Im Block II des Kernkraftwerks Neckarwestheim ist Kühlmittel aus Kühlwassersystem eines Notstromdieselaggregats. Die Ursache für Kleinstleckage war ein schadhafter Gummikompensator in einer Rohrleitung. Das Ereignis hat keine Auswirkungen auf Personen oder Umwelt.
Im Kernkraftwerk Neckarwestheim (GKN II) wurde am 23. Dezember 2022 bei einem Routinerundgang bemerkt, dass Kühlmittel aus dem Kühlwassersystem eines Notstromdieselaggregats ausgetreten war. Die Menge war mit weniger als
100 Millilitern so gering, dass sie durch die automatische Überwachung des Kühlwasserstands zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkennbar war.
Ursache für die Leckage war ein schadhafter Gummikompensator in einer Rohrleitung. Die Funktion des Gummikompensators besteht darin, beim Betrieb des Notstromdieselmotors Schwingungen im Übergangsbereich zu den Rohren des Kühlwassersystems abzupuffern.
Einstufung durch den Genehmigungsinhaber: Meldekategorie N (Normalmeldung); INES 0 (keine oder sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung).
Aus dem Ereignis ergaben sich keine Auswirkungen auf Personen oder die Umwelt.
Maßnahmen des Genehmigungsinhabers
Der Betreiber tauschte den schadhaften Gummikompensator aus. Nach einem erfolgreichen Testlauf zur Prüfung der Dichtheit des neuen Kompensators war das Notstromdieselaggregat im Laufe des 23. Dezembers 2022 wieder einsatzbereit. Vorsorglich führte der Betreiber an allen Notstromdieselaggregaten Sichtprüfungen der anderen Kompensatoren durch. Dabei zeigten sich keine weiteren Befunde.
Erste Untersuchungen des Betreibers deuten auf einen Materialdefekt des betroffenen Kompensators hin. Die genaue Ursache wird noch weiter untersucht.
Sicherheitstechnische Bewertung des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg
Das betroffene Notstromdieselaggregat ist eines von vier Aggregaten der so genannten Notstromerzeugungsanlage 1, welches bereitsteht, um sicherheitstechnisch wichtige Systeme und Komponenten des Kernkraftwerks mit Strom zu versorgen, wenn deren normale Stromversorgung ausfallen würde. Zum Beispiel aus der Stromproduktion des Kernkraftwerks oder aus dem externen Stromnetz. Zwei der vier Notstromdieselaggregate werden benötigt, um die sicherheitstechnisch wichtigen Funktionen in ausreichender Weise sicherzustellen; auch beim zeitgleichen Auftreten von Auslegungsstörfällen.
Es ist nicht auszuschließen, dass sich der Schaden bei Betrieb des Motors ausgeweitet und letztlich zu einem Ausfall des Notstromdieselaggregats geführt hätte. Da drei weitere, redundante Notstromdieselaggregate grundsätzlich verfügbar sind, ist die sicherheitstechnische Bedeutung dennoch sehr gering.
Meldestufen
Die für die kerntechnische Sicherheit bedeutsamen Ereignisse sind den atomrechtlichen Aufsichtsbehörden der Länder nach den bundeseinheitlichen Kriterien der Atomrechtlichen Sicherheitsbeauftragten- und Meldeverordnung – AtSMV zu melden. Ziel des Meldeverfahrens ist, den Sicherheitsstand der Kernkraftwerke zu überwachen, dem Auftreten ähnlicher Fehler in anderen Kernkraftwerken vorzubeugen und die gewonnenen Erkenntnisse in sicherheitstechnische Verbesserungen einfließen zu lassen. Die meldepflichtigen Ereignisse sind unterschiedlichen Kategorien zugeordnet (Erläuterungen zu den Meldekriterien für meldepflichtige Ereignisse):
- Kategorie S (Unverzügliche Meldung): Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde unverzüglich gemeldet werden müssen, damit sie gegebenenfalls in kürzester Frist Prüfungen einleiten oder Maßnahmen veranlassen kann. Hierunter fallen auch die Vorkommnisse, die akute sicherheitstechnische Mängel aufzeigen.
- Kategorie E (Meldung innerhalb von 24 Stunden): Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde binnen 24 Stunden gemeldet werden müssen, damit sie gegebenenfalls in kurzer Frist Prüfungen einleiten oder Maßnahmen veranlassen kann. Hierunter fallen auch die Ereignisse, deren Ursache aus Sicherheitsgründen in kurzer Frist geklärt und gegebenenfalls in angemessener Zeit behoben werden muss. In der Regel handelt es sich dabei um sicherheitstechnisch potentiell – aber nicht unmittelbar – signifikante Ereignisse.
- Kategorie N (Meldung bis zum fünften Werktag): Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde innerhalb von fünf Werktagen gemeldet werden müssen, um eventuelle sicherheitstechnische Schwachstellen frühzeitig erkennen zu können. Dies sind in der Regel Ereignisse von geringer sicherheitstechnischer Bedeutung, die über routinemäßige betriebstechnische Einzelereignisse bei vorschriftsmäßigem Anlagenzustand und -betrieb hinausgehen. Unverfügbarkeiten von Komponenten/Systemen, die durch im Betriebshandbuch spezifizierte Prozeduren temporär beabsichtigt herbeigeführt werden, sind nicht meldepflichtig, wenn dies auch in der Sicherheitsspezifikation des Betriebshandbuches entsprechend berücksichtigt ist.
Internationale Bewertungsskala INES
Aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Betreibern der Kernkraftwerke und dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit werden meldepflichtige Ereignisse in Kernkraftwerken auch nach der Bewertungsskala INES (International Nuclear and Radiological Event Scale) der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) und der Nuklearenergie-Agentur der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bewertet. Sie hat eine rasche und für die Öffentlichkeit verständliche Bewertung eines Ereignisses zum Ziel.
Die Skala umfasst sieben Stufen
- Störung
- Störfall
- ernster Störfall
- Unfall mit örtlich begrenzten Auswirkungen
- Unfall mit weitergehenden Auswirkungen
- schwerer Unfall
- katastrophaler Unfall
Meldepflichtige Ereignisse, die nach dem INES-Handbuch nicht in die Skala (1 bis 7) einzuordnen sind, werden unabhängig von der sicherheitstechnischen Bedeutung nach nationaler Beurteilung der „Stufe 0” zugeordnet.