Auch in Baden-Württemberg sind Menschen von zu hohen Lärmbelastungen betroffen. Die Wechselwirkung von Lärmschutz und Städtebau wird nun in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für Bauphysik in drei Projekten untersucht. Im Fokus stehen die Akustik in Innenhöfen, Schulen und Kitas sowie die Wechselwirkungen von Tourismus und Lärm.
Der Lärmschutzbeauftragte der Landesregierung, Thomas Marwein, hat drei Förderprojekte beim Fraunhofer Institut für Bauphysik (IBP) angestoßen. Die drei Projekte sind:
- Der Ruhe den Hof machen – Akustik in Innenhöfen
- Unerhörte Gäste – Wechselwirkungen von Tourismus und Lärm
- Preis und Wert – Gute Akustik in Schulen und Kitas
Wechselwirkung von Lärmschutz und Städtebau
Untersucht werden dabei die Wechselwirkung von Lärmschutz und Städtebau mit speziellem Augenmerk auf die Akustik in Innenhöfen, die Wechselwirkungen von Tourismus und Lärm sowie die preiswerte Umsetzung anspruchsvoller Akustik in Schulen und Kitas. Die Projekte werden mit jeweils 30.000 Euro gefördert.
Der Lärmschutzbeauftragte Marwein betont den Stellenwert solcher Untersuchungen: „Um Lärm hörbar zu reduzieren muss man verstehen, welche Faktoren zur Lärmbelästigung führen. Das Fraunhofer Institut für Bauphysik geleitet von Prof. Philip Leistner ist ein kompetenter Projektpartner, solche Fragestellungen fachübergreifend anzugehen.“ Zu seinem Aufgabengebiet als Lärmschutzbeauftragter ergänzt er: „Es gibt eine Vielzahl von Lärmquellen und Lärmproblemen, nicht nur den Lärm des Verkehrs. Als Lärmschutzbeauftragter des Landes kümmere ich mich daher auch fachübergreifend um Lärmprobleme. Und die Zusammenarbeit von Verkehrs-, Wirtschafts- und Justizministerium zeigt: alle ziehen an einem Strang und setzen sich für den Lärmschutz ein. Projekte mit Vorbildfunktion.“ Justiz- und Tourismusminister Guido Wolf sagte hierzu: „Eine dauerhafte Lärmbelästigung kann nicht nur die Lebensqualität der Menschen vor Ort mindern, sondern stört auch Erholungssuchende. Hier können Einheimische und Gäste durch rücksichtsvolles Verhalten einen wichtigen Beitrag zur Lärmminderung leisten. Bei dieser hervorragenden Zusammenarbeit mit dem Verkehrsministerium zeigt sich auch einmal Mehr der Querschnittscharakter des Tourismus.“
Corona-Pandemie als akustisches Real-Experiment
Verkehrsminister Winfried Hermann unterstreicht: „Lärm nervt, nur der eigene nicht. Das führt aber nicht zum Ziel. Vielmehr gilt es hinzuschauen und zu analysieren und dabei nicht bei den Grenzen der Zuständigkeit stehen zu bleiben. Ich freue mich über die Zusammenarbeit bei diesem Projekt zu Lärm und Tourismus, denn die Lärmbelastung ist vielfach einfach zu hoch. An dem Projekt wird auch deutlich, wie wichtig ein ressortunabhängiger Lärmschutzbeauftragter ist, den es nur in Baden-Württemberg gibt.“
Das vergangene halbe Jahr mit der Corona-Pandemie war auch ein akustisches Real-Experiment. Einerseits blieben viele Straßen und Plätze, Büro- und Schulräume leer und somit ruhig. Andererseits erwiesen sich viele Wohnungen als akustisch ungeeignet für Home Office und zeitgleiches Home Schooling. Der sonst allgegenwärtige Lärm rückte in den Hintergrund, wurde aber mit den gelockerten Beschränkungen schnell wieder zum Gesprächsthema. Den unüberhörbaren „akustischen Neustart“ spüren nun viele Menschen in altbekannter Weise, verbunden mit den Störungen, Belästigungen und Belastungen. Gemeinsam stellen wir fest, dass Lärm gestoppt werden, da die Verursacher Menschen sind, ob mit oder ohne technische Hilfsmittel. Unvermindert gilt es, dem Lärm etwas entgegen zu setzen und unser Lebensumfeld auch akustisch bewusst zu gestalten.
