Antisemitismus ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das das demokratische Miteinander gefährdet und auch die Schulen im Land vor Herausforderungen stellt. Das Kultusministerium hat Lehrkräfte, Schulleitungen, Vertreter der Schulaufsicht, Schulsozialarbeiter und Schulpsychologen zu einem Fachtag zum Umgang mit Antisemitismus an Schulen eingeladen.
„Wahrnehmen – Benennen – Handeln“: Unter diesem Titel hat das Kultusministerium Lehrerinnen und Lehrer, Schulleitungen, Vertreter der Schulaufsicht, Schulsozialarbeiter und Schulpsychologen zu einem Fachtag zum Umgang mit Antisemitismus an Schulen ins Haus der Wirtschaft nach Stuttgart eingeladen. „Wir alle sind aufgefordert, Antisemitismus entschieden entgegenzutreten und wachsam gegenüber antisemitischen Tendenzen zu sein. Hier spielen die Schulen in unserem Land eine wichtige Rolle“, sagt Ministerin Dr. Susanne Eisenmann. Antisemitismus sei ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das das demokratische Miteinander gefährde und auch die Schulen in Baden-Württemberg vor Herausforderungen stelle. „Wir müssen im schulischen Alltag konsequent gegen antisemitische und diskriminierende Äußerungen und Handlungen vorgehen und dürfen nicht wegschauen. Deshalb unterstützen wir unsere Schulen dabei, gegen jede Form von Antisemitismus und Diskriminierung Widerstand zu leisten“, so Eisenmann.
Wie können Lehrkräfte Antisemitismus in seinen aktuellen Erscheinungsformen erkennen und professionell dagegen vorgehen? Diese Frage steht im Mittelpunkt und wird mit Fachleuten diskutiert, unter anderem mit der Vorstandsvorsitzenden der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, Prof. Barbara Traub, sowie Dr. Michael Blume, dem Antisemitismusbeauftragten des Landes. Mit der Veranstaltung möchte das Kultusministerium alle am Schulleben beteiligten Menschen unterstützen, einen kompetenten Umgang mit Antisemitismus zu finden. Ein wichtiger Beitrag zur Stärkung des pädagogischen Handelns ist die Handreichung „Umgang mit Antisemitismus an Schulen“, die aktuell in enger Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung (LpB) erarbeitet wurde und auf dem Fachtag erstmals vorgestellt wird. „Die Handreichung enthält fachdidaktische und pädagogische Grundlagen sowie konkrete Unterrichtsvorschläge. Unser Ziel ist, die Schulen bei der Bekämpfung von Antisemitismus wissenschaftlich fundiert und praxisnah zu unterstützen“, sagt Eisenmann. Die Handreichung steht den Schulen ab Herbst 2019 zur Verfügung.
Tipps für den schulischen Alltag in Workshops und Foren
Konkrete Anregungen und Hilfestellungen für den schulischen Alltag und die pädagogische Praxis bieten nachmittags verschiedene Foren und Workshops. Tami Rickert von der Bildungsstätte Anne Frank reflektiert und diskutiert gemeinsam mit Lehrkräften, wie Antisemitismus im Unterricht thematisiert werden kann. Sybille Hoffmann vom Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) und Felix Steinbrenner von der LpB stellen die Handreichung „Umgang mit Antisemitismus an Schulen“ sowie praxistaugliche Konzepte für Unterricht und Schulentwicklung vor. Prof. Michael Hermann vom Kultusministerium thematisiert die Gesamtstrategie des Kultusministeriums, antisemitischen Haltungen zu begegnen. Martin Ulmer von der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Gedenkstätteninitiativen Baden-Württemberg (LAGG) zeigt Chancen und Grenzen der Gedenkstättenpädagogik gegen Antisemitismus auf.
