Die Verkehrssicherheitskampagne „Vorsicht. Rücksicht. Umsicht“ rückt in diesem Jahr das Schwerpunktthema „Sichere Landstraße“ in den Mittelpunkt. Ein Teil der Kampagne ist eine aufmerksamkeitsstarke Schilder-Aktion.
Die tief stehende Sonne, eine nasse Fahrbahn oder ein Wildwechsel können für Verkehrsteilnehmende außerorts zur Gefahr werden, wenn die Geschwindigkeit nicht der Situation angepasst wird. Darauf macht die Verkehrssicherheitskampagne „Vorsicht.Rücksicht.Umsicht“ des Ministeriums für Verkehr aufmerksam, dieses Jahr mit dem Schwerpunkt „Sichere Landstraßen“.
Ein Teil der Kampagne ist eine aufmerksamkeitsstarke Schilder-Aktion, zu der Verkehrsminister Winfried Hermann am Parkplatz des Schwaben Parks bei Kaisersbach (Rems-Murr-Kreis) den Startschuss gegeben hat. Mehr als 100 Schilder auf Parkplätzen an Landstraßen in ganz Baden-Württemberg weisen auf die möglichen Unfallgefahren außerorts hin. Der Minister enthüllte im Rahmen eines Pressetermins auf dem Parkplatz des Schwaben Parks eines der Schilder, die von nun an im ganzen Land zu sehen sind. Die Schilder fordern mit einem Augenzwinkern beispielsweise dazu auf, Wildwechsel oder Regnen zu unterlassen. Aufgelöst wird diese überraschende Forderung dann durch den Appell an die Verkehrsteilnehmenden, die Geschwindigkeit zu reduzieren – weil die eingangs erwähnten Aufforderungen an das Wetter oder an Tiere selbstverständlich ohne Wirkung bleiben werden.
Anpassen der Geschwindigkeit senkt das Unfallrisiko
„Die Geschwindigkeit zu senken kann Leben retten und ist außerorts besonders wichtig“, sagte Verkehrsminister Hermann. „Wir appellieren daher an alle Verkehrsteilnehmenden: Achten Sie auf Faktoren wie Nässe, Lichtverhältnisse oder möglichen Wildwechsel und reduzieren Sie Ihre Geschwindigkeit – auch unter die zulässige Höchstgeschwindigkeit. So können Sie in gefährlichen Situationen besser reagieren. Sie haben Ihre Sicherheit und die anderer Verkehrsteilnehmenden zu einem großen Teil selbst in der Hand!“
Verkehr außerorts ist Unfallschwerpunkt
Bei sogenannten Geschwindigkeitsunfällen außerorts bewegen sich Verkehrsteilnehmende in vielen Fällen innerhalb der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, passen aber die Geschwindigkeit nicht den äußeren Bedingungen an. Vorausschauendes Fahren bedeutet, äußere Faktoren, aber auch das Verhalten von anderen Verkehrsteilnehmenden zu berücksichtigen. Die maximal erlaubte Geschwindigkeit sollte nur bei optimalen Bedingungen gefahren werden. Außerhalb von Ortschaften ereignen sich zwar insgesamt nur rund ein Drittel der Verkehrsunfälle, jedoch verunglücken dort dreimal so viele Menschen tödlich wie innerorts. Besonders häufig betroffen sind Motorradfahrende – auch ihnen sollen die Schilder das Anpassen der Geschwindigkeit ins Gedächtnis rufen.
Verkehrssicherheitskampagne „Vorsicht. Rücksicht. Umsicht“
2019 hat das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg seine mehrjährige Verkehrssicherheitskampagne „Vorsicht. Rücksicht. Umsicht“ gestartet. Sie rückt über mehrere Jahre hinweg wechselnde Fokusthemen der Verkehrssicherheit in den Mittelpunkt. Die Kampagne macht auf wichtige Sicherheitsthemen aufmerksam, klärt über Fakten auf und gibt konkrete Tipps für Verhaltensänderungen: Damit die Teilnahme am Straßenverkehr in Baden-Württemberg sicherer wird.
Im Kampagnenjahr 2019 lag der Schwerpunkt auf Unfälle im ruhenden Verkehr. In diesem Jahr wird das Schwerpunktthema „Sichere Landstraße“ in den Mittelpunkt gerückt, da Landstraßen einen Unfallschwerpunkt darstellen. Hier ereignen sich knapp 60 Prozent der tödlichen Verkehrsunfälle. 2019 waren dies 281 von insgesamt 437.