Der Ruhe den Hof machen – Akustik in Innenhöfen
Ziel des Projekts ist es, die akustische Qualität der Innenhöfe als Aufenthalts- und Erholungsräume zu verbessern. Es sollen die Möglichkeiten aufgezeigt werden, Innenhöfe so zu gestalten und aufzuwerten, dass sie als Freiräume und Rückzugsorte genutzt werden können. Der Druck auf die Innenstädte wächst, es fehlt an Wohnraum. Ziel nachhaltiger Mobilität ist, den Verkehrslärm zu reduzieren ohne gleichzeitig die Mobilität einzuschränken. Gleichzeitig ist es wichtig, die Innenstadt als Wohn- und Lebensort zu stärken und qualitätsvolle Wohnnutzungen und andere sensible Nutzungen auch in innerstädtisch verdichteten Bereichen zu ermöglichen.
In diesem Projekt steht die Untersuchung von akustischen Eigenschaften und Funktionen im Vordergrund, um Nutzwert und Aufenthaltsqualität zu steigern, damit eine notwendige Schutz- und Lebensatmosphäre in Innenhöfen geschaffen werden kann. Für die Erarbeitung von Konzept und Umsetzungsportfolio dient ein konkretes Beispielobjekt in der Stadt Stuttgart.
Kern des Ansatzes ist die akustisch motivierte, aber bauphysikalisch multifunktionale Gestaltung von Bauteilen und Oberflächen, die auf aktuellen Ergebnissen und Entwicklungen aus dem Projektschwerpunkt Bauphysik Urbaner Oberflächen aufbauen. Innovative Beispiele sind zum Beispiel schallabsorbierende und schalllenkende Fassaden- und Durchgangsbekleidungen, die auch zur energetischen und substanziellen Sanierung der Gebäude beitragen. Die Möglichkeit einer zusätzlichen, extensiven Begrünung von Oberflächen mit ihrer durchweg positiven Wirkung soll dabei einen hohen Stellenwert einnehmen.
Unerhörte Gäste – Wechselwirkungen von Tourismus und Lärm
Ziel dieses Projekts ist es, den Lärmschutz bei der Planung, Entwicklung und Ausgestaltung von touristischen Aktivitäten und an touristischen Orten zu integrieren und zu stärken. Gerade im Urlaub suchen Gäste Erholung und Ruhe und sind daher besonders sensibel für Lärmbelastungen, andererseits kann durch Tourismus auch Lärm entstehen. Hierfür ist der Austausch mit dem für Tourismus zuständigen Ministerium der Justiz und für Europa und Beteiligten aus der Praxis vorgesehen. Untersucht werden der typische Städtetourismus mit vielfältigen, ganzjährig auftretenden Lärmkonflikten und der Tourismus mit einer regionalen Ausprägung, also Erholung, Naturerlebnisse usw. in der Bodenseeregion.
Preis und Wert – Gute Akustik in Schulen und Kitas
Hier sieht der Lärmschutzbeauftragte Handlungsbedarf, um die akustische Qualität in Bildungseinrichtungen zu verbessern. Insbesondere sollen akustische Ausbaumöglichkeiten in Klassen- und Kitaräumen optimiert werden und Erkenntnisse zu Kosten und Ausbaudauer gewonnen werden. Den Verantwortlichen sollen als Ergebnis des Projekts Informationen über die kosten- und zeitoptimierten Lösungen bei Sanierung und Neubau an die Hand gegeben werden. Dabei stehen die akustischen Eigenschaften und Funktionen der Räume im Vordergrund, um Nutzwert und Aufenthaltsqualität zu steigern.