Gedenkstätten unverzichtbar für Auseinandersetzung mit Antisemitismus
Insbesondere die zahlreichen Gedenkstätten in Baden-Württemberg sind unverzichtbar für die pädagogische Auseinandersetzung mit dem Thema Antisemitismus. „Gedenkorte tragen zu einer lebendigen Erinnerungskultur bei. Sie machen die Geschichte des Nationalsozialismus, die für viele Schülerinnen und Schüler heute fern und abstrakt ist, greifbar und regen zum Nachdenken und zur kritischen Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit an“, betont Eisenmann. Im vergangenen Jahr hat Eisenmann eine Debatte angestoßen, wie Schulen und Gedenkstätten noch intensiver zusammenarbeiten können. „Wir habe viele Gespräche zu diesem Thema geführt. Mir war vor allem auch wichtig, die fachliche Expertise der Leiterinnen und Leiter der Gedenkstätten zu hören. Alle Überlegungen fließen nun in ein Konzept zur Stärkung der Gedenkstättenarbeit an Schulen, das wir derzeit erarbeiten“, sagt Susanne Eisenmann. Die Erinnerung an den Holocaust beziehungsweise an die Shoa ist für das Kultusministerium von großer Bedeutung. Alle Schulen des Landes sind aufgefordert, sowohl die Auseinandersetzung mit der Shoa als auch die Förderung des Zusammenhalts und des respektvollen Umgangs miteinander in ihrem Schulcurriculum zu verankern. Die Bildungspläne bieten hierfür zahlreiche Anknüpfungspunkte zur pädagogischen Auseinandersetzung.
Vorfälle nicht verschweigen – Meldepflicht für Schulen
Seit April 2018 müssen alle öffentlichen Schulen antisemitische oder andere religiös oder ethnisch begründete diskriminierende Vorfälle an Schulen an die Schulaufsichtsbehörden melden. „Um entschieden dagegen vorgehen zu können, dürfen solche Vorfälle nicht verschwiegen werden, sondern müssen konsequent aufgearbeitet werden, wenn notwendig auch mit strafrechtlichen Instrumenten“, so Eisenmann. Die gewonnenen Erkenntnisse erhält der Antisemitismusbeauftrage der Landesregierung, darüber hinaus sind sie Grundlage für die Entwicklung weiterer Hilfen für die Schulen. „Schulleiterinnen und Schulleiter sind wichtige Partner im Kampf gegen Antisemitismus. Wir unterstützen sie, das Thema zum Gegenstand von Gesprächen im Kollegium und schulinternen Fortbildungen zu machen“, so die Ministerin.
Diskriminierungskritische Schulkultur
Ziel ist, Vorurteile, Missverständnisse, Haltungen, die antisemitisch zu verstehen sind, so gut und so oft es geht mit pädagogischen Mitteln aufzuarbeiten - und dies nicht erst dann, wenn antisemitische Haltungen konkret offenbar werden. „Das ist ein Thema, das dauerhaft und in allen schulischen Kontexten im Blick behalten werden muss. Wir sensibilisieren hierfür die Schulleiterinnen und Schulleiter. Wir bilden hierfür die Lehrkräfte fort. Und wir unterstützen sie durch Handreichungen und Materialien“, sagt Eisenmann. Wichtig ist auch, einen diskriminierungskritischen Umgang insgesamt zum festen Bestandteil schulischer Kultur zu machen. Der Fachtag möchte hierzu ebenfalls einen Beitrag leisten, indem er den Schulen Austausch- und Vernetzungsmöglichkeiten bietet. So präsentieren zahlreiche Initiativen, Projekte und Institutionen ihre pädagogischen Angebote. Vertreten ist etwa das Schulnetzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, der Zentralrat der Juden in Deutschland mit dem Projekt „Likrat – Jugend & Dialog“, die Landeszentrale für politische Bildung mit dem Projekt „Team meX“, das Pädagogisch-Kulturelle Centrum Ehemalige Synagoge Freudental e.V., das Demokratiezentrum und das Kompetenzzentrum gegen Extremismus.