Die Landesbehindertenbeauftragte Simone Fischer hat verschiedene Unternehmen und Menschen mit Behinderungen besucht. Durch den Austausch soll die Inklusion im Land weiter vorangetrieben werden.
Im Rahmen Ihrer Tätigkeit als Beauftragte der Landesregierung Baden-Württemberg für die Belange von Menschen mit Behinderungen hat Simone Fischer verschiedene Unternehmen, Insitutionen und Menschen mit Behinderungen im Land besucht. Dabei informierte sie sich unter anderem über die Bemühungen inklusiver Beschäftigung, barrierefreie Mobilität und die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen.
Als Landes-Beauftragte ist Simone Fischer dafür zuständig, die Interessen der Menschen mit Behinderungen in Baden-Württemberg zu vertreten und die Landesregierung zu beraten, wie die Inklusion, Teilhabe und Barrierefreiheit in Baden-Württemberg verbessert werden kann.
Anfang August besuchte Simone Fischer die diakonische Einrichtung Mariaberg. Die Bewohnerbeiräte der Wohnen plus-Standorte sowie der Werkstattrat der Mariaberger Werkstätten hatten im Vorfeld Fragen an die Landes-Beauftragte gesammelt.
Auf Vorschlag von Sozial-, Gesundheits- und Integrationsminister Manne Lucha und bestellt von Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist Simone Fischer seit Oktober 2021 im Amt. „Das ist Ziel ist es, eine Verbesserung für die Lebenswelt von Menschen mit Behinderung dort zu erreichen, wo sie leben. Man muss gleiche Bedingungen und Regeln erwarten können, egal, wo man ist“, erklärte sie den Anwesenden.
Gespräch mit Bewohner- und Werkstattrat
Von Seiten des Bewohnerbeirats trafen Sabrina Schneck und Elke Kalok auf die Landes-Beauftragte. Mit dabei waren außerdem die Werkstatträte Henry Timme und Stefan Ruber, Vorstand Rüdiger Böhm, die stelltretende Vorständin Cornelia Wanner, Leiterin der Stabsabteilung Recht, Qualität, Entwicklung, Katrin Lauhoff, Vertrauensperson des Bewohnerbeirats, sowie Dr. Hans Rebmann, stellvertretender Vorsitzender des Angehörigenbeirats.
Zwischen den Anliegen der Bewohnerinnen und Bewohner sowie den Werkstatt-Beschäftigten gab es einige Schnittmengen. Themen waren unter anderem ein Mindestlohn für die Beschäftigten der Werkstätten sowie eine an die Preissteigerungen angepasste Lohnerhöhung allgemein, was Werkstattratsvorsitzender Henry Timme betonte. Simone Fischer versprach, das Thema mitzunehmen: „Wir haben aktuell viele Krisen, die unser aller Aufmerksamkeit fordern. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass soziale Themen dabei nicht auf der Strecke bleiben“, so die Landes-Beauftragte. Auch eine Aufwandsentschädigung für das Ehrenamt als Rat oder Rätin wurde diskutiert, ebenso der teilweise mangelnde Kontakt zu rechtlichen (Berufs-)Betreuerinnen und Betreuer: „Gesetzliche Betreuer wechseln oft, teils ohne Absprache mit der betreuten Person. Der Klient sollte bei der Auswahl beteiligt werden“, so Henry Timme. Sabrina Schneck fragte nach den Rechten eines Bewohners, der ohne Zustimmung seines rechtlichen Betreuers nach Hamburg umziehen wolle. „Da muss man sicher die konkrete Situation genau kennen. Aber eins ist sicher: Das Recht und der Wunsch der betreuten Person steht immer an erster Stelle“, so Simone Fischer. Sie schlug vor, wenn man als betreute Person nicht weiterkommt, sollte man immer eine Vertrauensperson dazu nehmen, die auch vermitteln kann.
Am 17. August 2022 besuchte Simone Fischer gemeinsam mit Ulrike Wernert, Kommunale Beauftragte der Stadt Karlsruhe und Reimar Neumann, Kommunaler Beauftragter des Landkreises Karlsruhe das Unternehmen AfB Deutschland in Ettlingen.
Die AfB gGmbH ist das größte gemeinnützige IT-Unternehmen in Europa und hat ihren Heimat- und Stammsitz in Baden-Württemberg. Durch zertifiziertes IT-Remarketing trägt AfB dazu bei, Umweltressourcen einzusparen. An 20 Standorten in Deutschland, Österreich, Frankreich, der Schweiz und der Slowakei beschäftigt AfB rund 600 Mitarbeitende, davon 45 Prozent mit Behinderung. AfB bietet beispielhaft sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Inklusion auf dem Arbeitsmarkt
Bei einer Führung durch die Produktion erhielt die Landes-Beauftragte vielfältige Einblicke und sprach mit den Mitarbeitenden darüber, was ihnen bei der Inklusion am Arbeitsmarkt unter den Nägeln brennt. So ist es zum Beispiel von Belang, eine echte Chance zu erhalten, die Arbeitsstelle mit dem Öffentlichen Personennahverkehr barrierefrei erreichen zu können, weil viele sich umweltbewusst fortbewegen wollen oder keinen Führerschein haben. Die Mitarbeitenden berichteten von viel zu langen Bearbeitungszeiten beim Antrag auf den Schwerbehindertenausweis, der für die Bewilligung von Nachteilsausgleichen und Fördermittel eine zentrale Rolle spielt.
