Am Landgericht Stuttgart wird die elektronische Gerichtsakte eingeführt. Dies stellt einen Meilenstein im Digitalisierungsprogramm der Justiz im Land dar. Alle 17 Landgerichte sind nun in Zivilverfahren mit der elektronischen Akte ausgestattet. Gerade jetzt in der Pandemie ist die elektronische Akte eine große Hilfe.
In der Nacht vom 16. März auf den 17. März 2021 erfolgt eine historische Umstellung: Alle Zivilverfahren, die neu beim Landgericht Stuttgart eingehen, werden dann nicht mehr in Papierakten, sondern ausschließlich elektronisch geführt. Aktenberge, verstaubte Aktenschränke und rollende Aktenwägen gehören damit in Stuttgart bald der Vergangenheit an. Die elektronische Akte steht im Zusammenhang mit der stufenweisen Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass die digitale Post innerhalb des Gerichts künftig ohne Medienbruch papierlos bearbeitet werden kann.
„Die Einführung der elektronischen Akte am Landgericht Stuttgart stellt einen Meilenstein im Digitalisierungsprogramm der Justiz in Baden-Württemberg dar“, erläuterte Justizminister Guido Wolf. „Dann sind alle 17 Landgerichte in Baden-Württemberg in Zivilverfahren mit der elektronischen Akte ausgestattet. Mein Dank gilt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und allen Führungskräften in der Justiz, die den erheblichen Wandel von der gewohnten Papierakte in die digitale Arbeitswelt hoch engagiert mitgestalten.“
Vollständig digitale Bearbeitung von 18.000 Klagen jährlich
Der Präsident des Landgerichts Dr. Andreas Singer sagte: „In allen neu eingehenden Zivilverfahren gibt es ab Mittwoch keine Papierakten mehr. Künftig werden die rund 18.000 Klagen pro Jahr vollständig digital bearbeitet.“ Alle 120 Zivilrichterinnen und Zivilrichter seien dazu mit Laptops und zwei Bildschirmen pro Arbeitsplatz ausgestattet worden. Urteile und andere gerichtliche Entscheidung werden nicht mehr eigenhändig auf Papier unterschrieben, sondern elektronisch signiert. Dafür nutzen alle Beschäftigten künftig eine von der Bundesnotarkammer zertifizierte persönliche Signaturkarte, die die Identität des Erstellers überprüft und sicherstellt. „Auch in den Gerichtsverhandlungen ist die elektronische Akte jederzeit verfügbar. Alle 31 Zivilsitzungssäle wurden dazu mit Großbildschirmen ausgestattet“, berichtet Singer. Bilder aus den Akten, Unfallskizzen oder Gutachten könnten so komfortabel für die Verfahrensbeteiligten visualisiert werden. Die elektronischen Dokumente ließen sich zudem leichter durchsuchen und strukturieren.
Schritt zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie
„Die Einführung der elektronischen Akte in der Pandemie war und ist für die Beschäftigten eine große Herausforderung“, so Minister Wolf. Rund 220 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landgerichts mussten unter Einhaltung der Infektionsschutzbestimmungen geschult werden. Dennoch sei die elektronische Akte gerade jetzt eine große Hilfe, ist Präsident Dr. Singer überzeugt. Außerhalb des Sitzungsbetriebes sei künftig jederzeit ein mobiles Arbeiten komfortabel ohne Aktentransporte möglich. Die vollelektronischen Akten sind über eine gesicherte Internetverbindung von überall aus abrufbar. Langfristig ist die elektronische Akte ein wichtiger Schritt zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Insgesamt arbeiten nun mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Laufbahnen an mehr als 50 baden-württembergischen Gerichten mit der elektronischen Akte.
Trotz der Corona-Pandemie läuft die Einführung der elektronischen Akte in der Justiz Baden-Württemberg nun mit Hochdruck weiter. Lediglich zu Beginn der Corona-Pandemie gab es einen kurzen Stopp der Einführungsplanungen. Die nur rund dreimonatige Unterbrechung wurde aber genutzt, um die notwendigen Schulungen auf die Pandemiesituation abzustimmen. So wurde die Teilnehmeranzahl pro Präsenzschulung fast halbiert, Desinfektionsmaßnahmen in den Schulungsräumen festgelegt, Lüftungspausen optimiert und vor allem das Angebot der Online-Schulung grundlegend überarbeitet. Auch die Betreuung der Anwenderinnen und Anwender bei Fragen zur Software nach der Einführung wird aus der Ferne ermöglicht.
Land bundesweit Spitzenreiter bei der Einführung
Die Justiz in Baden-Württemberg ist bundesweit führend bei der Einführung der elektronischen Akte. Bereits seit dem Jahr 2016 wird die Software für die elektronische Akte in der Justiz zunächst an Pilotgerichten, nun zügig in allen Gerichten in Baden-Württemberg eingeführt. Mittlerweile sind bereits mehr als 50 Gerichte in Baden-Württemberg mit der elektronischen Akte ausgestattet. Aufgrund bundesrechtlicher Vorgaben werden alle Gerichte und Strafverfolgungsbehörden ab dem 1. Januar 2026 zur elektronischen Aktenführung verpflichtet. Das Landgericht Stuttgart ist das größte Landgericht in Baden-Württemberg. Die örtliche Zuständigkeit erstreckt sich über die Amtsgerichtsbezirke Backnang, Böblingen, Esslingen, Kirchheim, Leonberg, Ludwigsburg, Nürtingen, Schorndorf, Stuttgart, Stuttgart-Bad Cannstatt und Waiblingen. Das Landgericht ist damit für rund 2,2 Millionen Bürgerinnen und Bürger zuständig.
Ministerium der Justiz und für Europa: Zeitplan zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz