Mit Einführung einer „Mikrofinanzierung“ will das Wirtschaftsministerium einem Marktversagen in der Finanzierung von Soloselbständigen und kleinen Start-ups in der frühen Gründungsphase entgegenwirken.
„Baden-Württemberg ist bereits ein attraktiver Standort für Start-ups und traditionell ein Land der Tüftler, Denker und Existenzgründungen. Doch damit können und wollen wir uns nicht zufrieden geben. Unser Ziel ist es, die Rahmenbedingungen für innovative Gründungen noch weiter zu verbessern und Baden-Württemberg zu einer der gründerfreundlichsten Regionen Europas zu machen“, erklärte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut bei der Vorstellung der neuen Mikrofinanzierung.
„Wir werden künftig noch stärker als bislang auch die Gründung von Einzel- und Kleinstunternehmen unterstützen. Sie tragen insbesondere im Handwerk, im Handel und im Dienstleistungsgewerbe zur unternehmerischen Vielfalt, zu neuen Arbeitsplätzen und zu einem diversifizierten Dienstleistungs- und Warenangebot bei. 90 Prozent aller Unternehmen in Baden-Württemberg sind solche Mikrounternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten. Mit unserem neuen und bundesweit einmaligen Programm ‚MikroCrowd‘ wollen wir der Gründungsdynamik in diesem Bereich einen neuen Schub geben.“
Mit Einführung einer „Mikrofinanzierung“ will das Wirtschaftsministerium einem Marktversagen in der Finanzierung von Soloselbständigen und kleinen Start-ups in der frühen Gründungsphase entgegenwirken. Trotz vielfältiger Angebote habe sich gezeigt, dass Start-ups mit einem Kapitalbedarf von unter 25.000 Euro von der Gründungsförderung bisher weniger gut erreicht würden, erläuterte Hoffmeister-Kraut. „Gründerinnen und Gründer, die keine großen Investitionen für die Betriebs- und Geschäftsausstattung oder Maschinen benötigen, sind hier bislang häufig durchs Raster gefallen, weil ihr Kapitalbedarf unterhalb der üblichen Hausbankenfinanzierung lag.“
Mit dem neuen Programm „MikroCrowd“ bekommen Kleinstgründer in Baden-Württemberg künftig genau das, was sie brauchen: ausreichend Startkapital und Know-how durch ein vorbereitendes Coaching in Business und Marketing. „MikroCrowd“ verzahnt neue und etablierte Formen der Gründungsfinanzierung, konkret ein L-Bank Darlehen mit einer Finanzierung durch Crowdfunding. Zielgruppe sind unter anderem junge Gründer und Querdenker aus web- und logistikbasierten Start-ups. Gründungen im Bereich Digital Services, Arts & Crafts, Design, Food, Mode, Ökologie oder Kommunikation stehen dabei im Fokus.
Auf einer neuen Plattform für die Crowdfinanzierung können Gründungswillige künftig ihre Projekte nach einer Beratung durch die L-Bank und ihrer Partner online platzieren und vorstellen. Nach positiver Prüfung der Idee startet die Crowdfunding-Phase, in der die Funding-Schwelle erreicht werden muss. Diese entspricht mindestens 50 Prozent des Finanzierungsbedarfs. Wird das Fundingziel nicht erreicht, kommt keine Finanzierung zustande. Haben sich genügend Unterstützer gefunden, kann ergänzend ein Darlehen in Höhe von bis zu 50 Prozent (maximal 10.000 Euro) gewährt werden. Das Besondere daran sei, dass eine Unternehmens- bzw. Produktidee somit bereits vor dem Unternehmensstart vor einer breiten Öffentlichkeit gepitcht werde und die Gründungswilligen damit bereits ein realistisches Feedback erhalten, ob und wie ihre Geschäftsidee am Markt ankomme, so die Ministerin.
Alternativ zur Crowd-Variante kann nach der Gründungsberatung auch ein Direktdarlehen der L-Bank über max. 80 Prozent des Finanzierungsbedarfs beantragt werden. Der max. Finanzierungsbedarf im Rahmen dieser Mikrofinanzierung beträgt 12.500 Euro – in der reinen Fremdkapitalvariante kann das Start-up Unternehmen somit einen Direktkredit über 10.000 Euro von der L-Bank erhalten. Diese zweite Variante soll vor allem Gründungsvorhaben abdecken, die weniger Crowdfunding-geeignet sind, zum Beispiel unternehmensnahe Entwicklungs- oder Beratungsdienstleistungen.
„Zum Laufzeitende beider Varianten erfolgt eine automatische Vermittlung an die Hausbanken zur Anschlussfinanzierung mit dem Ziel, die folgenden Wachstumsschritte mit einer Hausbankbegleitung umzusetzen“, erläuterte Axel Nawarth, Vorstandsvorsitzender der landeseigenen L-Bank, die das Programm im Auftrag des Ministeriums umsetzt.