Verkehrsministerium: Lärmschutzbeauftragter der Landesregierung
Hintergrundinformationen zu den Projekten
Der Straßenverkehr in Städten ist und bleibt der akustische Störenfried Nummer eins. Besonders betroffen sind davon die Hauptverkehrsadern, so dass in den Gebäuden nur geschlossene Schallschutzfenster für etwas Ruhe sorgen können. Für die „zweite Reihe“, also in Nebenstraßen und Innenhöfen, wirken diese Gebäude als bewohnte Lärmschutzwände. Die Hoffnung auf Ruhe wird dort vielfach dennoch nicht erfüllt. Ein Teil des Straßenlärms erreicht über vielfache Reflexion an schallharten Fassaden und durch Hofeinfahrten den geschützten Bereich. Von der erwarteten Abschirmwirkung bis zu 30 Dezibel (dB) bleiben an manchen Stellen nur noch fünf dB übrig, wie aktuelle Detailbetrachtungen zeigen.
Der dauerhafte Lärm durch Straßenverkehr ist aber nicht das einzige Problem. Vielfach und vielfältig stören auch Geräuschspitzen, wenn beispielsweise richtig Gas gegeben, gehupt oder gebremst wird. Zusätzlich stechen das Kurvenquietschen von Schienenfahrzeugen und Baustellenlärm mit lautstarken Einzelereignissen aus dem Dauergeräusch heraus. Die Reaktionen reichen von Irritation, Erschrecken bis zum Aufwachen während der Nachtzeit.
In Innenhöfen sind andere Geräuschquellen präsent, die sehr laut sein können, zum Beispiel startende und wartende Fahrzeuge mit circa 65 mit Frequenzpegel A bewertet oder auch dB (A), Müll- und Glascontainer bis zu 100 dB (A), Restaurants, Sport- und Spielflächen. So kann selbst ein Kleinstfahrzeug wie ein Bobby Car mit mehr als 65 dB (A) einen normalen Pkw übertönen. Aus gutem Grund werden sie auch mit Flüsterreifen angeboten, dann sind sie fast zehn dB leiser, was als Halbierung der Lautstärke empfunden wird. Aber auch Gespräche und andere Alltagsgeräusche dringen aufgrund der Hellhörigkeit an fast jedes Ohr. Die zunehmende bauliche Verdichtung der Städte verstärkt diese Ruhelosigkeit.
Im Rahmen des Forschungsprojektes wird die urbane Schallausbreitung näher untersucht. Neben Verkehrseinschränkungen werden insbesondere bauliche Maßnahmen zur Lärmminderung bewertet. Ein konkretes Beispiel sind offene Hofeinfahrten. Einerseits lässt sich mit einer angemessenen Verringerung des offenen Querschnitts der Schalldurchgang in den Innenhof um bis zu 5 dB reduzieren. Hierbei müssen natürlich Mindestmaße zum Beispiel für Feuerwehrfahrzeuge eingehalten werden. Noch mehr lässt sich mit schallschluckendem Material auf den Innenoberflächen der Hofeinfahrten erreichen. Bereits mit circa 50 Millimeter dicken Schichten sind bis zu zehn dB Pegelminderung im Hof möglich.
Dieser Lösungsansatz schallabsorbierender statt reflektierender Oberflächen ist auch auf Gebäudefassaden übertragbar, zumal dadurch Geräusche von der Hauptstraße und im Innenhof gedämpft werden. Um deren Wirkung im Einzelfall konkret bewerten zu können, wurden konventionelle Berechnungsverfahren erweitert. Die Ergebnisse zeigen erheblichen Spielraum sowohl für Neubauten als auch für die Sanierung.
