Im Interview „3 Fragen – 3 Antworten“ hat sich Kultusministerin Susanne Eisenmann für flexible Angebote der Ganztagsbetreuung mit echten Wahlmöglichkeiten und weniger Organisationsaufwand ausgesprochen. Zudem will sie verbindliche Qualitätsstandards für alle Ganztagsschulen.
Die Ganztagsbetreuung ist Ihnen wichtig, das haben Sie mehrfach betont. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation im Südwesten?
Susanne Eisenmann: Wir haben in Baden-Württemberg mit der im Schulgesetz verankerten Ganztagsgrundschule ein gutes und durchdachtes Ganztagskonzept. Dennoch sehen wir, dass der Ausbau stockt. Die Anmeldezahlen zeigen uns, dass es nicht so läuft, wie von der Vorgängerregierung gewünscht. Das liegt vor allem an zwei Gründen: Erstens, viele Eltern wünschen sich stattdessen flexible Betreuungsangebote, und zweitens, der Organisationsaufwand für die Schulleitungen ist sehr hoch. Beiden Punkten wollen wir Rechnung tragen: Wir haben ein Konzept erarbeitet, das den Eltern eine echte Wahlmöglichkeit zwischen der rhythmisierten Ganztagsschule, einem flexiblen Betreuungsangebot oder einer Halbtagsschule bietet. Zum anderen erproben wir aktuell mit unserem Pilotprojekt Kommunale Koordinierungsstelle GTS/Betreuung gemeinsam mit den Kommunen, wie wir die Schulen bei der Verwaltung des Ganztags entlasten können, sodass sie sich auf ihre pädagogische Arbeit konzentrieren können. Außerdem kommen ab dem neuen Schuljahr weitere konkrete verwaltungstechnische Verbesserungen.
Das Modell „Verlässliche Kooperation“ von Städtetag und Kommunen will ja auch entlasten. Was halten Sie von diesem Konzept?
Eisenmann: Zunächst einmal freue ich mich über alle Vorschläge zum Abbau von Bürokratie und zur Vereinfachung. Ich finde auch das Modell gut. Unter anderem gefällt mir, dass Betreuungsfachkräfte längerfristig bei außerschulischen Partnern angestellt werden sollen. Das Modell ist vor allem hilfreich für die Kommunen und die außerschulischen Partner – es bietet Orientierung. Eine wirkliche Entlastung für die Schulleiter bedeutet es aber nicht. Zumal es noch einen Haken gibt: Der Städtetag möchte gerne die Lehrerwochenstunden, die die Schulen zum Teil für die Bezahlung von Angeboten außerschulischer Partner nutzen können, auch für die Finanzierung von Sachkosten verwenden. Das geht aber haushaltsrechtlich nicht.
Mir geht es vor allem darum, die Schulleitungen stärker zu entlasten – und unsere Vorschläge fußen, wie oben erwähnt, auf zwei Säulen: verwaltungstechnische Vereinfachungen und Koordinierungsstelle. Zu Punkt eins zählt, dass es kein aufwändiges Hin- und Herbuchen von Ganztagsschulmitteln mehr geben wird, dass die Ganztagsschulen mehr Zeit für ihre Schlussabrechnungen haben, dass es keine Vollprüfungen, sondern nur noch Stichproben geben wird, und dass die Schulleiter keine Einzelnachweise mehr für die Mittel erbringen müssen. Diese Entlastungen werde ich zum kommenden Schuljahr umsetzen. Bei der zweiten Säule nehmen kommunale Verwaltungsfachkräfte den Schulleitern Personal-, Planungs-, Abwicklungs- und Abrechnungsaufgaben ab. Das Land beteiligt sich hier an den Kosten. Dieses Pilotprojekt wird wissenschaftlich evaluiert und soll zum kommenden Schuljahr ausgeweitet werden. Ich freue mich, dass ich von den teilnehmenden Kommunen bisher sehr positive Rückmeldungen bekommen habe.
Das Pilotprojekt bringt quasi pädagogische und verwaltungstechnische Kompetenz zusammen.
Eisenmann: Genau. Und dadurch haben die Pädagogen mehr Kapazität für ihre Kernaufgabe, nämlich die Bildung und Betreuung. Hier entlasten wir also die Schulleiter und stärken damit gleichzeitig die Qualität der Ganztagsbetreuung. Wir vereinfachen nicht nur die Organisation, sondern wir berücksichtigen auch die Wünsche der Eltern nach mehr flexiblen kommunalen Betreuungsangeboten. Ich finde: Das stärkt Ganztag und Betreuung, weil die Familien mit schulischen und außerschulischen Angeboten mehr Flexibilität haben und besser auf ihre individuellen Bedürfnisse reagieren können. Außerdem liegt mir die Qualität des Ganztags am Herzen. Deshalb erarbeiten wir aktuell in Zusammenarbeit mit Professorin Dr. Anne Sliwka von der Universität Heidelberg Qualitätsstandards. Diese werden wir zum neuen Schuljahr für alle Ganztagsschulen verbindlich einführen. Von all dem profitieren am Ende die Kinder – und auf diesen liegt mein Augenmerk. Denn alle sollen die gleichen Startvoraussetzungen für ihren Bildungsweg haben.