Kunststaatssekretärin Petra Olschowski hat dem Dramatiker Ror Wolf in Stuttgart den Schiller-Gedächtnis-Preis des Landes Baden-Württemberg verliehen. Der mit 25.000 Euro dotierte Preis würdigt das schriftstellerische Gesamtwerk Wolfs und ehrt ihn für sein solitäres, faszinierend vielfältiges Schaffen. Fördergaben über je 7.500 Euro erhielten die Dramatiker Miroslava Svolikova und Stefan Hornbach. Die Entscheidung wurde von einer unabhängigen Jury unter Vorsitz der Kunststaatssekretärin getroffen.
„Mit Ror Wolf ehren wir einen Sprachvirtuosen, der sich in seinem Werk gleichermaßen scharfsinnig wie poetisch zwischen allen Genres bewegt. Seine Arbeiten sind von einer großen kreativen Vielfalt geprägt“, sagte Staatssekretärin Petra Olschowski. Der Autor agiere in Grenzbereichen der Literatur, nähere sich anderen Sparten an und überschreite Trennendes – das mache ihn besonders interessant.
Die Verbindung zum Namensgeber Friedrich Schiller lasse sich auf Wolfs Weg zur persönlichen Freiheit herstellen, denn Wolf blieb das Studium in der DDR verwehrt. Erst nach seiner Flucht 1953 konnte der Schriftsteller und Künstler die Freiheit von Kunst und Kultur erfahren, so Olschowski. „Der Lebensweg Ror Wolfs macht uns einmal mehr bewusst, was für ein kostbares Gut die Kunstfreiheit ist, denn diese Freiheit ist nicht selbstverständlich“, sagte Olschowski.
Da Wolf selbst aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Preisverleihung teilnehmen konnte, wurde die Auszeichnung, auf seinen Wunsch hin, von Schauspieler und Sprecher Christian Brückner entgegen genommen. Im Rahmen der Preisverleihung las Brückner mehrere Texte von Wolf.
Die beiden Fördergaben des Schiller-Gedächtnis-Preises seien Teil der Bemühungen des Landes, das deutsche Gegenwartstheater zu unterstützen, betonte die Staatssekretärin. „Die Jury lobt den eigensinnig poetischen und sprachlich feinen Stil von Miroslava Svolikovas Stücken und theatralen Skizzen, den sie mit scharfen politischen Beobachtungen verbindet“, sagte die Staatssekretärin. Stefan Hornbachs Werke seien von Einfühlsamkeit, schlüssig strukturierter Dramaturgie und einer gute Portion schwarzen Humors geprägt. „Hornbach beschreibt damit die Suche der Generation der Jungen nach einem Platz in einem Dorf, im Leben und in der Welt“, unterstrich Olschowski.
Der Schiller-Gedächtnis-Preis ist der bedeutendste Literaturpreis des Landes Baden-Württemberg und zählt zu den wichtigsten Literaturpreisen in Deutschland. Die Auszeichnung wurde 1955, drei Jahre nach der Landesgründung, als Zeichen des Andenkens an Friedrich Schiller zu dessen 150. Todestag gestiftet. Er wird alle drei Jahre an verdiente deutschsprachige Literaten verliehen. Der Preis besteht aus einem Ehrenpreis für hervorragende deutschsprachige Autoren und zwei Förderpreisen für junge Dramatiker. Zu den bisherigen Preisträgern gehören u.a. Max Frisch, Christa Wolf, Friedrich Dürrenmatt, Käte Hamburger, Peter Handke, Botho Strauß und Rainald Goetz.
