Baden-Württemberg hat mit der Schulgesetzänderung zur Inklusion im Jahr 2015 einen großen Schritt in Richtung eines inklusiven Bildungswesens vollzogen. Kultusministerin Susanne Eisenmann hat eine erste Bilanz gezogen.
Baden-Württemberg hat mit der Schulgesetzänderung zur Inklusion im Jahr 2015 einen großen Schritt in Richtung eines inklusiven Bildungswesens vollzogen. Kultusministerin Susanne Eisenmann möchte heute auf einem Fachtag eine erste Bilanz ziehen: „Knapp zwei Jahre nach der Schulgesetzänderung müssen wir uns gemeinsam fragen: Wo steht Baden-Württemberg bei der Inklusion und wo gibt es Verbesserungsbedarf?“ Aus diesem Grund hat die Ministerin Vertreterinnen und Vertreter der Beratungsgremien, der Zivilgesellschaft, der Selbsthilfeorganisationen, der Fachverbände und Gewerkschaften sowie aus den Schulen, der Schulverwaltung, den Kommunen und der Lehreraus- und Lehrerfortbildung zu einer Fachtagung ins Haus der Wirtschaft nach Stuttgart eingeladen. Ziel der Veranstaltung ist, gemeinsam offen über das Thema und die Herausforderungen zu sprechen.
Inklusive Bildungsangebote
Seit der Schulgesetzänderung haben die Eltern eine Wahlmöglichkeit zwischen einem Bildungsangebot an einem sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) oder einer allgemeinen Schule. Inklusive Bildungsangebote ergänzen bereits existierende Formen der sonderpädagogischen Beratung, Unterstützung und Bildung, ohne dass bisherige Angebotsformen entfallen sind. Darin, so Eisenmann, liege der Gewinn. Bei Schulbesuchsterminen und in Gesprächen mit Verbänden werde ihr berichtet, dass es richtig gewesen sei, den Eltern eine Wahlmöglichkeit zu geben.
Die Eltern entscheiden sich heute sehr bewusst. Etwa ein Viertel der Eltern von Kindern mit einer Behinderung entscheidet sich für ein inklusives Bildungsangebot. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass 75 Prozent der Eltern ein Bildungsangebot an einem sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum wählen. „Als richtig wird auch die Einzelfallbetrachtung gesehen. Eltern schätzen in der Regel die Bildungswegekonferenzen, weil sie erleben, dass eine Verantwortungsgemeinschaft sich intensiv um ihre Kinder bemüht und deren Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen“, so Eisenmann.
Aktuelle Herausforderungen bei der Inklusion
Inklusion ist eine Querschnittsaufgabe. Deshalb ist es für die Schulverwaltung eine Herausforderung, die für die Abstimmungsprozesse erforderlichen Arbeits- und Kommunikationsstrukturen mit Partnern und innerhalb der Verwaltung weiterzuentwickeln. Die Expertentagung soll deshalb auf der fachlichen Ebene Möglichkeiten ausloten, wie Inklusion gemeinsam noch besser gestaltet werden kann. In fünf Fachgruppen zu unterschiedlichen Aspekten sollen eine Bestandsaufnahme vorgenommen und Ansätze zur Weiterentwicklung definiert werden. Die Fachgruppen nehmen dabei die Steuerungsaufgaben der Schulverwaltung, die Aufgaben der Kommunalverwaltung, die Erwartungen der Zivilgesellschaft (Eltern, Selbsthilfe, Fachverbände), die Aufgaben der Schulen sowie der Lehreraus- und Lehrerfortbildung in den Blick. Jede Fachgruppe soll für ihren Verantwortungsbereich die nächsten Schritte definieren. „Es geht heute nicht um eine bildungspolitische Eintagsfliege, sondern darum, mit allen Beteiligten einen intensiven Weiterentwicklungsprozess anzustoßen, der zu guten Ergebnissen für die betroffenen Kinder und Jugendlichen, aber auch für die Eltern und die Lehrkräfte führt“, betont Kultusministerin Eisenmann.
Wahlmöglichkeit steht im Mittelpunkt
Auch wenn die Schulverwaltung letztendlich entscheidet, ob und wo inklusive Bildungsangebote eingerichtet werden, verantwortet die Kommunalverwaltung ihren Teilbeitrag zum Erfolg dieser Bildungsangebote in eigener Regie. Die Kommunen sind deshalb ihrerseits gefordert, Leistungen wie aus einer Hand zu bündeln. „Auch die Zivilgesellschaft ist bei der Inklusion gefordert. Ausgehend vom Leitgedanken, dass die Wahlmöglichkeit der Eltern im Mittelpunkt steht, müssen wir die Beratungsprozesse so anlegen, dass Eltern ihre Entscheidung für ein Bildungsangebot auf einer guten Basis treffen können“, erläutert Eisenmann. Für die Schulen, die Lehrerinnen und Lehrer hingegen fordere das gemeinsame Lernen an allgemeinen Schulen viel Engagement. Dabei gehe es nicht nur um Aufgaben der Unterrichts-, Personal- und Schulentwicklung, sondern auch um die Frage, welche Formen inklusiver Bildung für alle Beteiligten tragfähig sind. Deshalb, so Eisenmann, hänge das Gelingen der Inklusion in hohem Maße von der Qualifikation der Lehrkräfte ab. In diesem Sinne wurden die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen für die Lehramtsausbildung auch unter dem Aspekt der Inklusion verändert und entsprechende Fortbildungs- und Unterstützungsangebote für Lehrkräfte und Schulen geschaffen.
Eine weitere aktuelle Herausforderung sei es, genügend Lehrerinnen und Lehrer für die Inklusion zu qualifizieren. Die Ministerin verweist in diesem Zusammenhang auf die am 21. März 2017 vom Ministerrat beschlossene Weiterqualifizierungskampagne für Haupt- und Werkrealschullehrkräfte. Diese richte sich unter anderem an Lehrkräfte, die heute schon an sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren arbeiten, sowie an Lehrerinnen und Lehrer, die künftig die Zahl der Sonderpädagogen verstärken sollen. Damit könnten mittelfristig die Engpässe in diesem Bereich abgefedert werden.