Bei schallabsorbierende Fassaden ist nahliegend, diese mit der äußeren Wärmedämmung der Gebäude zu verknüpfen, auch die Begrünung von Fassaden bietet Synergiepotential. Die Ausgestaltung ist dabei entscheidend. Rankender Wein oder Efeu schluckt kaum Schall, aber begrünte Wandelemente mit der passenden Substratschicht können vollwertige Schallabsorber sein. Für grüne Gestaltungselemente in Innenhöfen besteht noch mehr Spielraum. Ein ganzheitlich entwickeltes „Biophilic Urban Design“ kann erstaunlich viele positive Effekte im Sinne attraktiver Freiräume bewirken. Akustische Vorteile lassen sich zum Beispiel mit Sicht- und Schallbarrieren erreichen. Richtig ausgeführt können begrünte Holzwände mit zwei Meter Höhe eine Abschirmwirkung zwischen fünf und zehn dB mit sich bringen. In Verbindung mit einladendem Stadtmobiliar sind an vielen Stellen regelrechte Ruhe- und Kommunikationszonen mit Privatsphäre möglich.
Schließlich steckt auch in den horizontalen Oberflächen Beruhigungspotential, insbesondere durch Lärmreduzierung an der Quelle. Gegen Rollgeräusche von Skateboards und Bobby Cars oder Prallgeräusche von Bällen helfen auf entsprechenden Spiel- und Freiflächen prinzipiell die gleichen elastischen Bodenbeläge, die auch Sturz- und Unfallfolgen reduzieren. Insgesamt zeigen die bisherigen Forschungsergebnisse zahlreiche Möglichkeiten für mehr Lärmschutz in der zweiten Reihe. Es kommt nun auf die Priorität an, die wir der Ruhe geben.
Baden-Württemberg ist ein attraktives Reiseland, es bietet zahlreiche Ziele für unterschiedliche touristische Ansprüche, vom idyllischem Naturschauspiel bis zur historischen Altstadt. Die Tourismuskonzeption des Landes zielt auf Qualitätstourismus mit steigender Wertschöpfung und hoher Lebensqualität der Menschen vor Ort gleichermaßen. Lärm soll dabei reduziert werden, da Tourismus sowohl Lärm erzeugt und zugleich unter Lärm leidet. Konfliktfälle sind vor Ort meist bekannt, aber nicht immer auch die Strategien zur Konfliktvermeidung.
Mit einer umfassenden Literatur-, Fall- und Problemstudie analysiert das Fraunhofer IBP daher zusammen mit Lärm- und Tourismusfachleuten die Praxis, um wissenschaftlich fundierte Lösungswege zu finden. Die akustischen Probleme sind eindeutig Straßenverkehrslärm (An-, Ab- und Durchreiseverkehr, Tagesausflüge usw., mit Bus, Auto oder Motorrad) und „menschlicher Freizeitlärm“ (Freiluft-Restaurants, alle Arten von Festen und Events, ob mit oder ohne Musik). Dabei können sich auch neue Trends zeigen, wenn zum Beispiel bislang kaum beachtete Orte in Städten zu spontanen Partymeilen avancieren und sich diese „Geheimtipps“ über soziale Netzwerke schnell verbreiten und so nicht nur Bewohner, sondern zusätzlich auch Touristen anziehen.
Aber auch die Gäste bekommen zum Beispiel „verlärmte“ Hotelstandorte zu spüren. Laut Umweltbundesamt sollten zur Vermeidung von Beeinträchtigungen Lärmpegelwerte von tagsüber 55 mit Frequenzpegel A bewertet oder auch dB (A) und nachts 45 dB (A) unterschritten werden. Ein Ergebnis der Studie des Fraunhofer IBP ist, dass in einer durchschnittlichen Großstadt aber 72 Prozent der Hotels an Standorten mit höheren Schallpegeln liegen, allein infolge des Straßenverkehrs. Etwa 50 Prozent der Hotelstandorte überschreiten selbst zehn dB höhere Werte. Ruhe kann man hier nicht erwarten und so liegt der Außenlärm auch auf Platz eins der von Hotelgästen berichteten akustischen Störquellen. Bei einer bundesweiten Befragung gaben immerhin 15 Prozent der Gäste an, bei einem Hotelaufenthalt lärmbedingt am Schlafen gehindert oder dabei gestört worden zu sein.
