Ministerpräsident Winfried Kretschmann will die Hilfe des Landes Baden-Württemberg im Nordirak fortsetzen. Die Unterstützung für Einheimische und Vertriebene schaffe Bleibeperspektiven, so Kretschmann im Interview mit der Schwäbischen Zeitung.
Schwäbische Zeitung: Baden-Württemberg engagiert sich seit einiger Zeit stärker als die anderen Bundesländer im Nordirak. Wie sieht das bisherige Fazit zu diesem Engagement aus?
Winfried Kretschmann: Die bisher angelaufenen Projekte laufen sehr gut. Wir sind zuversichtlich, dass sich die Situation für viele Menschen in der Region Dohuk dadurch verbessert und viele wieder eine Bleibeperspektive für sich und ihre Familien sehen.
Gibt es ein Prinzip, das das Land bei diesem Engagement verfolgt? Wie wird Baden-Württemberg dieses Engagement fortführen?
Kretschmann: Unser Engagement soll direkt den Menschen vor Ort zugutekommen – Einheimischen und Vertriebenen, das ist uns wichtig. Und uns liegen vor allem Projekte am Herzen, die möglichst schnell und unkompliziert eine Verbesserung der Situation bewirken. Denn die Menschen sehen für sich und ihre Familien nur eine Zukunft im Irak, wenn ihre Kinder die Schule besuchen können und wenn sie die Möglichkeit erhalten, sich eine eigene Existenz aufzubauen. Ich bin dankbar für den großen Einsatz, der bereits geleistet wird – zum Beispiel auch von den Leserinnen und Lesern, die im Rahmen der Weihnachtsaktion der „Schwäbischen Zeitung“ helfen.
Das Land engagiert sich auch im Studiengang Psychologie in Dohuk. Wie ist Ihre bisherige Bilanz dieses Projektes?
Kretschmann: Hier wurden unsere Erwartungen übertroffen! Die ersten 30 Studierenden arbeiten bereits jetzt in ihren Praxisphasen als Therapeuten unter Aufsicht in den Flüchtlingscamps. Im März 2020 wird ihre Ausbildung abgeschlossen sein. Ein Teil der Studierenden wird gleichzeitig als Dozenten ausgebildet werden, sodass wir hoffen, dass der Studiengang in Dohuk fortgesetzt werden kann. Wenn traumatisierten Menschen vor Ort geholfen werden kann, ist das auch eine wichtige Entwicklungs- und Friedensarbeit.
Baden-Württemberg ist für viele Jesiden zum bevorzugten Zufluchtsort geworden. Wie ist Ihre Bilanz zu diesem Engagement des Landes?
Kretschmann: Es zeigt sich, dass alleine schon der Aufenthalt in Baden-Württemberg enorm zur Stabilisierung der Frauen und Kinder beiträgt. Die Eingewöhnung in die sichere Umgebung gibt vielen nun die Kraft, eine Einzeltherapie zu beginnen, alleine zu wohnen oder sich um eine erfolgreiche Integration und anschließend um einen Arbeitsplatz zu bemühen. Besondere Freude machen uns die Kinder, deren Integrations- und Bildungsfortschritte beeindruckend sind. Diese Kinder wollen leben und die Chancen auf eine friedliche Zukunft ergreifen!
Die Fragen stellte Ludger Möllers.
Quelle:
Schwäbische Zeitung, 07.12.2017