Das Kernkraftwerk Neckarwestheim geht nach einer zweimonatigen Revision wieder ans Netz. Die schadhaften Heizrohre wurden außer Betrieb genommen. Aus sicherheitstechnischer Sicht steht dem Wiederanfahren nichts im Weg.
Nach gut zwei Monaten Revision wird der zweite Block des Kernkraftwerks Neckarwestheim, GKN II, wieder angefahren. Die Revision hatte deutlich länger gedauert als ursprünglich geplant, weil Mitte September bei der Überprüfung zahlreiche Heizrohre mit Korrosionsschäden gefunden worden waren. Die Befunde waren der Aufsichtsbehörde entsprechend den Vorschriften gemeldet worden.
Obwohl für die Heizrohre das sogenannte Leck-vor-Bruch-Verhalten gewährleistet ist – ein Bruch kündigt sich durch ein Leck an, das sofort detektiert wird und zum Abfahren der Anlage führt – und selbst ein Bruch sicherheitstechnisch beherrschbar wäre, verlangt das Umweltministerium als Voraussetzung zum Wiederanfahren vom Betreiber umfangreiche Maßnahmen, damit ein Leck möglichst nicht auftritt.
Schadhafte Heizrohre ausgetauscht
Die im September festgestellten schadhaften Heizrohre wurden deshalb verschlossen und außer Betrieb genommen. Ergänzend dazu wurden weitere Maßnahmen ergriffen, um Korrosion an Heizrohren nach Stand von Wissenschaft und Technik für die Zukunft möglichst auszuschließen. Dazu gehören ein erweitertes Monitoring der Speisewasserchemie, eine geänderte chemische Fahrweise des Kühlwassers im Sekundärkreis und die Minimierung des Eintrags von korrosiv wirkenden Verunreinigungen in das Speisewasser. Alle vier Dampferzeuger wurden außerdem gereinigt und mehrfach gespült, um Ablagerungen zu entfernen.
Die detaillierten Berichte des Anlagenbetreibers EnBW über die festgestellten Befunde, die Maßnahmen zur Beseitigung der Ursachen, das Reparaturkonzept für die schadhaften Heizrohre sowie die sicherheitstechnische Bewertung für den sicheren Weiterbetrieb von GKN II, wurden von der Atomaufsicht und den zugezogenen Sachverständigen eingehend geprüft. Neben den regelmäßig hinzugezogenen Sachverständigen des TÜV Nord, des TÜV Süd und des Physikerbüros Bremen war das Bundesumweltministerium mit seiner Sachverständigenorganisation GRS, Gesellschaft für Reaktorsicherheit, beteiligt.
In seiner Prüfung kommt das Umweltministerium zu dem Ergebnis, dass die getroffenen Maßnahmen geeignet sind, um die Schadensursachen soweit wie möglich zu beseitigen und das Schadensrisiko für die Zukunft zu minimieren. Alle Anforderungen für den Betrieb sind damit erfüllt. „Der Anlagenbetreiber, die EnBW, hat alle Bedingungen erfüllt, um die Anlage nach Stand von Wissenschaft und Technik sicher betreiben zu können. Wir haben deshalb die Zustimmung zum Wiederanfahren der Anlage erteilt“, erklärte der zuständige Umweltminister Franz Untersteller.
Das Umweltministerium hat bereits jetzt festgelegt, dass in der Revision 2019, über die Sicherheitsvorschriften hinaus, alle gut 16.000 Heizrohre der vier Dampferzeuger erneut geprüft werden.
Risse bei turnusgemäßer Prüfung aufgefallen
Das Kernkraftwerk Neckarwestheim (Block II) war zur Durchführung der Jahresrevision 2018 am 31. August vom Netz genommen worden. Im Rahmen der Prüfung hat der Betreiber an zwei von insgesamt vier Dampferzeugern bei insgesamt 101 Heizrohren rissartige Wanddickenschwächungen festgestellt. Die Schäden sind auf Spannungsrisskorrosion zurückzuführen. Sie hatten keine Auswirkungen auf den Betrieb der Anlage, Personen und die Umgebung.
In jedem Dampferzeuger gibt es 4.100 solcher Heizrohre. Im Leistungsbetrieb beziehungsweise bei Störungen wird über die Dampferzeuger die im Primärkreislauf erzeugte Wärme an den Sekundärkreis abgeführt. Die Wände der Heizrohre müssen dabei die Integrität des Primärkreises sicherstellen und dienen als Barriere zur Aktivitätsrückhaltung. Bei einer Undichtigkeit käme es zu einem unerwünschten Aktivitätsübertrag und Kühlmittelverlust vom Primär- auf den Sekundärkreislauf.
Der Kraftwerksbetreiber EnBW hat alle Rohre mit rissartigen Befunden mit einer Kombination aus Füll- und Walzstopfen verschlossen. Durch die Füllstopfen werden die beschädigten Heizrohre zusätzlich stabilisiert. Die Walzstopfen sorgen für einen dichten Verschluss der Heizrohre. Ohne Beeinträchtigung des Anlagenbetriebs können bis zu 10 Prozent der Heizrohre verschlossen werden.
Nächste Revision in 2019
Das Wartungskonzept sieht für die Revision im kommenden Jahr (analog zum Vorgehen in 2018) eine vollständige Prüfung aller Heizrohre der vier Dampferzeuger vor. Darüber hinaus wird die Betriebsüberwachung der chemischen Parameter im Kühlwasser des Sekundärkreislaufs intensiviert.
In einer ganztägigen Sondersitzung des für Werkstoffe und druckführende Komponenten zuständigen Ausschusses der Reaktorsicherheitskommission wurden Anfang der Woche keine Vorbehalte gegen das geplante Vorgehen geäußert.