Nach langer coronabedingter Pause wurde das Programm „Richtig. Ankommen. Rechtsstaatsunterricht für Flüchtlinge“ mit einer Unterrichtsstunde durch Justiz- und Migrationsministerin Marion Gentges wieder aufgenommen.
Baden-Württembergs Ministerin der Justiz und für Migration Marion Gentges hat am Mittwoch, 3. August 2022, die erste Unterrichtseinheit des neu aufgesetzten Rechtsstaatsunterrichts für Flüchtlinge in Baden-Württemberg gehalten. Die Unterrichtseinheit ist der Neustart des Programms „Richtig. Ankommen. Rechtsstaatsunterricht für Flüchtlinge“, das nach langer coronabedingter Pause und inhaltlicher Überarbeitung neu aufgenommen wird. Der Startschuss fiel in der Erstaufnahmeeinrichtung in Tübingen.
Regeln unseres Zusammenlebens vermitteln
Ministerin der Justiz und für Migration Marion Gentges sagte: „Zusammenleben funktioniert nur mit gemeinsamen Regeln, und Regeln funktionieren nur mit einem Verständnis für das, was sie bewirken sollen. Es ist wichtig, dass wir den Menschen, die als Geflüchtete bei uns Schutz suchen, klar kommunizieren, wie unser Rechtsstaat funktioniert. Das sind wir den Menschen, die neu hier ankommen, schuldig. Denn nur so haben sie die Chance, ihr Verhalten anzupassen und Rechte, die sie in ihren Herkunftsländern vielleicht nicht hatten, wahrzunehmen. Das sind wir aber auch den Menschen, die hier schon lange leben, schuldig. Denn sie erwarten zurecht, dass die Regeln unseres Zusammenlebens respektiert werden.“
Mit der Wiederaufnahme des Rechtsstaatsunterrichts reagiert das Ministerium der Justiz und für Migration auch auf die deutlich gestiegenen Zugangszahlen von Asylbegehrenden. Im Jahr 2021 wurden 15.470 Asylbegehrende erfasst, die für ihre Asylerst- und Asylfolgeanträge in Baden-Württemberg verbleiben, deutlich mehr als in den Jahren 2018 bis 2020. Im ersten Halbjahr 2022 wurde der höchste Halbjahreszugang seit dem Jahr 2016 mit 8.662 Asylbegehrenden verzeichnet.
300 Richter und Staatsanwälte im Einsatz
„Mir ist sehr wichtig, dass wir den Rechtsstaatsunterricht wieder flächendeckend anbieten“, sagte Gentges, „und ich bin froh, dass sich auch jetzt wieder rund 300 Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte für diese ehrenamtliche Tätigkeit angeboten haben.“
An jedem der 17 Landgerichte des Landes besteht ein Dozierendenpool. Die in diesem Pool angemeldeten Dozentinnen und Dozenten erteilen den Rechtsstaatsunterricht in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Volkshochschulen, die ihren Sitz im jeweiligen Landgerichtsbezirk haben. Der Unterrichtsstoff umfasst dabei Themen vom Staatsaufbau, über die Gewaltenteilung und den Grundrechten bis hin zu Einzelbereichen wie den Gerichte oder die Polizei.
Ministerin Gentges wählte für ihre erste Unterrichtseinheit die Themenbereiche „Gleichheitsgrundsatz“ und „der besondere Schutz für Familie, Ehe und Kinder“. Dazu sagte sie: „Bei der inhaltlichen Überarbeitung des Programms haben wir die Themen ‚Antisemitismus‘ und ‚Rolle der Frau in Gesellschaft und Familie‘ besonders stark in den Blick genommen. Das war mir persönlich ein Anliegen, und ich hoffe, dass es gelingt, anhand konkreter Fallbeispiele einen schnellen Zugang zu dieser Materie zu ermöglichen. Jeder und jede soll leicht erkennen können, wo Freiheiten liegen und wo klare Grenzen gelten.“
Rechtsstaatsunterricht in Baden-Württemberg
Der Rechtsstaatsunterricht in Baden-Württemberg wird sowohl Menschen, die in Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes untergebracht sind, als auch Menschen in der vorläufigen sowie der Anschlussunterbringung angeboten. Er wird jeweils mit vier Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten abgehalten. Das Projekt geht auf eine Initiative des Vereins der Richter und Staatsanwälte in Baden-Württemberg e.V. zurück, und wird durch vom Landtag bereitgestellte Mittel in Höhe von 100.000 Euro finanziert.
Im Bereich der vom Land organisierten Erstaufnahme von Flüchtlingen kümmern sich die Regierungspräsidien um die Zusammenstellung der Teilnehmergruppen und stellen in den Erstaufnahmeeinrichtungen geeignete Unterrichtsräume sowie Präsentationstechnik zur Verfügung. Die Durchführung der Rechtskundeseminare für Flüchtlinge und Asylbewerber, die in Baden-Württemberg vorläufig untergebracht sind oder sich in der kommunalen Anschlussunterbringung befinden, haben die Volkshochschulen übernommen.