Der Fahrgastbeirat Baden-Württemberg berichtet über die Themen seiner letzten Sitzung. Dabei ging es etwa um das Insolvenzverfahren Abellio, die erste Klasse in den neu zu beschaffenden Doppelstockzügen sowie um Regeln zur Fahrradmitnahme.
Mit einer großen Bandbreite von Themen beschäftigte sich der Fahrgastbeirat Baden-Württemberg (FGB-BW) auf seiner letzten Sitzung im Sommer 2021: Koalitionsvertrag und öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV), Ergebnisse der Fahrgastbeteiligung 2021 (PDF), neue Doppelstock-Triebzüge, Fahrrad-Mitnahmeregeln und das Insolvenzverfahren Abellio. Die Themen wurden von Vertretern des Verkehrsministeriums beziehungsweise der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) vorgestellt und im Gremium diskutiert. Darüber hinaus berichteten die Mitglieder über aktuelle Entwicklungen in den jeweiligen Verkehrsverbünden.
Koalitionsvertrag 2021-2026 und ÖPNV
Als zentrales Ziel soll bis 2030 eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen im ÖPNV erreicht werden. Dazu soll zunächst ein Zielkonzept 2030 erarbeitet werden, das im Ballungsraum einen 15-Minuten-Takt, ansonsten einen 30-Minuten-Takt vorsieht. In einer Zwischenstufe soll der verdichtete Takt bis 2026 in der Hauptverkehrszeit landesweit realisiert sein. Im Rahmen einer „Mobilitätsgarantie“ soll ein verlässlicher Taktfahrplan flächendeckend gelten – in Räumen und Zeiten mit geringer Nachfrage gegebenenfalls auf Basis von On-Demand-Angeboten.
Die Einführung dieser Mobilitätsgarantie ist im Dialog mit den Kommunen geplant. Für die Finanzierung ist ein Mobilitätspass im Gespräch, dafür wurden drei Grundmodelle entwickelt, über deren Einführung die Kommunen entscheiden können.
Geplant ist als nächster Schritt die Einführung eines Jugendtickets für Schülerinnen und Schüler, Auszubildende, Freiwilligendienstleistende und Studierende als landesweite Netzkarte ab 2022 zu ermöglichen. Auf Nachfrage aus dem FGB-BW wurde konkretisiert, dass dieses Ticket auch für Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einem Freiwilligen Sozialen Jahr, Freiwilligen Ökologischen Jahr beziehungsweise Bundesfreiwilligendienst erhältlich sein soll.
Für die Umsetzung der Clean-Vehicle-Directive der Europäischen Union (PDF) im Schienenverkehr sind weitere Elektrifizierungen notwendig. Das Land hat dazu eine Umsetzungsstudie beauftragt, die für jede heute nicht-elektrifizierte Strecke das zukünftig optimale Antriebskonzept vorschlägt (Streckenelektrifizierung, batterieelektrische Fahrzeuge, Brennstoffzellenfahrzeuge).
Ergebnisse Fahrgastbeteiligung
Bei der Fahrgastbeteiligung an den Fahrplanentwürfen für 2022 haben sich 55 Personen mit 141 Vorschlägen beteiligt. Im Detail können die eingereichten Vorschläge und die Bewertung auf der Webseite der NVBW (PDF) nachgelesen werden:
44 Prozent der Vorschläge entfallen auf Anschlussbeziehungen und Zeitlagen von Zügen, 33 Prozent auf Zusatzhalte von Zügen, 13 Prozent auf zusätzliche Züge über den aktuellen Landesstandard hinaus. Über acht Prozent der Anträge betreffen den Busverkehr, für den die jeweiligen örtlichen Aufgabenträger zuständig sind. Die Fahrgastbeteiligung wurde auf Betreiben des FGB-BW erstmals 2013 eingeführt.
Neue Doppelstocktriebzüge
Über den Präsentationstermin zur Ausgestaltung der neu zu beschaffenden Doppelstocktriebzüge wurde berichtet. Der FGB-BW hatte sich an das Ministerium gewandt und die aus seiner Sicht ungenügende Qualität der dort geplanten ersten Klasse kritisiert. Generell fällt aus Sicht des FGB-BW die erste Klasse in den Nahverkehrszügen in Baden-Württemberg deutlich in Umfang und Komfort gegenüber der ersten Klasse in den anderen Bundesländern zurück.
Verkehrsministerium und NVBW haben die Kritik des FGB-BW zur Kenntnis genommen, wenngleich sie die Vorgaben bei den Doppelstockzügen auf einem hohen Standard sehen.
Fahrradmitnahme im SPNV
In den vergangenen Jahren wurde die Fahrradmitnahme im Schienenpersonennahverkehr in Baden-Württemberg vereinheitlicht. Kostenpflichtig ist die Radmitnahme montags bis freitags zwischen sechs und neun Uhr. Zu den anderen Zeiten ist die Radmitnahme kostenlos. Dieser Landesstandard gilt inzwischen nahezu landesweit. Frühere weitergehende Einschränkungen wurden seit 2016 schrittweise abgebaut. Derzeit ist der Landesstandard fast vollständig umgesetzt, Sonderregelungen gibt es unter anderem bei den Gäubahn-ICs.
Von Seiten des FGB-BWs wurde aufgrund der starken Bautätigkeit die überwiegend fehlende Radmitnahme im Schienenersatzverkehr (SEV-Busse) thematisiert. Aktuell sehen die SEV-Verträge keine Radmitnahme vor, außerdem sei die Radmitnahme meist technisch schwer umsetzbar. Es wurde aber in diesem Sommer verstärkt auch hierauf geachtet. Eine weitere Frage betraf die Radmitnahme bei Nutzung des Baden-Württemberg-Tickets auf Strecken in Bayern. In Bayern ist die Radmitnahme grundsätzlich kostenpflichtig, der dortige Aufgabenträger verfolgt bezüglich der Radmitnahme eine andere Strategie als Baden-Württemberg. Das Thema wird mit Bayern nochmals diskutiert.
Schutzschirmverfahren Abellio
Abellio erbringt in Baden-Württemberg Verkehrsleistungen auf den Strecken Pforzheim/Heidelberg-Stuttgart und Mannheim-Heilbronn-Stuttgart-Tübingen. Aufgrund von hohen laufenden Verlusten im Deutschland-Geschäft befindet sich Abellio im Insolvenzverfahren.
Hintergründe für die Verluste sind unter anderem Mehrkosten durch Bautätigkeiten (zum Beispiel Schnellfahrstreckensperrung 2020), Pönalen für Fremdverschulden oder Personalkostensteigerungen durch mehr Freizeitausgleich. Das Verkehrsministerium führt Verhandlungen mit dem Ziel, die von Abellio bedienten Verkehre und die Arbeitsplätze zu sichern.
Fahrgastbeirat Baden-Württemberg
Der Fahrgastbeirat für den vom Land Baden-Württemberg bestellten SPNV vertritt die Interessen der SPNV-Nutzer. Er ist ein beratendes Gremium und stellt das Bindeglied zwischen den Fahrgästen und dem Land Baden-Württemberg als Aufgabenträger für den SPNV dar. Er ist unabhängig und kein Organ des Landes oder der NVBW.