Nach einem erfolgreichen Pilotprojekt startet landesweit ein Projekt zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen. In dem neuen Konzept geht es darum, unnötige Hafttage zu vermeiden und der Staatskasse viel Geld zu sparen.
Nach einem erfolgreichen Pilotprojekt des Ministeriums der Justiz und für Europa mit den Staatsanwaltschaften Mannheim und Tübingen sowie den Einrichtungen der Bewährungs- und Gerichtshilfe Baden-Württemberg (BGBW) in Mannheim und Reutlingen haben nun alle Staatsanwaltschaften und BGBW-Einrichtungen im Land mit einem Projekt zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen begonnen. Ziel des Projektes ist es, im direkten Kontakt mit bis zu zwei Hausbesuchen die häufig in ihrer Lebenssituation überforderten Geldstrafenschuldner über die Möglichkeit von Ratenzahlungen und Ableistung gemeinnütziger Arbeit zu informieren und so die Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe zu vermeiden. Diese Menschen wurden zwar „lediglich“ zu Geldstrafen verurteilt, wenn sie diese jedoch nicht bezahlen, müssen sie dennoch Ersatzfreiheitsstrafen in Justizvollzugsanstalten antreten. Dies ist für den Staat mit Kosten in Höhe von circa 100 Euro pro Hafttag verbunden.
Unnötige Hafttage vermeiden und der Staatskasse viel Geld sparen
Minister der Justiz und für Europa Guido Wolf sagte: „Die Betroffenen wurden von den Gerichten gerade nicht zu Freiheitsstrafen verurteilt, dennoch drohen am Ende Gefängnisstrafen. In letzter Konsequenz ist das natürlich auch richtig und unverzichtbar. Dennoch sind die kurzen Gefängnisaufenthalte oft mit weitreichenden Folgen für die Betroffenen und mit enormen Kosten für den Staat verbunden. Das neue Konzept, das jetzt landesweit startet, setzt daher an dem richtigen Punkt an: Es geht darum, unnötige Hafttage zu vermeiden und der Staatskasse viel Geld zu sparen. Oftmals zahlen die Menschen aus reiner Überforderung oder aus Unkenntnis der Tilgungsmöglichkeiten nicht. Es ist daher richtig, diesen Menschen, die oft unabhängig von ihrer Verurteilung in einer schwierigen Lebenssituation sind, nochmals die Möglichkeit zu geben, die Ersatzfreiheitsstrafe abzuwenden.“
Nach der Konzeption werden neben der Beratung im Gespräch mit den Gerichtshelferinnen und Gerichtshelfern bereits schriftliche Tilgungsvereinbarungen mit den Klientinnen und Klienten geschlossen, die anschließend mit einem kurzen Bericht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden. Zu dem jeweiligen Zahlungstermin erfolgt dann noch eine Zahlungserinnerung durch die Gerichtshelferinnen und Gerichtshelfer. In der Pilotphase konnte in 296 von 504 beauftragten Fällen eine Tilgungsvereinbarung – gerichtet entweder auf Ratenzahlung oder Ableistung gemeinnütziger Arbeit – abgeschlossen werden. Nach den Rückmeldungen der Pilotstaatsanwaltschaften konnten bis zum Stichtag durch geleistete Ratenzahlungen und gemeinnützige Arbeit bereits 2.940 Hafttage vermieden werden. Das Projekt ist nun landesweit angelaufen.
Positive Bilanz des Projektes in Tübingen und Mannheim
Christian Ricken, Vorstand für sozialarbeiterische Leistungen und Organisation der Einrichtungen der Bewährungs- und Gerichtshilfe Baden-Württemberg (BGBW), zieht eine positive Bilanz des Projektes in Tübingen und Mannheim: „Im Verlauf des Pilotprojektes haben wir die Erfahrung gemacht, dass die nicht gezahlten Geldstrafen meist Resultat von Überforderungen sind und keine Verweigerungshaltung darstellen. Das Projekt macht Sinn, weil im Falle eines erfolgreichen Verlaufs und angesichts voller Haftanstalten auch der Justizvollzug massiv profitiert und die Haftplätze für die bereitstehen, die tatsächlich zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Wir evaluieren das Projekt fortlaufend, um die Prozesse im Sinne eines langfristigen Erfolgs weiter zu optimieren.“
Für das Projekt hat das Ministerium der Justiz und für Europa gemeinsam mit den Pilotstaatsanwaltschaften Mannheim und Tübingen sowie den BGBW-Einrichtungen in Mannheim und Reutlingen Zielgruppen definiert und Ausschlusskriterien festgelegt. Der Gerichtshilfeauftrag wird durch die Staatsanwaltschaft erteilt, wenn seitens des Geldstrafenschuldners zwei Wochen nach Erhalt der mit einem Hinweis auf die Möglichkeit der Ableistung gemeinnütziger Arbeit verbundenen Ladung zum Strafantritt keine Reaktion erfolgt.