Ein weiteres Ergebnis des Fraunhofer IBP ist, dass sich die Anteile von Touristen und Einheimischen bislang bei keiner der beiden „Top-Lärmquellen“ voneinander trennen lassen. Das erschwert aber die sachliche Auseinandersetzung und auch die gezielte Reaktion. Den Verantwortlichen sind die Probleme vielerorts bekannt und bewusst, zumal sich Betroffene auf vielfältige Weise äußern. Transparente Information, klare Kommunikation und mitunter auch Partizipation haben sich mehrfach als richtige und wichtige Schritte zur Entschärfung von saisonalen Hotspots und ganzjährigen Dauerbrennern bewährt. Am besten erfolgt dies in enger Zusammenarbeit der Experten für Lärm und Tourismus. Mitunter muss aber auch investiert werden und Lärmschutz kann teuer werden, sowohl baulich/technisch als auch organisatorisch und personell. Hierbei zahlen sich langfristige, ganzheitliche Konzepte aus, um genau abzuwägen, ob zum Beispiel Events örtlich und zeitlich dezentralisiert oder lärmüberwacht werden, damit unmittelbar interveniert werden kann.
Versuche und Erfahrungen mit Tourismus und Lärm sind weltweit verbreitet, wobei einige Brennpunkte besondere Aufmerksamkeit erreicht haben. Dazu zählt zum Beispiel Barcelona, wo die Folgen des „Overtourism“ sehr ausgeprägt sind. Zur Lärmüberwachung und -reduzierung installierte die Stadtverwaltung daher ein so genanntes „Noise Monitoring Network“, ein Maßnahmenpaket, das auf drei Säulen basiert: Schärfung des Problembewusstseins (Awareness), Einbeziehung aller Beteiligten und Lärmüberwachung (Noise Monitoring) an etwa zehn Lärmschwerpunkten mit hoher Beschwerdehäufigkeit. Zur Intervention dient eine großangelegte Informationskampagne von Veranstaltern, Stadtverwaltung und Medien für rücksichtsvolleres, ruhigeres Verhalten als persönlicher Beitrag jedes Einzelnen. Darüber hinaus wurden „Lärmbarometer“ an öffentlichen Plätzen aufgestellt oder am Abend Lollis verteilt, um laute Personen zumindest kurzfristig „mundtot“ zu machen. Weitere Optionen sind Mediatoren vor Ort, ob als „Nachtbürgermeister“ oder mit anderen Rollenbildern, die bei Lärmkonflikten akut auftreten und eingreifen können.
Vergleichsweise wenige dieser und weiterer Maßnahmen wurden wissenschaftlich begleitet, um deren Wirkung beziehungsweise Erfolg zu dokumentieren. Dies scheint aber genauso wichtig wie der bislang ausbleibende Erfahrungsaustausch, um die effizientesten Strategien identifizieren und andernorts implementieren zu können. Die Lärmbelästigung ist ein an sich gut untersuchtes Konstrukt der Lärmwirkungsforschung. Allerdings reichen dafür weder Befragungen noch Pegelmessungen allein aus. So wird Lärm von Betroffenen oft auf rücksichtsloses Verhalten zurückgeführt und schon allein deshalb als lästiger empfunden, weil er als vermeidbar betrachtet wird.
Alle Ergebnisse der Studie des Fraunhofer IBP werden bis zum Jahresende zusammengefasst und in praktikable Handlungsoptionen mit differenziertem Aktionsspielraum, Interaktions- beziehungsweise Interventionsmöglichkeiten übertragen. So sollen zum Beispiel Informationen und Angebote, Anreize und Regeln helfen, den Umgang mit den Wechselwirkungen von Tourismus und Lärm vor Ort zeitgemäß zu strukturieren, zu versachlichen und zu erleichtern.
