Immer wieder sind Angehörige des öffentlichen Dienstes in ihrem Berufsalltag physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt. Um derartige Angriffe zu verhindern, wurde das bundesweit einmalige Forschungsprojekt „Lagebildinstrument zu Gewalterfahrungen von Beschäftigten im öffentlichen Dienst“ (InGe) ins Leben gerufen. Dieses geht nun in die nächste Phase.
„Beleidigt, bedroht, angegriffen – immer wieder sind Angehörige von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst in ihrem Berufsalltag physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt. Und auch in anderen Berufsbereichen des öffentlichen Dienstes nehmen die Fälle seit Jahren zu. Diese Übergriffe haben nicht nur für die Betroffenen selbst mitunter schwere seelische und körperliche Folgen, sie laufen auch unseren gesellschaftlichen Werten zuwider. Deshalb haben wir im Oktober 2022 das Forschungsprojekt ‚InGe‘ ins Leben gerufen. Bundesweit einmalig nehmen wir dabei alle Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes in den Blick, nicht nur die Einsatzkräfte. So entwickeln wir langfristig ein umfassendes und spezifisches Lagebild, um unsere Beschäftigten im öffentlichen Dienst zukünftig besser schützen zu können“, sagte der Stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl anlässlich des Internationalen Tags des öffentlichen Dienstes am 23. Juni 2023.
Ziel des wissenschaftlichen Verbundprojekts „Lagebildinstrument zu Gewalterfahrungen von Beschäftigten im öffentlichen Dienst“, kurz InGe, ist die Entwicklung eines neuen, softwaregestützten Instruments, mit dem Gewaltvorfälle im öffentlichen Dienst schnell und unkompliziert erfasst und analysiert werden können. Dazu soll eine einheitliche und nutzerfreundliche elektronische Meldeplattform für möglichst viele Berufsgruppen zur fortlaufenden Datenerhebung zur Verfügung gestellt werden.
Projekt geht in die nächste Phase
Um die konkrete Ausgestaltung des Lagebildinstruments den Bedarfen aus der Praxis anzupassen, befindet sich das Projektteam aktuell in der ersten empirischen Forschungsphase. Neben Workshops in politischen Gremien werden derzeit Gespräche mit Führungskräften sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in verschiedenen Gemeinden und Kommunen vorbereitet. Zudem werden bundes- und landesweite Experteninterviews mit Akteuren unterschiedlicher Berufs- und Tätigkeitsfelder durchgeführt. Der Fokus liegt dabei auf der Klärung der Frage, wie bestehende Meldeinstrumente gestaltet sind, wie organisatorische Behördenstrukturen aussehen, welche Meldewege sich darauf basierend am besten für das Lagebildinstrument eignen und welche inhaltlichen und technischen Bedingungen aus Sicht der Praxis bestehen.
In der zweiten empirischen Phase soll das Instrument in ausgewählten Modellkommunen in Baden-Württemberg getestet und evaluiert werden. Hierdurch sollen mögliche Herausforderungen und Verbesserungspotenziale identifiziert und unter Einbindung künftiger Anwenderinnen und Anwender umgesetzt werden. Ziel ist, eine hohe Akzeptanz des Instruments in der Praxis zu gewährleisten.
„Das Projekt ‚InGe‘ bietet neben der Möglichkeit zur Aufhellung des Dunkelfelds vor allem die Chance, Gewalterfahrungen im öffentlichen Dienst präzise, auch unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit zu erfassen. Unser Ziel ist es, ein umfassendes Bild über die tatsächliche Lage zu bekommen, sodass wir zukünftig ganz gezielte präventive Maßnahmen treffen können. Das Instrument soll etwa ein Jahr nach Projektende in den Wirkbetrieb übergehen und eignet sich perspektivisch auch für einen bundesweiten Einsatz“, so Innenminister Thomas Strobl.
Polizeiliche Kriminalstatistik verzeichnet Anstieg der Gewalt
Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist in den letzten fünf Jahren einen stetigen Anstieg bei der Anzahl der durch Gewalthandlungen geschädigten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten aus. Im vergangenen Jahr wurden 12.614 (2021: 11.919) Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten und 289 Angehörige aus dem Bereich Feuerwehr und des Rettungsdienstes (2021: 263) Opfer einer solchen Straftat – ein neuer Höchstwert. Gleiches gilt für die Anzahl der Opfer von Gewalt unter den sonstigen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, welche im Jahr 2022 auf einen Höchstwert von 1.195 angestiegen ist (2021: 1.085). Hierunter fallen beispielsweise Lehrerinnen und Lehrer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Krankenhäusern, Jobcentern, Bürgerämtern oder Führerscheinstellen sowie kommunale Mandatsträgerinnen und Mandatsträger.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das auf zwei Jahre angelegte Projekt. Geleitet wird der Forschungsverbund von der im Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg angesiedelten Gemeinsamen Zentralstelle Kommunale Kriminalprävention (GeZ KKP). Weitere Verbundpartner sind das Centre for Security and Society der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (UFr Css) und die Disy Informationssysteme GmbH.
Sicherheitsforschungsprogramm des Bundeministerium für Bildung und Forschung