Das Land fördert sechs Projekte in Privattheatern mit insgesamt 160.000 Euro. Unterstützt werden herausragende Projekte oder Konzeptionen, die ohne weitere finanzielle Unterstützung nicht zu realisieren sind.
Mit insgesamt 160.000 Euro fördert das Kunstministerium besondere Projekte in sechs Privattheatern im Land. Die per Juryentscheidung vergebenen Mittel gehen in diesem Jahr an Bühnen in Herrlingen, Mannheim, Reutlingen, Rottweil, Stuttgart und Tübingen, wie Kunststaatssekretär Arne Braun mitteilte. Der Theaterei Herrlingen sprach die unabhängige Jury eine mehrjährige Konzeptionsförderung für einen Zeitraum von zwei Jahren zu.
Kunststaatssekretär Arne Braun sagte: „Baden-Württemberg hat eine starke Privattheater-Szene, auf die wir stolz sind. Die privaten Bühnen leisten mit ihrer experimentierfreudigen Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Vielfalt der Theaterlandschaft Baden-Württembergs.“ Um eine faire Vergütung zu ermöglichen und die gestiegenen Sach- und Personalkosten auszugleichen, wurde die Förderhöchstsumme in diesem Jahr von 30.000 Euro auf bis zu 40.000 Euro angehoben.
Die jährliche Projektförderung für Privattheater vergibt das Ministerium bereits seit 2009. Unterstützt werden herausragende Projekte oder Konzeptionen, die ohne weitere finanzielle Unterstützung nicht zu realisieren sind, und bei denen der künstlerische Aspekt oder gesellschaftlich relevante Themen im Mittelpunkt stehen. Die Projektmittel werden auf Basis einer Juryentscheidung vergeben.
Geförderte Projekte
Theaterei Herrlingen
Fördersumme: 20.000 Euro jährlich (2024 und 2025)
Die Theaterei betrachtet anhand von zwei unterschiedlichen Theaterabenden Menschen in der Mitte ihres Lebens. Was fängt man mit seinem Leben an, wenn man auf die Sechzig zusteuert? Welche Wünsche gibt es noch zu erfüllen? Wird man noch gebraucht oder kann man sich überhaupt gesellschaftlich erlauben, sich ins Rentenleben zurückzuziehen? Und wie sieht’s mit der Liebe aus?
Fördersumme: 30.000 Euro
Das Theaterhaus G7 in Mannheim wird sich künstlerisch mit Frauenfeindlichkeit auseinandersetzen. Die spanische Autorin María Velasco hat mit „Ich will die Menschen ausroden von der Erde“ die Empowermentparabel der Stunde geschrieben. Im Theaterhaus G7 wird sie jetzt zur deutschsprachigen Erstaufführung gebracht. Velasco bedient sich in ihrem Stück einer Vielfalt literarischer Genres. Prosa, Dialoge, theatrale Szenen, essayistische Betrachtungen und Erinnerungen reiht sie nahtlos aneinander und ermöglicht dadurch eine spielerische Auseinandersetzung mit dem gesellschaftskritischen Anliegen ihres Stücks. Bei der Inszenierung setzt das Theaterhaus auf ein spartenübergreifendes Konzept.
Fördersumme: 30.350 Euro
Das geplante Tanztheater-Stück befasst sich unter dem Projekttitel „Perception“ mit der Thematik von Gruppendynamiken. Wie fühlt es sich an, Teil einer Gruppe zu sein? Und wie, von einer Gruppe ausgeschlossen zu sein? Was ist, wenn man anders ist als die Anderen? Oder Angst hat, es zu sein? Wann ist es wichtig, dass sich andere hinter einen Einzelnen stellen? Und an welchem Punkt werden Gruppendynamiken problematisch? Unter Leitung des Choreografen James Sutherland wird von Oktober 2024 bis März 2025 jeden Samstag geprobt. Neben fünf professionellen Tänzerinnen und Tänzern inszeniert Sutherland eine inklusive Gruppe von 40 bis 50 Reutlinger Bürgerinnen und Bürgern.
Fördersumme: 35.000 Euro
Ausgangspunkt des Theaterabends ist, dass es einem Mitarbeiter des Zimmertheaters letztes Jahr auf abenteuerliche Weise gelungen ist, einen Teil der Familie des 1938 aus Rottweil vertriebenen jüdischen Jungen Ernst Öttinger in Israel zu finden und die Nachkommen nach Rottweil einzuladen. Der 7. Oktober 2023 hat den Nahostkonflikt wieder ins Bewusstsein der Menschen gerückt, sodass es außer um Nachwirkungen der National Sozialistischen (NS)-Zeit auch um die aktuelle politische Lage geht: Wie tief sind antisemitische Vorurteile in unserer Kultur verankert? Schaffen wir es, uns nicht gegeneinander aufhetzen zu lassen, sondern gegenseitige Traumata und Schmerzen anzuerkennen? Wir müssen nicht alle einer Meinung sein, aber was bedeutet es, wenn eine vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem bezeichnete Partei in politische Verantwortung gewählt wird?
Fördersumme: 22.150 Euro
In Stuttgart wurde im Sommer 2021 ein privates „Schwätz-Bänkle“, das die 70-jährige Maria Mayer auf dem Gehweg vor ihrem Haus aufgestellt hatte, um ihre Nachbarinnen und Nachbarn kennenzulernen, Auslöser eines öffentlichen Streits: Erst sollte es von der Straßenverkehrsbehörde verboten werden. Dann mischte sich der Stadtrat ein. Wem gehört der öffentliche Raum vor dem Haus? Wem die Stadt? Für die sogenannten „privaten Möblierungen“ soll es nun neue Grundpfeiler geben, doch viele Bewohnerinnen und Bewohner scheuen sich vor zu viel administrativem Aufwand. Diese Geschichte nimmt das Theater Rampe zum Anlass, sich weiteren Fragen zum Thema öffentlicher und privater Raum zu widmen: Welche Aufenthaltsorte stehen wem zu, drinnen und draußen? Wo ist Rückzug, Pause und wo Gemeinschaft möglich?
Fördersumme: 22.500 Euro
Hier geht es um ein zweiteiliges Figurentheaterprojekt zum 100. Todestag Franz Kafkas. Der erste Teil besteht aus kurzen Performances, die an unerwarteten Orten gezeigt werden. Der zweite Teil zeigt das Gedanken-Labyrinth Franz Kafkas in sieben Verwandlungen als Theaterabend. Aus Materialien von Sand über Asche bis hin zu Glas und wundersamen Fundstücken, alten Büchern und Schriften aller Art entstehen Figuren und Räume, die Kafkas Literatur sinnlich erfahrbar machen. Theaterbilder zwischen Materialität und Stillstand, geschriebenem Wort und gezeichnetem Körper. Zentraler Text ist „Die Sorge des Hausvaters“, ein utopischer Text über die Mystik der Dinge und die zentrale Frage nach ihrem Leben.