Unfälle mit Personenschaden | Getötete | Schwerverletzte | Leichtverletzte | |
Landstraßen | 11.048 (Anteil: circa 30 Prozent) | 281 (Anteil circa 64 Prozent) | 3.863 (Anteil circa 48 Prozent) | 12.271 (Anteil circa 32 Prozent) |
Alle Straßen | 36.313 | 437 | 8.104 | 38.699 |
Hintergrundinformationen und Zahlen zur Verkehrssicherheitskampagne
- Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften stellen einen Unfallschwerpunkt da. Obwohl sich im Jahr 2019 nur rund ein Drittel der Verkehrsunfälle außerorts ereigneten, verunglückten dort dreimal so viele Menschen tödlich wie innerorts.
- Unter Landstraßen verstehen wir Straßen aller Art außerhalb geschlossener Ort-schaften ohne Bundesautobahnen.
- Hier ereignen sich knapp 60 Prozent der tödlichen Verkehrsunfälle in Baden-Württemberg. 2019 kamen 281 der insgesamt 437 tödlich verunglückten Personen auf Straßen außerorts ohne Bundesautobahnen ums Leben (circa 64 Prozent).
- Nicht angepasste Geschwindigkeit bedeutet zum einen eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und zum anderen eine an die äußeren Gegebenheiten nicht angemessene Geschwindigkeit zum Beispiel aufgrund der Sichtverhältnisse, Wetterbedingungen oder Streckenführung. Hier kann auch das Einhalten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu schnell sein
- 2019 Unfallursache Nummer eins: Bei mehr als jedem dritten tödlichen Verkehrsunfall war überhöhte oder nicht angepasste Geschwindigkeit Hauptunfallursache (alle Straßenklassen betreffend)
- Bei rund einem Drittel der erfassten Ursachen von tödlichen Unfällen außerorts in Baden-Württemberg (ohne Bundesautobahnen) handelte es sich 2019 um nicht angepasste oder überhöhte Geschwindigkeit (Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2020). Damit ist nicht angepasste Geschwindigkeit eine der häufigsten Unfallursachen außerorts. Dafür sollen die Schilder auf sympathische Art und Weise und ohne erhobenen Zeigefinger sensibilisieren.
- Nur bei 17 Prozent der tödlichen Unfälle außerorts (ohne BAB) aufgrund von nicht angepasster Geschwindigkeit wurde 2019 gleichzeitig auch die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten – das Problem liegt also meistens darin, dass die Geschwindigkeit nicht den Gegebenheiten angepasst wurde (Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2020).
- Nicht angepasste Geschwindigkeit ohne überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ist das häufigste Fehlverhalten der Fahrer bei Unfällen mit Personenschäden außerorts ohne BAB 2019. Unter Beteiligung eines Pkws in 20 Prozent der Beteiligungsursachen und unter Beteiligung eines Motorrads in 45 Prozent der Fälle
- Für Motorradfahrende ist es besonders gefährlich, mit nicht angepasster Geschwindigkeit außerorts unterwegs zu sein. Im Jahr 2019 war bei 56 Prozent der tödlichen Motorradunfälle außerorts nicht angepasste Geschwindigkeit die Ursache – bei den Pkw nur bei etwa 30 Prozent aller Unfälle (Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2020).
- Das häufigste Fehlverhalten der Fahrer bei Unfälle mit Personenschaden unter Beteiligung eines Motorrads ist in 45 Prozent nicht angepasste Geschwindigkeit; in elf Prozent ungenügender Sicherheitsabstand und fünf Prozent Überholen trotz unklarer Verkehrslage (2019 in Baden-Württemberg außerorts ohne BAB).
- Insgesamt sinkt die Anzahl der verunglückten Motorradfahrenden, jedoch steigen die Zahlen bei den Fahrenden ab 50 Jahren. Daher appelliert die Kampagne an alle Motorradfahrenden, die eigenen Fähigkeiten realistisch einzuschätzen und sich neben Motorrad und Equipment auch um die eigene Fitness zu kümmern.
- 2019 verunglückten in Baden-Württemberg etwa zwei Motorradfahrende pro Woche tödlich. Besonders viele Motorradunfälle geschehen außerorts. Oftmals handelt es sich um Alleinunfälle, bei denen Motorradfahrende ohne die Beteiligung anderer verunglücken. Aber auch Überholvorgänge sind für Motorradfahrende sehr gefährlich – auch, weil sie oft erst spät gesehen werden. Neben „Überholen trotz Gegenverkehr“ nimmt auch „Überholen trotz unklarer Verkehrslage“ bei den Motorradfahrenden einen unrühmlichen Spitzenplatz in der Unfallstatistik ein.
Damit die Sinnhaftigkeit einer angepassten Geschwindigkeit verdeutlicht wird, werden konkrete Beispiele wie die Gefahr eines Wildwechsels aufgezeigt, in denen eine reduzierte Geschwindigkeit Unfälle vermeiden kann.
