Das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen hat vier herausragende Lehmbauprojekte im Land mit dem Innovationspreis Lehmbau BW ausgezeichnet. Die Projekte stammen aus Sexau, Schwäbisch Gmünd, Walheim am Neckar und Karlsruhe und stehen beispielhaft für eine qualitativ hochwertige Verwendung von Lehm und Lehmbaustoffen.
Ministerin Nicole Razavi sagte bei der feierlichen Preisverleihung am 21. Oktober 2024 im Kloster Reute in Bad Waldsee: „Mit dem Innovationspreis Lehmbau BW stellen wir die Potenziale des Baustoffs Lehm ins Rampenlicht. Es ist an der Zeit, den Lehmbau neu zu entdecken und die traditionellen Baumaterialien und -techniken mit dem Know-how von heute zu verbinden. Die sehr unterschiedlichen Einreichungen haben gezeigt: Man kann aus Lehm zeitgemäße Häuser bauen, die gut für Mensch und Klima sind. Der Umgang der Preisträger mit dem Baustoff Lehm ist so individuell wie beispielgebend. Ich wünsche mir, dass diese Lehmbauprojekte viele andere inspirieren.“
Der Innovationspreis Lehmbau BW wurde in diesem Jahr zum ersten Mal verliehen. In Anlehnung an die Holzbauinitiative des Landes wurden im Doppelhaushalt 2023/2024 Mittel für die Auslobung bereitgestellt, um den Baustoff Lehm und seine Vorteile stärker ins Bewusstsein zu rücken. Der Preis würdigt herausragende Bauten, Gebäudekonzepte und zukunftsweisende Innovationen aus Baden-Württemberg, die im Zeitraum 1. Januar 2019 bis 31. Mai 2024 in Baden-Württemberg realisiert wurden und die sich intensiv mit Lehm als nachhaltigen Baustoff auseinandersetzen.
Die vier Preisträger
Das Stroh-Lehm-Bauprojekt mit acht Wohneinheiten und Gemeinschaftsräumen wurde von einer Baugruppe aus mehreren Familien auf einem knapp acht Hektar großen Gelände bei Freiburg gemeinschaftlich umgesetzt. Rund 100 Tonnen Lehm wurden auf vielfältige Weise verbaut: Zum Beispiel wurde er in mehreren Schichten direkt auf das Stroh an den Innen- und Außenwänden aufgebracht, Lehmsteine sind in den Zwischendecken und Innenwänden verbaut, und die Wände sind mit Lehm verputzt. Der hohe Vorfertigungsgrad der Bauelemente ermöglicht eine serielle Herstellung, die Bauweise ist skalierbar und anpassungsfähig. Zudem hat der mitwirkende Zimmereibetrieb nach dem erfolgreichen Pilotprojekt diese Bauweise in der Region etabliert. Das Projekt erhält den Lehmbaupreis in der Kategorie Wohnungsbau in Höhe von 12.000 Euro.
Auf einem 72.000 Quadratmeter großen Areal in Schwäbisch Gmünd wurde mit dem neuen „Weleda Logistik-Campus“ eines der nachhaltigsten Logistik-Komplexe Europas realisiert. Das Bauprojekt der Firma Weleda aus Holz, Beton und Lehm besteht aus Verwaltungsbüros, Logistikflächen sowie einem Hochregallager – letzteres der größte zusammenhängende Stampflehmbau Deutschlands. Der beim Aushub anfallende lehmhaltige Baugrund wurde als Baumaterial für die Stampflehmwände des Hochregallagers eingesetzt. So dient er als natürliche Klimaanlage. Am Ende der Nutzung kann der Lehm wieder dem Stoffkreislauf zugeführt werden. Ein nachhaltiges Energiekonzept und Wassermanagementsystem komplettieren das Konzept. Das Projekt wird mit dem Lehmbaupreis in der Kategorie Industriebau in Höhe von 12.000 Euro ausgezeichnet.
Das circa 200 Jahre alte Fachwerkhaus im Stadtkern von Walheim wurde in traditioneller Bauweise und mit natürlichen Rohstoffen kernsaniert. Die kaputten Fachwerkbalken wurden in alter Zimmermannstechnik repariert, die Gefache mit ortstypischem Bruchstein in Lehmmörtel geschlossen, und von außen wurde ein witterungsbeständiger Kalkputz mit Dachshaar aufgebracht. Neue Zwischenwände wurden mit Lehmmauersteinen gemauert und die vorhandenen Lehmwickel aufbereitet. Insgesamt kamen über 47 Tonnen Lehm zum Einsatz. Die Highlights sind ein Lehmgrundofen mit Liegefläche, eine Lehmsauna und der Stampflehmboden im Erdgeschoss. Das Projekt erhält den Lehmbaupreis in der Kategorie Bauen im Bestand in Höhe von 12.000 Euro.
