Auf Einladung von Sozialminister Manne Lucha sind erstmals Vertreter der landesweit organisierten Glaubens- und Religionsgemeinschaften sowie der säkularen Bürgergesellschaft zu einem Runden Tisch der Religionen zusammengekommen. Die Landesregierung will damit den Dialog mit den Religionen im Land stärken und den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern.
Auf Einladung von Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha sind in Stuttgart erstmals Vertreterinnen und Vertreter der landesweit organisierten Glaubens- und Religionsgemeinschaften sowie der säkularen Bürgergesellschaft zu einem Runden Tisch der Religionen zusammengekommen. Ziel des Runden Tisches ist es, den Dialog der Landesregierung mit den Religionen im Land zu stärken und dadurch die Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern.
Dialog stärken und gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern
Bei ihrem ersten Treffen tauschten sich die rund 50 Teilnehmenden über das Verhältnis der Religionen und Glaubensgemeinschaften zum säkularen Staat sowie Kooperationsansätze im Bereich der Wohlfahrtspflege aus. Minister Lucha kündigte darüber hinaus ein neues Förderprogramm an, um baden-württembergische Städte dabei zu unterstützen, eigene Runde Tische der Religionen einzurichten.
Minister Lucha: „Oberstes Ziel der Landesregierung in der Integrationspolitik ist ein starker gesellschaftlicher Zusammenhalt bei einer wachsenden Bevölkerungsvielfalt. Die Frage, wie wir gemeinsam leben wollen, können wir nur beantworten, wenn wir miteinander und nicht übereinander reden. Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Gesellschaft als Ganzes profitiert, wenn die Religionen in einen lebendigen Austausch treten. Aus diesem Grund war es mir wichtig, den in der vergangenen Legislaturperiode eingerichteten Runden Tisch Islam zu einem Diskussionsforum weiterzuentwickeln, an dem sich alle im Land vertretenen Religionen und Glaubensgemeinschaften einbringen können. Wir leben in einer multireligiösen, aber auch zunehmend säkularen Gesellschaft, die wir nur im gemeinsamen Dialog gestalten können.“ Der Minister kündigte an, dass der Runde Tisch künftig mindestens einmal im Jahr tagen soll, anlassbezogen könne es auch weitere Treffen geben.
Runde Tische auch auf kommunaler Ebene etablieren
Als ein Ergebnis der Beratungen kündigte Minister Lucha an, bis 2019 mindestens zehn Städte ab einer Bevölkerungsgröße von 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern dabei zu unterstützen, eigene Runde Tische der Religionen ins Leben zu rufen. Ein entsprechendes Förderprogramm wird der Minister in Zusammenarbeit mit der von Professor Hans Küng gegründeten Stiftung Weltethos aus Tübingen in Kürze vorlegen. Erfolgreiche Beispiele auf kommunaler Ebene gibt es bereits in Heidelberg, Stuttgart und Ulm.
„Runde Tische der Religionen sind durch ihre repräsentative Zusammensetzung und Stabilität genau das richtige Instrument, um dauerhafte und verlässliche Dialogstrukturen innerhalb einer Kommune aufzubauen. Die Akteure können sich regelmäßig über Fragen und Probleme, die ihr Leben in der Stadt betreffen, austauschen und mögliche Konflikte offen ansprechen und ausräumen. Die interreligiöse Kompetenz innerhalb der Stadtverwaltung wird durch die Runden Tische gestärkt und die Mitglieder der verschiedenen Glaubensrichtungen werden motiviert, sich für ihre Stadt zu engagieren“, so Minister Lucha.
Eberhard Stilz, Präsident der Stiftung Weltethos, begrüßte die Initiative des Ministers. „Durch die Runden Tische werden wir lernen, gut miteinander zu leben. Die Stiftung Weltethos bringt sich deshalb gerne in dieses Projekt mit ein. ‚Kein Friede zwischen den Nationen ohne Frieden zwischen den Religionen. Kein Friede zwischen den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen.‘ Das sind Kernsätze des Projekts Weltethos und das ist nach meinem Eindruck auch die Absicht des Runden Tischs der Religionen, den Sozial- und Integrationsminister Lucha in unserem Land initiiert hat.“
Impulsvorträge von Experten aus der Wissenschaft
Gastreferenten der ersten Sitzung des Runden Tisches waren Professor Hans Markus Heimann von der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung und Professor Hansjörg Schmid vom Schweizerischen Zentrum für Islam und Gesellschaft der Universität Fribourg. In zwei Impulsvorträgen informierten sie über verfassungsrechtliche Dimensionen im Verhältnis zwischen Staat und Religion in einem zunehmend multireligiös geprägten Land und über potenzielle Weiterentwicklungen und neue Ansätze im Bereich der Wohlfahrtspflege.
Professor Hans Markus Heimann zufolge bedarf es in Deutschland keines neuen religionsrechtlichen Systems und keiner speziellen ‚Religionsgesetze‘ für die Bewältigung aller neuen Herausforderungen durch Religion. „Der Schlüssel bleibt die grundgesetzlich geschützte Religionsfreiheit. Sie ist das entscheidende Instrument des demokratischen Rechtsstaats zur Bewahrung des religiösen Friedens in unserer religiös heterogenen Gesellschaft“, erklärte er.
Professor Hansjörg Schmid betonte, das historisch gewachsene System der Freien Wohlfahrtspflege dürfe nicht zu einem Verharren im Status quo führen, sondern verpflichte zur Weiterentwicklung entsprechend des gesellschaftlichen Wandels. „Alle Akteure müssen sich in einer Gesellschaft mit gewachsener Vielfalt bewegen: Etablierte Religionsgemeinschaften müssen Privilegien teilen, nicht-etablierte Religionen müssen sich mühsam Anerkennung erarbeiten. Der Politik kommt die Aufgabe zu, neue Formen der Kooperation zwischen Staat und Religionen im Bereich der Wohlfahrt zu entwickeln“, so Schmid.
Weitere Informationen
An der ersten Sitzung des Runden Tischs der Religionen Baden-Württemberg nahmen Vertreterinnen und Vertreter der christlichen Kirchen einschließlich der griechisch-orthodoxen, russisch-orthodoxen und der armenischen Gemeinden, die beiden jüdischen Religionsgemeinschaften im Land und die Landesvertretungen der Aleviten, der Ahmadiyya sowie der landesweit organisierten islamisch-sunnitischen Verbände teil. Auch Repräsentanten der säkularen Bürgergesellschaft wie des Humanistischen Verbandes Baden-Württemberg waren vertreten. Darüber hinaus waren kommunale Dialoginitiativen, fachlich berührte Ministerien sowie Expertinnen und Experten diverser Stiftungen und aus der Wissenschaft eingeladen.
Über 70 Prozent der baden-württembergischen Bevölkerung gehören einer Religionsgemeinschaft an.