AfB zeigt, wie es zu schaffen ist, Fachkräfte mit Behinderungen zu gewinnen. Ein durchdachtes Konzept, das Know-How über Förder-Möglichkeiten für das Unternehmen und eine Person, die sich im Betrieb darum sowie um die Belange der Mitarbeitenden direkt kümmert, sind das A und O.
Im Gespräch ging es auch um die IT-Remarketingquote, die Schwerbehindertenquote von AfB, ihre Rolle als Ausbildungsbetrieb sowie die verstärkte Fachkräftesuche. AfB sucht deutschlandweit an mehreren Standorten nach neuen Mitarbeitenden und sagt: Bei uns steht der Mensch mit seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten im Fokus.
AfB gGmbH
Das Geschäftsmodell des IT-Refurbishers basiert auf langfristigen Partnerschaften mit mehr als 1.600 Unternehmen, Banken, Versicherungen und öffentlichen Einrichtungen. AfB übernimmt seit 2004 deren nicht mehr benötigte IT- und Mobilgeräte, löscht unwiderruflich die enthaltenen Daten, rüstet die Geräte auf, installiert neue Software und verkauft sie mit mindestens 12 Monaten Garantie hauptsächlich an Privatpersonen, gemeinnützige Organisationen und Schulen.
Für dieses Green-IT-Konzept wurde AfB unter anderem mit dem IT Distri Award Refurbishing & Remarketing 2022, mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2021 und als Leading Employer 2022 ausgezeichnet. AfB ist geprüft und zertifiziert vom TÜV Süd (ISO 9001, ISO 14001, ISO 27001), als Entsorgungsfachbetrieb und als Microsoft Authorized Refurbisher.
Am 25. August 2022 besuchte Simone Fischer die Gemeinnützige Werkstätten und Wohnstätten (GWW) GmbH in Böblingen. In der Logistikhalle des GWW-Werks in Böblingen-Hulb werden verschiedene Bauteile der Automobilindustrie vormontiert und in der richtigen Reihenfolge zum direkten Einbau ans Band des Kunden geliefert. Kleine, für den Besucher nicht auffallende Hilfsmittel, ermöglichen es den Mitarbeitenden an den verschiedenen Arbeitsplätzen zu arbeiten.
Andrea Stratmann, Geschäftsführerin, sagte: „Durch die Digitalisierung können mittlerweile viele Menschen sehr hochwertige Tätigkeiten ausführen, was ohne die technische Unterstützung nicht möglich war.“ Da diese Entwicklungen nicht immer im Alltag zu finden sind, habe sich im „Campus Mensch“ der GWW eine ideelle Gemeinschaft zusammengefunden, die bestmögliche Lösungen für Menschen mit Behinderung entwickeln und umsetzen. Die GWW hat sich zur Aufgabe gemacht, für behinderte Menschen in der Region, Arbeits- und Wohnplätze, in der für sie jeweils geeigneten Form, zu schaffen und die notwendigen Assistenz- und Förderleistungen bereitzustellen.
Inklusion auf dem Arbeitsmarkt fördern
So könne sich die Stiftung Zenit um Projektunterstützung bemühen und Innovationen anstoßen, die dann in der Eingliederungshilfe umgesetzt werden. Ebenso gehören die beiden Inklusionsunternehmen Femos und 1a Zugang zum Campus Mensch. Während bei Femos Menschen mit und ohne Behinderungen in vielfältigen Bereichen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sind, besteht der Schwerpunkt der 1a Zugang darin, passende Bildungsangebote zur Verfügung zu stellen. Menschen mit Behinderungen sollen damit auf ihrem Weg in eine selbstbestimmte Teilhabe optimal unterstützt werden.
Im Gespräch mit Menschen mit Behinderungen und den Vertretern der GWW machte sich Simone Fischer ein Bild über die Inklusionsbemühungen vor Ort. Zur Sprache kamen auch der Mindestlohn für Beschäftigte in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) sowie die Hindernisse, die Menschen mit hohem Assistenzbedarf gerade im Arbeitsleben erfahren. Sie erhalten seltener einen Zugang zu einem Arbeitsplatz in Unternehmen.