Das Forschungsprojekt „Reinforced Earth“ beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, wie digitale Entwurfs- und Fertigungsstrategien genutzt werden können, um den Wandel zur Kreislaufwirtschaft im Bauwesen zu ermöglichen und gleichzeitig neue Gestaltungs- und Konstruktionsmöglichkeiten zu schaffen. Die eingereichten Teilprojekte entstanden zwischen 2021 und 2024 an der Professur für Digital Design and Fabrication am KIT in Kooperation mit anderen Professuren des Hauses. Sie zeigen in mehreren innovativen Schritten das Bauen mit dem historischen Materialverbund Lehm und Weide, vom ersten Materialexperiment bis zur industriellen Realisierung. Die Lehm-Hybrid-Bauweisen sollen im Rahmen der IBA’27 in Form von Lehm-Weide-Holz-Verbunddeckenbauteilen für einen mehrgeschossigen Wohnbau umgesetzt werden. Für seine interdisziplinäre Netzwerkleistung wird das Projekt mit einem Anerkennungspreis in Höhe von 4.000 Euro ausgezeichnet.
Eine unabhängige Jury mit Fachleuten aus Bautechnik, Architektur und Handwerk hat aus allen 20 Einreichungen die besten Projekte ausgewählt. Bei der Auswahl wurde neben der beispielgebenden Materialverwendung und einer nachhaltigen, energieeffizienten Bauweise unter anderem auch Wert auf das Nutzungskonzept, die Anpassungsfähigkeit der Räume, Barrierefreiheit, Aufenthaltsqualität, Öffnung zum Quartier, Ästhetik und eine gute Baukultur gelegt.
Die Staatssekretärin im Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen, Andrea Lindlohr, sagte: „Alle vier prämierten Projekte sind äußerst gelungene Beispiele für die Verwendung des alten Baustoffs Lehm. Sie regen zur Nachahmung an, setzen Impulse und machen das riesige Potenzial des Lehmbaus für klima- und ressourcenschonendes Bauen sichtbar. Mit dem Innovationspreis Lehmbau BW holen wir diese guten Lösungen aus der Nische und tragen sie in die Breite.“
Die Vorteile von Lehm
Lehm ist in vielen Böden enthalten und damit regional verfügbar. Da das Material im Erdaushub häufig enthalten ist, findet die Gewinnung als Nebenprodukt von Erdarbeiten statt. Durch die Aufbereitung des Materials und die Mischung von unterschiedlichen Lehmen lassen sich genormte Baustoffe herstellen. Für den Herstellungsprozess wird weniger Energie benötigt als bei mineralischen Baustoffen. Da der Lehm lediglich getrocknet wird, ist ein einfaches Recycling möglich. Damit kann er einen großen Beitrag für klima- und ressourcenschonendes Bauen und Sanieren leisten.
Neben diesen ökologischen Vorteilen hat Lehm auch einen positiven Einfluss auf das Raumklima. Er ist atmungsaktiv, kann Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben. Seine thermische Trägheit sorgt für ausgeglichene Temperaturen. Sichtbar belassene Lehmoberflächen haben eine warme, natürliche Ausstrahlung und eine behagliche Atmosphäre.
Kloster Reute
Das Kloster Reute bot in doppelter Hinsicht einen passenden Rahmen für die Verleihung des Innovationspreises Lehmbau BW: Zum einen wurde unlängst die klösterliche Aussegnungshalle aus Stampflehm neu errichtet. Zum anderen wird im Kloster Reute derzeit das Projekt „Klosternahes Wohnen“ umgesetzt: Dieses wird als beispielgebendes Projekt der Patenschaft Innovativ Wohnen BW vom Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen gefördert. Mit dem Projekt „Klosternahes Wohnen“ wird ein Teil des Klostergebäudes denkmalgerecht umgebaut und neue Nutzungsformen sowie die Öffnung des Zusammenlebens hin zum Dorf ermöglicht. Zusammen mit dem geplanten Wohnquartier entsteht ein Beispiel für innovatives, menschenorientiertes Wohnen im Ländlichen Raum, das ein selbstbestimmtes Leben mit gemeinschaftlichen Ansätzen verbindet. Die Patenschaft Innovativ Wohnen ist Teil der Wohnraumoffensive BW.
Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen: Innovationspreis Lehmbau BW
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