Beim Herunterfahren des Block 2 des Kernkraftwerks Philippsburg kam es zum Ansprechen des Überspeisungsschutzes eines Dampferzeugers. Das Ereignis hat keine oder eine sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung.
Als Reaktion auf Schäden an Turboladern von Notstromdieselmotoren hat die EnBW Kernkraft GmbH am 5. Juni 2019 Block 2 des Kernkraftwerks Philippsburg heruntergefahren (Bericht des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft zum meldepflichtigen Ereignis „Nichtverfügbarkeit von zwei Notstromdieselaggregaten“ vom 5. Juni 2019 im Kernkraftwerk Philippsburg, Block 2 (KKP 2) (PDF)). Die Wärmeabfuhr erfolgte dabei über die Dampferzeuger. Der Füllstand der Dampferzeuger wurde über verschiedene Regelventile gesteuert. Bei geringer Reaktorleistung werden die für den Leistungsbetrieb zuständigen Volllastregelventile geschlossen und die Regelung des Füllstands erfolgt über die sogenannten Schwachlastregelventile. Bei einem Dampferzeuger wurde trotz des signalisierten geschlossenen Zustands des Volllastregelventils Speisewasser in den Dampferzeuger gelassen, wodurch dieser zu stark bespeist wurde. Die Schichtmannschaft hat daraufhin die in Reihe zu den Regelventilen geschalteten Absperrarmaturen geschlossen. Während diese geschlossen wurden, stieg der Füllstand des Dampferzeugers weiter an, woraufhin der Reaktorschutz einen ZU-Befehl für die Absperrarmaturen ausgelöst hat.
Einstufung durch den Kraftwerksbetreiber: Meldekategorie N (Normalmeldung); INES: 0 (keine oder sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung).
Maßnahmen des Kraftwerksbetreibers
Der Betreiber hat eine Absperrarmatur der Dampferzeugerbespeisung in geschlossenem Zustand blockiert und die Ursachenklärung eingeleitet, um geeignete Reparaturmaßnahmen durchführen zu können.
Bei der Regelung der Dampferzeugerbespeisung handelt es sich um ein betriebliches System. Dass sich die Volllastregelung für die zum Zeitpunkt des Ereignisses vorliegende geringe Reaktorleistung (unter 5 Prozent) nicht genügend weit herunterregeln lies, hatte für den Leistungsbetrieb und die Störfallbeherrschung keine Bedeutung. Die Überspeisung des Dampferzeugers wurde durch die Absperrarmaturen verhindert. Die drei anderen Dampferzeuger standen für die Nachwärmeabfuhr zur Verfügung. Die sicherheitstechnische Bedeutung des Ereignisses ist daher gering. Die Meldepflicht ergibt sich daraus, dass der Reaktorschutz aufgrund des Überschreitens eines Grenzwerts für den Dampferzeugerfüllstand angesprochen hat. Es ergaben sich keine Auswirkungen auf Personen oder die Umwelt.
Meldekategorien
Die für die kerntechnische Sicherheit bedeutsamen Ereignisse sind den atomrechtlichen Aufsichtsbehörden der Länder nach den bundeseinheitlichen Kriterien der Atomrechtlichen Sicherheitsbeauftragten- und Meldeverordnung (AtSMV) zu melden. Ziel des Meldeverfahrens ist, den Sicherheitsstand der Kernkraftwerke zu überwachen, dem Auftreten ähnlicher Fehler in anderen Kernkraftwerken vorzubeugen und die gewonnenen Erkenntnisse in sicherheitstechnische Verbesserungen einfließen zu lassen.
Die meldepflichtigen Ereignisse sind unterschiedlichen Kategorien zugeordnet (Erläuterungen zu den Meldekriterien für meldepflichtige Ereignisse):
- Kategorie S (Unverzügliche Meldung): Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde unverzüglich gemeldet werden müssen, damit sie gegebenenfalls in kürzester Frist Prüfungen einleiten oder Maßnahmen veranlassen kann. Hierunter fallen auch die Vorkommnisse, die akute sicherheitstechnische Mängel aufzeigen.
- Kategorie E (Meldung innerhalb von 24 Stunden): Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde binnen 24 Stunden gemeldet werden müssen, damit sie gegebenenfalls in kurzer Frist Prüfungen einleiten oder Maßnahmen veranlassen kann. Hierunter fallen auch die Ereignisse, deren Ursache aus Sicherheitsgründen in kurzer Frist geklärt und gegebenenfalls in angemessener Zeit behoben werden muss. In der Regel handelt es sich dabei um sicherheitstechnisch potentiell – aber nicht unmittelbar – signifikante Ereignisse.
- Kategorie N (Meldung bis zum fünften Werktag): Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde innerhalb von fünf Werktagen gemeldet werden müssen, um eventuelle sicherheitstechnische Schwachstellen frühzeitig erkennen zu können. Dies sind in der Regel Ereignisse von geringer sicherheitstechnischer Bedeutung, die über routinemäßige betriebstechnische Einzelereignisse bei vorschriftsmäßigem Anlagenzustand und -betrieb hinausgehen. Unverfügbarkeiten von Komponenten/Systemen, die durch im Betriebshandbuch spezifizierte Prozeduren temporär beabsichtigt herbeigeführt werden, sind nicht meldepflichtig, wenn dies auch in der Sicherheitsspezifikation des Betriebshandbuches entsprechend berücksichtigt ist.
Internationale Bewertungsskala INES
Aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Betreibern der Kernkraftwerke und dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit werden meldepflichtige Ereignisse in Kernkraftwerken auch nach der Bewertungsskala INES (International Nuclear and Radiological Event Scale) der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) und der Nuklearenergie-Agentur (NEA) der OECD bewertet. Sie hat eine rasche und für die Öffentlichkeit verständliche Bewertung eines Ereignisses zum Ziel.
Die Skala umfasst sieben Stufen:
- Störung
- Störfall
- ernster Störfall
- Unfall mit örtlich begrenzten Auswirkungen
- Unfall mit weitergehenden Auswirkungen
- schwerer Unfall
- katastrophaler Unfall
Meldepflichtige Ereignisse, die nach dem INES-Handbuch nicht in die Skala (1 bis 7) einzuordnen sind, werden unabhängig von der sicherheitstechnischen Bedeutung nach nationaler Beurteilung der „Stufe 0” zugeordnet.