Die ausgezeichneten Persönlichkeiten
Ror Wolf, geboren 1932 in Saalfeld/Thüringen. Nach dem Abitur 1951 lehnte man seine Bewerbungen zum Studium ab. Er arbeitete zwei Jahre als Betonbauer und verließ im August 1953 die DDR. Von 1954 bis 1961 studierte er Literaturwissenschaft, Philosophie und Soziologie in Frankfurt am Main, Hamburg und wieder in Frankfurt (unter anderem bei Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Walter Höllerer). Ab 1957 veröffentlichte er in der Frankfurter Studentenzeitung Diskus Prosa, Gedichte, Bildcollagen, Aufsätze und Kritiken. Von 1959 bis 1963 leitete er das Feuilleton des Diskus. 1961 bis 1963 war er Literaturredakteur beim Hessischen Rundfunk und verantwortlich für das Studio für neue Literatur. Im Herbst 1963 zog er es vor, sein Leben als freier Autor fortzusetzen. Sein erstes Buch erschien 1964, darauf folgten zahlreiche Lyrik- und Prosabände, Hörspiele und Collagen. Seine Werke sind in all ihren Variationen ebenso spielerische wie abgründige Auseinandersetzungen mit der Realität. Sie sind artistisch und unterhaltsam zugleich und dabei geprägt von einer tiefen Musikalität.
Ror Wolf wurde vielfach ausgezeichnet und erhielt nicht zuletzt für seine außer-gewöhnlichen Hörspiele und Radio-Collagen bei Kritik und Publikum große Anerkennung. Seit 1990 lebt er in Mainz.
Miroslava Svolikova, geboren 1986 in Wien, studierte Philosophie in Wien und Paris sowie Bildende Kunst an der Akademie der bildenden Künste Wien. Sie erarbeitete verschiedene Ausstellungen und ein Musikprojekt. 2010 veröffentlichte sie erste Beiträge in Literaturzeitschriften. 2012 stand sie auf der shortlist beim ZeitCampus Literaturwettbewerb. 2015 war sie Gewinnerin des Retzhofer Dramapreises (dotiert mit 4.000 Euro) und Teilnehmerin am FORUM Text 2016-2018. Ebenso Zweitplatzierung beim exil-Literaturpreis, shortlisted beim Walter Kempowski-Förderpreis und Zuerkennung des literar mechana DramatikerInnenstipendiums. 2016 war sie beim Dramatikerfestival Graz eingeladen. Im gleichen Jahr erfolgte die Uraufführung des Stücks die hockenden am Burgtheater Wien im Rahmen des Hans-Gratzer-Stipendiums (5.000 Euro einmalig, Autorenförderung des Schauspielhauses Wien) sowie dessen deutsche Erstaufführung am Schauspiel Leipzig. Von 2016-18 Teilnahme am Forum Text, Lehrgang für szenisches Schreiben von UniT. Miroslava Svolikova lebt in Wien.
Stefan Hornbach, geboren 1986 in Speyer. Studium der Theaterwissenschaft, Psychologie und Neuere deutsche Literatur in München, anschließend Schauspiel an der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Als Autor war er 2013 Finalist beim open mike in Berlin und 2015 beim Autorenwettbewerb der Theater St. Gallen und Konstanz. 2015 gewann er mit seinem Theaterstück „Über meine Leiche“ den Osnabrücker Dramatikerpreis. 2016 folgte eine Einladung zum Heidelberger Stückemarkt und zu den Autorentheatertagen ans Deutsche Theater Berlin, wo das Stück in einer Produktion des Burgtheaters Wien als Voraufführung zu sehen war. Die offizielle Uraufführung am Theater Osnabrück sowie die österreichische Erstaufführung in Wien werden folgen. Als Schauspieler stand Hornbach u.a. am Schauspiel Stuttgart, am Theater Rampe Stuttgart und zuletzt am Theater Drachengasse in Wien auf der Bühne. Das zusammen mit zwei Co-Autorinnen entwickelte Kurzstück „YOU'RE JUST JEALOUS“ erhielt den Publikumspreis des Newcomer-Wettbewerbs. Seit 2013 ist Stefan Hornbach Teil des Theater- und Filmkollektivs KOLLEKTIV EINS.