Forschung

Rechtsextremismus erforschen und dokumentieren

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Ein Mitarbeiter des Generallandesarchivs Karlsruhe nimmt eine Akte aus einem Regal.
Symbolbild

Die Dokumentationsstelle Rechtsextremismus am Landesarchiv und das Institut für Rechtsextremismusforschung der Universität Tübingen haben erstmals gemeinsam aktuelle Ergebnisse ihrer Arbeit vorgestellt. Baden-Württemberg leistet Pionierarbeit in der Rechtsextremismusforschung und stärkt damit auch die Demokratie.

Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus sind eine zunehmende Gefahr für unsere demokratische Gesellschaft. Mit der Dokumentationsstelle Rechtsextremismus (DokRex) am Landesarchiv Baden-Württemberg und dem bundesweit ersten universitären Institut für Rechtsextremismusforschung der Universität Tübingen (IRex) hat Baden-Württemberg zwei Einrichtungen etabliert, deren Analysen und Empfehlungen von grundlegender Bedeutung sind, um diese gesamtgesellschaftliche Herausforderung anzugehen. Zum ersten Mal haben sie gemeinsam aktuelle Ergebnisse ihrer Arbeit vorgestellt.

Pionierarbeit im Bereich der Rechtsextremismusforschung

„Beide Einrichtungen zusammen sind ein wichtiges Instrumentarium zum richtigen Zeitpunkt, um mit wissenschaftlichem Ansatz und zugleich im Miteinander mit Bürgerinnen und Bürgern jenen zu begegnen, die unsere Demokratie missbrauchen wollen, um sie abzuschaffen. Baden-Württemberg leistet mit den beiden Säulen Dokumentation und Forschung Pionierarbeit im Bereich der Rechtsextremismusforschung – und damit auch einen wirkungsvollen Beitrag zur Stärkung der Demokratie“, sagte Wissenschaftsministerin Petra Olschowski am Mittwoch, 24. Juli 2024, in Stuttgart.

„Wir sind davon überzeugt, dass wir dem Rechtsextremismus gerade auch mit fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen wirksam begegnen müssen. Es geht darum, die Logiken, die dahinterstecken und oft lange Traditionslinien haben, zu verstehen. Das gilt für Baden-Württemberg, Deutschland und auch darüber hinaus für die europäischen und internationalen Netzwerke“, so die Ministerin weiter.

Neue Studie zu Raumkonstruktionen extrem rechter Parteien

In einer explorativen Studie hat das Institut für Rechtsextremismusforschung (IRex) die Raumvorstellungen extrem rechter Parteien in Deutschland untersucht. Die Ergebnisse der Studie bestätigen eindrücklich, welche Relevanz Raum und Raumkonstruktionen für die extreme Rechte auch heute noch haben – und dass diese in Partei- und Wahlprogrammen extrem rechter Parteien einen zentralen Stellenwert einnehmen. Typisch für diese, so die Erkenntnisse der Forscherinnen und Forscher, sei die Verbindung von Begriffen wie Nation, Kultur und Lebensweise. Diese prägen im Verständnis der extremen Rechten ein homogenes Volk, das in der Heimat und Landschaft verwurzelt ist. 

„Die extreme Rechte spielt gekonnt mit den Ängsten und Sorgen der Menschen. Sie verbindet ihr national und völkisch aufgeladenes Verständnis von Heimat mit Bedrohungsfantasien und will so Unterstützung mobilisieren – gegen die Regierung, gegen Pluralismus, gegen Migrantinnen und Migranten“, sagte Dr. Rolf Frankenberger, wissenschaftlicher Leiter des IRex. 

Wie Analysen von Wahlergebnissen der Bundestagswahlen 2021 sowie der Europa- und Kommunalwahlen 2024 zeigen, verfangen diese Thesen regional und lokal unterschiedlich. Und doch gibt es Muster: „Dort, wo urbane und rurale Lebenswelten aufeinandertreffen, wird das Trennende sichtbar. Es entstehen Differenzerfahrungen. Diese werden von der extremen Rechten aufgegriffen, instrumentalisiert und als politische Konflikte inszeniert“, so Rolf Frankenberger. Hier verfestigen sich auch die Konfliktlinien zwischen kosmopolitischen und traditionellen Lebenswelten und zeigen sich in räumlichen Mustern bei den Wahlergebnissen.

Dokumentationsstelle widmet sich künftig verstärkt Antisemitismus

Mit dem zunehmenden Antisemitismus beschäftigt sich die neue Ausgabe des Journals RECHTS.GESCHEHEN, das die Dokumentationsstelle DokRex herausgibt und in dem aktuelle Themen, historisch prägende Ereignisse und die Ergebnisse der systematischen Auswertung der Aktivitäten vom rechten Rand bis zu rechtsextremen Netzwerken veröffentlicht werden. Künftig soll das Thema Antisemitismus eine ständige Rubrik in der Publikation erhalten.

„In den letzten Jahren hat eine gewaltige Radikalisierung stattgefunden – Stichworte liefern militante Corona-Leugner, rechtsterroristische Reichsbürger und Neonazi-Parteien wie die Freien Sachsen. Beim Antisemitismus gibt es eine wachsende Schnittmenge zwischen Rechtsextremisten und der Mitte der Gesellschaft. Auch finden wir in Teilen der ,antiimperialistischen‘ Linken und bei islamistischen Extremisten ganz klar antisemitische Einstellungen und Aktionen“, sagte Prof. Dr. Wolfgang Zimmermann, Leiter des Generallandesarchivs Karlsruhe und kommissarischer Leiter der Dokumentationsstelle Rechtsextremismus. Diese gilt als eines der größten Archive zum Rechtsextremismus in Deutschland. 

Landesarchiv stellt Unterrichtsmaterialien und Recherchehilfen bereit

„Nicht nur der zunehmende Antisemitismus macht uns Sorgen, sondern auch das Schweigen der Mehrheitsgesellschaft dazu“, ergänzte Prof. Dr. Gerald Maier, Präsident des Landesarchivs Baden-Württemberg. „Deshalb ist es notwendig, die politische Bildung zu intensivieren.“ Das Landesarchiv unterstütze dies mit der Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien und Recherchehilfen.

Strahlkraft und Stärke aus der Kooperation 

„Beide Stellen ergänzen sich perfekt in ihrer Expertise und verstärken sich durch ihre hohe Transferorientierung. Mit der weiteren Intensivierung der Zusammenarbeit haben wir in Baden-Württemberg wirkungsvolle Strukturen geschaffen, die die dauerhafte Bearbeitung des Themas Rechtsextremismus und die historisch-politische Bildungsarbeit hierzu weiter vorantreiben“, sagte Ministerin Olschowski.

Besonders freue sie sich, dass ganz aktuell die drei Professuren in den Bereichen Medienwissenschaft, Politikwissenschaft und im Bereich Erziehungswissenschaft am IRex besetzt werden konnten: „Dass wir hier drei international renommierte Forscherinnen gewinnen konnten, die aus ganz unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungszusammenhängen das Thema beleuchten, ist ein großer Gewinn für Forschung und Lehre im Bereich der Rechtsextremismusforschung“, sagte Wissenschaftsministerin Petra Olschowski.

Das Wissenschaftsministerium unterstützt beide Einrichtungen finanziell und strukturell. Die Einrichtung von Dokumentations- und Forschungsstelle war eine zentrale Empfehlung aus dem zweiten NSU-Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags. Die beiden Einrichtungen sind durch einen Kooperationsvertrag verbunden.

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