Fachkräftesicherung und Teilhabe
Die Beauftragte der Landesregierung Simone Fischer betonte: „Menschen mit Behinderungen sind wertvolle Fachkräfte in allen Unternehmen. Inklusion ist eine Chance zur Fachkräftesicherung, wer integriert, profitiert. Auch behinderte Menschen brauchen zeitgemäße Arbeitsbedingungen und einen angemessenen Lohn. Arbeit bedeutet Existenzsicherung, schafft Selbstwirksamkeit und Teilhabe. Ein inklusiver Arbeitsmarkt ist unser Ziel. Dafür müssen wir gemeinsam arbeiten. Damit dies möglich ist, müssen die Voraussetzungen verbessert werden und die Tür in den allgemeinen Arbeitsmarkt muss sich öffnen.“ Sie dankte für die wichtigen Gespräche und den guten Austausch mit den Menschen mit Behinderungen und den Mitarbeitenden der GWW, die sich auf den Weg gemacht haben, Inklusion selbstverständlich zu machen.
Am 2. September 2022 besuchte Simone Fischer zusammen mit Cindy Holmberg das Mobilitätsunternehmen Paravan GmbH. Im Anschluss tauschten sie sich mit Menschen mit Behinderungen in der Stadthalle in Burladingen aus.
„Mobilität ist die Grundlage von Teilhabe. Es ist von Bedeutung, mit Behinderung unabhängig und barrierefrei mobil sein zu können.“, so Simone Fischer. Die Paravan GmbH in Pfronstetten-Aichelau präsentierte individuell angepasste und innovative Lösungen für Menschen mit Mobiliätsbehinderungen. Diese sollen den Alltag erleichtern, Freiheit und Unabhängigkeit ermöglichen.
Individuelle barrierefreie Mobilitätslösungen
Die Landes-Beauftragte tauschte sich mit Junior-Chef Kevin Arnold und seinem Team über die Chancen und Herausforderungen der New Mobility für Menschen mit Behinderungen aus. Simone Fischer setzte sich spontan auch selbst hinters Lenkrad eines Fahrschulautos. Aufgrund ihrer Kleinwüchsigkeit ist dies nicht selbstverständlich. Ein Auto muss bisher immer individuell angepasst sein. Leih- oder Fahrschulautos sehen in der Regel diese Spontanität nicht serientypisch vor. Mit der Lenkung, Gas- und Bremsführung per Joystick ist es bei Paravan jedoch kein Problem, dass das Auto Menschen mit und ohne Behinderungen nutzen können. Die Sprachsteuerung von Blinker, Hupe, Sonnenblende und anderen Extras ist ein Service im Fahrzeug, kann für Car-Sharing-Firmen und nichtbehinderte Menschen ebenfalls von Interesse sein.
Simone Fischer zeigte sich beeindruckt vom vielseitigen Angebot des Unternehmens, das es sich zur Aufgabe gemacht habe, individuelle barrierefreie Mobilitätslösungen, am Menschen orientiert, zu schaffen. Die Landes-Beauftragte sagte: „Das autonome Fahren und die neuen Mobilitätskonzepte sind für Menschen mit Behinderungen von großem Belang. Sie bieten uns viele Chancen, um mobil sein zu können. „Neben technischer und digitaler Innovation braucht es allerdings auch eine Ladeinfrastruktur, die barrierefrei gestaltet ist. Ich würde mir vor allem wünschen, dass mehr barrierefreie Car-Sharing-Angebote selbstverständlich auf den Markt kommen und erhoffe mir viel von handbetriebenen Lösungen und ganz besonders vom autonomen Fahren.“
Gespräch über Barrierefreiheit, Inklusion und Teilhabe
In der Stadthalle in Burladingen sprachen Cindy Holmberg und Simone Fischer mit engagierten Menschen aus dem Zollernalbkreis über die Themen Barrierefreiheit, Inklusion und Teilhabe im ländlichen Raum.
Simone Fischer sagte: „Barrierefreiheit und Inklusion gelingen dort, wo die Menschen leben: In den Städten, Gemeinden und Landkreisen. Hier braucht es starke Netzwerke und Verbündete, um vor Ort miteinander Verbesserungen zu erreichen. Menschen mit Behinderungen müssen sich einbringen können, um unsere Gesellschaft mitzugestalten. Damit alle Menschen im Alltag gut klarkommen und teilhaben können, um ihre Besorgungen zu erledigen, das Kino oder Freunde zu besuchen, um in die Kita oder zur Schule zu gehen, zur Arbeit zu kommen oder eine Arztpraxis zu erreichen, benötigen sie barrierefreie Zugänge. Barrierefreiheit ist ein ‚Must have‘ und Qualitätsmerkmal unserer zeitgemäßen Gesellschaft.“
Quelle:
Die Beauftragte der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen / Mariaberg e. V. (vea)