Nach 126 Jahren sind die Familienbibel und Peitsche des Nama-Anführers Hendrik Witbooi wieder an den Staat Namibia übegeben worden. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer übergab die im Jahr 1893 von deutschen Truppen erbeuteten Gegenstände heute persönlich an Präsident Hage Geingob.
Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hat die von deutschen Truppen im Jahr 1893 erbeutete Familienbibel und Peitsche des Nama-Anführers Hendrik Witbooi (1830 bis 1905) heute an den Staat Namibia zurückgegeben. Die feierliche Zeremonie fand im Süden des Landes in Gibeon statt, dem Sitz der Familie Witbooi und Heimat vieler Nama-Stämme. Präsident Hage Geingob hat diese persönlich entgegengenommen in Anwesenheit des Gründungspräsidenten der Republik, Dr. Sam Nujoma, und dem ehemaligen Präsidenten Hifikepunye Pohamba, dem Parlamentspräsidenten Peter Katjavivi, der Premierministerin Saara Kuugongelwa-Amadhila sowie weiteren Mitgliedern der Regierung und des Parlaments, Vertreter der Herkunftsgesellschaft und der Familie Witbooi. An der Zeremonie haben rund 3.000 Menschen teilgenommen.
Kulturgüter für die junge Generation
„Es ist ein besonderer und bewegender, ein historischer Moment, dass wir heute die beiden Kulturgüter von nationaler Bedeutung an die Menschen in Namibia zurückgeben. Wir können Geschichte nicht ungeschehen machen, aber wir stellen uns unserer Verantwortung. Die koloniale Vergangenheit verbindet unsere Nationen, für Namibia auf besonders schmerzhafte Weise. Ich freue mich, dass ich heute die Bibel und Peitsche von Hendrik Witbooi zurück in seine Heimat bringen kann. Wir machen diese Rückgabe und diese feierliche Zeremonie zum Ausgangspunkt einer engen Partnerschaft für die Zukunft“, sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer in Gibeon. Besonders dankte die Ministerin der Familie Witbooi: „Ihre Anwesenheit bei dieser Zeremonie ist von größter Bedeutung. Die Delegation war nach ihrer Ankunft am Dienstag sehr berührt vom herzlichen Empfang durch Vertreter der Familie Witbooi am Flughafen.” Die Rückgabe ist die erste Restitution kolonialer Kulturgüter aus einem Museum in Baden-Württemberg. Die beiden Gegenstände waren 1902 als Schenkung in das heute von Land und Stadt Stuttgart getragene Linden-Museum gekommen.
Am Vortag waren Bibel und Peitsche in einer Prozession von Windhoek in den Süden Namibias gebracht worden, mit Stationen in Rehoboth, Kalkrand und Mariental. An allen Orten warteten Hunderte von Menschen aller Generationen, um Bibel und Peitsche zu begrüßen. „Es hat mich tief berührt zu sehen, welche Bedeutung diese beiden Kulturgüter für die Menschen in Namibia haben. Und ich entschuldige mich von Herzen dafür, dass sie ihnen so lange vorenthalten wurden”, so Bauer. In diesen Tagen, in Begegnungen und in Gesprächen sei eines besonders klar geworden: „Die junge Generation in Afrika möchte sich mit ihrer Geschichte beschäftigen und hat ein Recht auf ihre nationalen Kulturgüter“, betonte die Ministerin.
Debatte gehört mitten in die Gesellschaft
„Wichtig ist, dass die Kolonialzeit und das Thema Umgang mit unserem kolonialen Erbe nicht nur in Fachkreisen ankommt. Wir haben die Aufgabe, die Öffentlichkeit hier wie dort stärker noch als bisher zu informieren und einzubeziehen“, so die Ministerin. Von zentraler Bedeutung seien daher gut aufgearbeitete und präsentierte Sammlungen, die auch darüber informieren, was in Namibia und an anderen Orten geschehen sei, aber auch, das Thema Kolonialismus in den Schulunterricht aufzunehmen. „Wir wollen gemeinsam mit den namibischen Partnern unsere Kolonialgeschichte aufarbeiten. Deshalb ist die Rückgabe für uns nicht nur Blick in die Vergangenheit, sondern der Weg in die gemeinsame Zukunft: Mit der Namibia-Initiative verbinden wir unsere Archive, Museen und Universitäten über gemeinsame Projekte”, betonte Bauer.
„Transparenz und Offenheit sind zentral im Umgang mit unserem kolonialen Erbe. Dazu gehört auch, dass wir die Sammlungen in unserer Museen und Hochschulen systematisch aufarbeiten und die Ergebnisse online zugänglich machen“, sagte Ministerin Bauer zu. Dies werde Ausgangspunkt für weitere Dialoge und Zusammenarbeit sein.
Wissenschaftsministerium: Bilder der Reise zum Herunterladen