INES: 0 (keine oder sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung).
Der betroffene Notstromdiesel wurde außer Betrieb genommen und wird ersetzt. Der Abgasturbolader befindet sich derzeit zur Ursachenklärung beim Hersteller des Notstromdiesels. Insbesondere gilt es herauszufinden, ob es sich beim festgestellten Befund um einen systematischen Fehler handelt.
Die Anlage KKP 2 befand sich zum Zeitpunkt des Ereignisses im Volllastbetrieb. Der betroffene Notstromdiesel ist Teil des vierfach redundant aufgebauten Notstromnetzes D1 und ist damit Teil des Sicherheitssystems. Es ergaben sich keine Auswirkungen auf Personen, Umwelt oder den Betrieb der Anlage.
Der Befund ist meldepflichtig, weil mit dem Schaden am Notstromdiesel eine Teileinrichtung des Sicherheitssystems nicht zur Verfügung steht. Das Ministerium hat vom Betreiber die kurzfristige Vorlage weiterer Unterlagen angefordert, um die Übertragbarkeit der Schadensursache auf die anderen Notstromdiesel vertieft zu bewerten.
Meldekategorien
Die für die kerntechnische Sicherheit bedeutsamen Ereignisse sind den atomrechtlichen Aufsichtsbehörden der Länder nach den bundeseinheitlichen Kriterien der Atomrechtlichen Sicherheitsbeauftragten- und Meldeverordnung (AtSMV) zu melden. Ziel des Meldeverfahrens ist, den Sicherheitsstand der Kernkraftwerke zu überwachen, dem Auftreten ähnlicher Fehler in anderen Kernkraftwerken vorzubeugen und die gewonnenen Erkenntnisse in sicherheitstechnische Verbesserungen einfließen zu lassen.
Die meldepflichtigen Ereignisse sind unterschiedlichen Kategorien zugeordnet (Erläuterungen zu den Meldekriterien für meldepflichtige Ereignisse):
- Kategorie S (Unverzügliche Meldung): Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde unverzüglich gemeldet werden müssen, damit sie gegebenenfalls in kürzester Frist Prüfungen einleiten oder Maßnahmen veranlassen kann. Hierunter fallen auch die Vorkommnisse, die akute sicherheitstechnische Mängel aufzeigen.
- Kategorie E (Meldung innerhalb von 24 Stunden): Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde binnen 24 Stunden gemeldet werden müssen, damit sie gegebenenfalls in kurzer Frist Prüfungen einleiten oder Maßnahmen veranlassen kann. Hierunter fallen auch die Ereignisse, deren Ursache aus Sicherheitsgründen in kurzer Frist geklärt und gegebenenfalls in angemessener Zeit behoben werden muss. In der Regel handelt es sich dabei um sicherheitstechnisch potentiell – aber nicht unmittelbar – signifikante Ereignisse.
- Kategorie N (Meldung bis zum fünften Werktag): Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde innerhalb von fünf Werktagen gemeldet werden müssen, um eventuelle sicherheitstechnische Schwachstellen frühzeitig erkennen zu können. Dies sind in der Regel Ereignisse von geringer sicherheitstechnischer Bedeutung, die über routinemäßige betriebstechnische Einzelereignisse bei vorschriftsmäßigem Anlagenzustand und -betrieb hinausgehen. Unverfügbarkeiten von Komponenten/Systemen, die durch im Betriebshandbuch spezifizierte Prozeduren temporär beabsichtigt herbeigeführt werden, sind nicht meldepflichtig, wenn dies auch in der Sicherheitsspezifikation des Betriebshandbuches entsprechend berücksichtigt ist.
Internationale Bewertungsskala INES
Aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Betreibern der Kernkraftwerke und dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit werden meldepflichtige Ereignisse in Kernkraftwerken auch nach der Bewertungsskala INES (International Nuclear and Radiological Event Scale) der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) und der Nuklearenergie-Agentur (NEA) der OECD bewertet. Sie hat eine rasche und für die Öffentlichkeit verständliche Bewertung eines Ereignisses zum Ziel.
Die Skala umfasst sieben Stufen:
- Störung
- Störfall
- ernster Störfall
- Unfall mit örtlich begrenzten Auswirkungen
- Unfall mit weitergehenden Auswirkungen
- schwerer Unfall
- katastrophaler Unfall
Meldepflichtige Ereignisse, die nach dem INES-Handbuch nicht in die Skala (1 bis 7) einzuordnen sind, werden unabhängig von der sicherheitstechnischen Bedeutung nach nationaler Beurteilung der „Stufe 0” zugeordnet.