Zum Wert guter Akustik in Schul- und auch Kita-Räumen wurde schon viel geforscht und geschrieben, zu den Kosten und deren Optimierung besteht allerdings noch Aufklärungsbedarf. Das zeigen allein die nach wie vor zahlreichen halligen und lauten Räumen, obwohl sich die Betroffenen in alten und leider auch in neuen Gebäuden darüber beklagen. Das Lehrpersonal muss in halligen Räumen laufend für Ruhe sorgen und selbst lauter Sprechen. Stress und Stimmprobleme sind daher verbreitete Symptome, die letztlich kostenwirksam werden. Der Wert guter Akustik ist aber auch eine Frage von Lernerfolg und Chancengleichheit. Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass die Noten von Lernzielkontrollen in lauten Schulen schlechter ausfallen als in leisen Schulen, selbst wenn demografische Faktoren korrigiert werden. Daher sind auch die Verantwortlichen mitunter unzufrieden, wenn trotz bekannter Folgen schlechter Akustik das Budget für entsprechende Gegenmaßnahmen dem Sparzwang geopfert wird.
Das Forschungsprojekt widmet sich der Aufklärung über Wert und Preis von Raumakustik, um ihr in deutlich mehr Schulen und Kitas zum Durchbruch zu verhelfen. Der Zeitpunkt für das Projekt ist gut gewählt, da mit den im Jahr 2018 erneuerten „Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR A3.7)“ eine geeignete Raumakustik an Arbeitsplätzen in Schulen und Kitas explizit gefordert wird. Dies trägt dem Wert guter Akustik für Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit Rechnung.
Technisch betrachtet muss für geeignete Akustik ein Teil der Raumoberflächen mit schallabsorbierenden Bauteilen ausgestattet sein. In den meisten Unterrichts- und Gruppenräumen mit typischer Größe reicht dafür die Deckenfläche, in manchen Fällen sind zusätzlich Teilflächen an den Wänden erforderlich. Bei der praktischen Umsetzung geht es um die Kostenbestandteile Planung und Auslegung sowie um die Produkte und deren Montage. Der akustische Planungsanteil ist gering. Eine einfache Faustformel oder Tabellen zur Bestimmung der Schallabsorberfläche reichen aus. Klare und konkrete Hinweise dazu bietet zum Beispiel die kostenlose Richtlinie „Akustik in Lebensräumen für Erziehung und Bildung“ des Fraunhofer Institut für Bauphysik (IBP). Bei der Sanierung bestehender Räume müssen zusätzlich zum Beispiel die baulichen Voraussetzungen geprüft und die Zeitspanne für die Montage berücksichtigt werden, da meist nur die Ferienzeit genutzt werden kann.
Wir haben in der Praxis nachgefragt: Die Meisten sind sich unsicher oder kennen sich schlicht nicht aus, wenn es um Material- und Montagekosten geht. Die Marktauswertung und zahlreiche umgesetzte Projekte zeigen, dass sich bei gleicher Funktion die Materialpreise erheblich unterscheiden. Die Spanne liegt etwa zwischen elf Euro pro Quadratmeter (€/m²) und 240 €/m², wobei es für alle Produkte gestalterische Argumente gibt. Bei der Materialentscheidung ist der Verarbeitungsaufwand zu beachten, der produktbezogen zwischen 17 €/m² und 77 €/m² liegen kann. Dabei müssen teure Produkte nicht automatisch mit hohem Montageaufwand verbunden sein, insgesamt sind trotz gleicher akustischer Funktion Kostenunterschiede mit dem Faktor zehn möglich.
Als häufiges Problem erweist sich bei Kostenplanung und -vergleich die Berücksichtigung von Zusatzkosten und -nutzen, wenn zum Beispiel mit der Akustikdecke eine neue Beleuchtung oder Malerarbeiten verbunden werden. Diese Synergie ist an sich sinnvoll, sollte aber auch in der Bilanzierung transparent bleiben. Durch den Flächenbezug der Schallabsorber unterscheiden sich die Kosten je nach Raumgröße. Wie bei anderen Bauleistungen gibt es standortabhängige Preisunterschiede von etwa zehn Prozent. Im Projekt werden all diese Material-, Montage-, Geometrie- und Ortsfaktoren mit Baukostenindizes und Kalkulationstabellen abgeglichen und anhand abgerechneter Projekte evaluiert.
Im Ergebnis entsteht eine kompakte, verständliche Handlungshilfe für Träger und Planer von Schulen und Kitas, die den finanziellen Entscheidungsspielraum für gute Akustik verlässlich aufzeigt.