- Bei Unfällen mit Wild auf der Fahrbahn außerorts (ohne Autobahnen) mit Personen- oder schwerwiegendem Sachschaden war 2019 in 27 Prozent der Fälle nicht angepasste Geschwindigkeit die bei den Beteiligten festgestellte Beteiligungsursache (Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2020).
- Für alle Straßenklassen liegt der Wert ebenfalls bei 27 Prozent (Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2020).
- Grundsätzlich muss im Wald insbesondere bei Dämmerung immer mit Wildwechsel gerechnet und die Geschwindigkeit angepasst werden. Laut ADAC ist es ratsam maximal 80 Kilometer pro Stunde zu fahren, dann kann das Fahrzeug noch rechtzeitig zum Stehen kommen, wenn in 60 Metern Entfernung ein Wildtier auf der Straße steht.
- Alternativ zu baulichen Maßnahmen (Wildschutzzäune inklusive Wildbrücke oder Unterführung) können an Straßenstrecken mit sehr hohem Wildunfallrisiko Zeichen 142 (Wildwechsel) aufgestellt werden. Gefahrenzeichen beinhalten rechtlich die Aufforderung die Geschwindigkeit angemessen zu reduzieren. An ausgeprägten Wildunfallhäufungen kann auch eine Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 70 Kilometer pro Stunde in Betracht kommen, wenn durch die Aufstellung des Zeichens 142 kein deutlicher Rückgang der Anzahl der Wildunfälle erreicht werden kann
- Bei Unfällen auf nasser oder feuchter Straße außerorts (ohne Autobahnen) mit Personen- oder schwerwiegendem Sachschaden war 2019 in 27 Prozent der Fälle nicht angepasste Geschwindigkeit die bei den Beteiligten festgestellte Beteiligungsursache (Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2020).
- Für alle Straßenklassen liegt der Wert bei 20 Prozent (Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2020).
- Besondere Vorsicht ist geboten, wenn bei Starkregen keine Fahrspuren der vorausfahrenden Kraftfahrzeuge sichtbar sind und die Fahrbahn komplett mit Wasser bedeckt ist.
- Bei Nässe oder gar Aquaplaning empfiehlt der ADAC ein Tempo deutlich unter 80 Kilometer pro Stunde
Bei Unfällen mit Sichtbehinderung durch blendende Sonne außerorts (ohne Autobahnen) mit Personen- oder schwerwiegendem Sachschaden war in neun Prozent der Fälle nicht angepasste Geschwindigkeit die bei den Beteiligten festgestellte Beteiligungsursache (Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2020).
Tipps zum Verhalten auf Landstraßen
Vorausschauendes Fahren bedeutet, die Sichtverhältnisse, die Wetterbedingungen und die Streckenführung, aber auch das Verhalten von anderen Verkehrsteilnehmenden zu berücksichtigen. Die maximal erlaubte Geschwindigkeit von normalerweise 100 Kilometern pro Stunde außerorts sollte nur bei optimalen Bedingungen erreicht werden.
Bei einer Gefahrenbremsung beträgt der Anhalteweg 80 Meter bei einer Geschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde, 45,5 Meter bei 70 Kilometern pro Stunde. Auf nasser Fahrbahn verlängert sich dieser Anhalteweg und es kommen zusätzliche Gefahren wie Aquaplaning hinzu. Bei schlechter Sicht verlängert sich die Reaktionszeit und entsprechend auch hier der Anhalteweg.
Die Gegebenheiten auf kurvigen Landstraßen lassen ein gefahrloses Überholen nur in wenigen Fällen zu. Die Zeitersparnis durch Überholen ist geringer, als viele denken: Auf einer Strecke von 20 Kilometern sind es bei 100 Kilometern pro Stunde statt 80 Kilometern pro Stunde gerade einmal drei Minuten. Überholen trotz Gegenverkehr gehört zu den fünf häufigsten festgestellten Unfallursachen bei Verkehrsunfällen mit tödlich Verunglückten in Baden-Württemberg 2019 außerorts ohne Bundesautobahnen.
Mit angepasster Geschwindigkeit lässt sich besser Abstand halten und so gleich eine zweite häufige Unfallursache ausschließen. Faustformel: Der Abstand in Metern sollte dem halben Tachowert entsprechen – bei Nässe eher dem Ganzen. Die Beteiligungsursache „Abstand“ hat einen Anteil von fünf Prozent bei Straßenverkehrsunfällen mit schwerverletzten Personen außerorts ohne Bundesautobahnen und gehörte damit 2019 zu den fünf häufigsten festgestellten Unfallursachen in Baden-Württemberg.