Die Auswirkung von Verkehrslärm auf die Gesundheit der Menschen wird häufig unterschätzt. Expertinnen und Experten der Lärmwirkungsforschung fordern daher mehr Anstrengungen beim Schutz vor Lärm.
Expertinnen und Experten der Lärmwirkungsforschung haben mehr Anstrengungen beim Schutz vor Lärm gefordert. In einer am vorgelegten gemeinsamen Erklärung („Memorandum of Understanding“) sprachen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Fachgesprächs für eine Absenkung der Schwelle zur Gesundheitsgefährdung durch Straßen- und Schienenlärm aus.
Der Lärmschutzbeauftragte der Landesregierung, Thomas Marwein, hatte zum Fachgespräch eingeladen. Marwein sagte: „Die Auswirkung von Verkehrslärm auf die Gesundheit der Menschen wird häufig unterschätzt. Tatsächlich stellt diese Lärmquelle eines der größten Gesundheitsprobleme unserer Zeit dar. Viele Menschen sind betroffen. Viele Menschen sind Lärm rund um die Uhr ausgesetzt. Die Lärmgrenzwerte, die für Urteile von Verwaltungsgerichten aller Ebenen herangezogen werden, sind deutlich zu hoch. Dies müssen wir dringend ändern. Deshalb sollte sich der Bund unsere Erkenntnisse zu eigen machen und ins Gesetzgebungsverfahren einsteigen – im Sinne der Gesundheit der Bevölkerung.“
Derzeit gelten in Deutschland Werte von 70 Dezibel (A) [dB(A)] am Tag und 60 dB(A) in der Nacht, die in der 16. Bundesimmissionsschutzverordnung und in den Lärmschutz-Richtlinien-Straßenverkehr geregelt sind.
Durchschnittliche ganztägige Lärmbelastung verringern
Prof. Susanne Moebus vom Zentrum für urbane Epidemiologie am Universitätsklinikum in Essen und Prof. Andreas Seidler vom Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin an der Medizinischen Fakultät der TU Dresden verwiesen auf
Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit deutlich geringeren Werten. In ihren „Leitlinien für Umgebungslärm für die Europäische Region“ vom 10. Oktober 2018 empfiehlt die WHO unter anderem die durchschnittliche ganztägige Lärmbelastung durch den Straßenverkehr auf weniger als 53 dB(A) und unter 45 dB(A) für die Nacht zu verringern.
Prof. Moebus erläuterte: „Die heutigen Beurteilungsschwellen für den Verkehrslärm liegen etwa 15 Dezibel über den Empfehlungen der WHO. Hier sehen wir Lärmwirkungsfachleute Fachleute der Öffentlichen Gesundheit einen erheblichen Nach-besserungsbedarf. Wir empfehlen ein schrittweises Vorgehen. Zunächst sollte die Schwelle um fünf Dezibel auf 65 Dezibel am Tag und 55 Dezibel in der Nacht abgesenkt werden.“
Prof. Seidler verwies auf die Gesundheitsgefahren und stellte eine Modellrechnung vor, wonach eine um fünf Dezibel niedrigere Schwelle das Risiko schwerer Herz-Kreislauf-Erkrankungen um bis zu 15 Prozent absenken kann. „Niedrigere Lärmgrenzwerte zeigen Wirkung! Würde der nächtliche Verkehrslärm konsequent unter 55 Dezibel liegen, dann würden in einem Bundesland von der Größe Baden-Württembergs viele tausend Menschen weniger an starken Schlafstörungen leiden. Insbesondere die Menschen profitieren, die stark durch Straßen- und Schienenlärm belastet sind.“
Memorandum of Understanding
Das „Memorandum of Understanding“ der Lärmwirkungsforscher mit Empfehlungen zur Absenkung des Lärmgrenzwerte haben unterzeichnet:
- PD Dr. Mark Brink – ETH Zürich / Bundesamt für Umwelt, Bern
- Dipl.-HTL-Ing. Mag. Christoph Lechner – Österreichischer Ring für Lärmbekämpfung (ÖAL)
- Prof. Dr. Susanne Moebus – Universitätsklinikum Essen, Zentrum für urbane Epidemiologie
- Dr. Uwe Müller – Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Köln
- Dirk Schreckenberg – ZEUS GmbH, Hagen
- Prof. Dr. Andreas Seidler – Medizinische Fakultät der TU Dresden, Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin
Ausschlaggebend für den vom Lärmschutzbeauftragten der Landesregierung initiierten Austausch war die Veröffentlichung der WHO-Leitlinien für Umgebungslärm am 10. Oktober 2018.
Eine Modellrechnung von Prof. Dr. Andreas Seidler, Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der medizinischen Fakultät der TU Dresden, zeigt auf, dass eine Absenkung der Beurteilungsschwelle lärmbedingter Gesundheitsgefährdung insbesondere für den vulnerablen Teil der Bevölkerung eine deutliche Entlastung bringt und die Risiken für die gesamte Bevölkerung deutlich reduziert werden können (zwischen fünf und 15 Prozent).
Dezibel (A) [dB(A)]: Dezibel ist die Maßeinheit für den Schalldruckpegel. Da unser Gehör Töne unterschiedlicher Frequenz als verschieden laut empfindet, werden die Schallsignale im Messgerät so gefiltert, dass die Eigenschaften des menschlichen Gehörs nachgeahmt werden. Man spricht dann von einer sogenannten A-Bewertung, kurz dB(A).