Innovationsfonds BW bald unter Dach und Fach
Ein weiterer wesentlicher Baustein der Start-up-Strategie des Landes ist es, unter Einbeziehung privater Investoren eine deutliche Verbesserung des Risikokapital-Angebots im Land zu erreichen. „Wir brauchen im Land ausreichendes Risikokapital, damit gerade die wagemutigsten und fähigsten Köpfe mit den innovativsten Geschäftsmodellen hier auch eine adäquate Finanzierung erhalten und nicht abwandern“, betonte die Ministerin. Deshalb arbeite ihr Haus derzeit gemeinsam mit der L-Bank mit Hochdruck an einem neuen VC-Fonds. Hoffmeister-Kraut: „Ich bin zuversichtlich, dass wir sehr zeitnah mit unserem neuen Fonds an den Start gehen werden. Unser Ziel ist es, ein Risikokapitalfondsvolumen von 50 Millionen Euro zu erreichen.“
Ausblick auf weitere Start-up-Aktivitäten des Landes
„Unser Ziel ist es, den Gründerstandort Baden-Württemberg noch attraktiver und in Deutschland und der Welt sichtbarer zu machen. Das gelingt uns nur, wenn wir die vielfältigen erfolgreichen Aktivitäten, die übers ganze Land verteilt sind, noch besser vernetzen und bekannter machen.“ Das Wirtschaftsministerium erarbeite deshalb derzeit ein Konzept für eine landesweite Start-up-Kampagne und ein Portal, das beides auf einem großen Start-Up-Gipfel am 14. Juli auf der Messe Stuttgart gemeinsam mit dem Staatsministerium und den Finanzpartnern L-Bank und der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft vorgestellt werden soll. „National wie international ist schon länger ein stark umkämpfter Wettbewerb um die besten Start-ups entfacht. Baden-Württemberg muss diesen Wettbewerb noch offensiver annehmen, seine Stärken als Start-up-Standort besser bündeln und vermarkten und in der Entwicklung, Betreuung und Finanzierung von skalierbaren Geschäftsmodellen internationales Top-Niveau erreichen“, betonte Hoffmeister-Kraut.
Hintergrundinformationen
Beim Crowdfunding (auch Schwarmfinanzierung) finanzieren viele private Unterstützer (die Crowd) ein Projekt, das ein potenzieller Existenzgründer meist auf einem Crowdfunding-Webportal vorstellt. Neben einer detaillierten Aufbereitung des Projekts gibt er einen Finanzierungsbetrag an, den er für die Umsetzung des Projekts erreichen muss: die Funding-Schwelle. Erst wenn dieser Betrag durch genügend Unterstützer erreicht oder gar überschritten wurde, erhält der Gründer die Gesamtsumme und kann so sein Vorhaben umsetzen.
Die Zahl der Unternehmen, deren Rechtsform und Beschäftigtenzahl auf eine größere wirtschaftliche Bedeutung schließen lassen, ist im Jahr 2016 angestiegen. Wie das Statistische Bundesamt ermittelte, sind im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg knapp 14.700 solcher Betriebe gegründet worden. Dem stehen 11.200 Betriebsschließungen von Unternehmen mit wirtschaftlicher Substanz gegenüber.
Die Gründungsförderung in Baden-Württemberg bewegt sich auf historisch starkem Niveau. Die Gründungsförderung der L-Bank erreichte im Jahr 2016 mit einem Volumen von 599 Millionen Euro fast das Rekordniveau des Vorjahrs (2015: 609 Millionen Euro). Von der Förderung profitierten mehr als 2.700 Neugründungen und Unternehmensnachfolgen. Bemerkenswert ist dabei, dass die durchschnittliche Fördersumme in der Gründungsförderung von 170.000 Euro (im Jahr 2013) auf 210.000 Euro im Jahr 2016 angestiegen ist. Das zeigt, dass die geförderten Projekte im Gründungsbereich anspruchsvoller sind, was ein Indiz dafür ist, dass besonders Chancengründer erreicht werden.
Das Wirtschaftsministerium fördert das neue MikroCrowd-Produkt für die nächsten vier Jahre mit insgesamt ca. 445.000 Euro.
L-Bank: Förderprogramm "MikroCrowd"
Anlage 1: Vorstellung der MikroCrowd (PDF)
Anlage 2: MIKROCROWD Crowdfunding trifft Förderdarlehen (PDF)
Anlage 3: Varianten MikroCrowd (PDF)
Anlage 4: MikroCrowd Die innovative Start-up Förderung der L-Bank (PDF)