Das britische Unterhaus hat den von Premierministerin Theresia May ausgehandelten Brexit-Deal erneut abgelehnt. Dies könnte weitreichende Folgen für den Handel zwischen Baden-Württemberg und dem Vereinigten Königreich haben.
Anlässlich der erneuten Niederlage des von der britischen Premierministerin May ausgehandelten und erst am vergangenen Montag erweiterten Austrittsabkommens vor dem britischen Unterhaus sagte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut: „Die erneute Entscheidung gegen den kurzfristig ergänzten Brexit-Deal ist ein harter Schlag für unsere exportorientierte Wirtschaft, aber auch für die Bürgerinnen und Bürger.“
Sie könne weitreichende Folgen für die Handelsbeziehungen zwischen Baden-Württemberg und dem Vereinigten Königreich haben, so die Wirtschaftsministerin nach Bekanntwerden des britischen Abstimmungsergebnisses.
Unklarheit über weiteren Kurs Großbritanniens
„Für unsere Wirtschaft bedeutet das wenige Tage vor dem geplanten Austrittstermin ein Höchstmaß an Unklarheit darüber, wie es ab dem 30. März 2019 weitergeht und zu welchen Bedingungen der Handel mit Großbritannien überhaupt noch möglich sein wird. Das ist für alle Seiten sehr unbefriedigend und enttäuschend“, sagte die Ministerin.
Käme es nun zu einem harten Brexit ohne Austrittsabkommen, würden beim Export von Waren aus Baden-Württemberg in das Vereinigte Königreich beispielsweise Zölle oder zumindest Zollformalitäten anfallen. Produkte müssten möglicherweise auf zukünftige britische Standards angepasst werden. „Aufgrund der Unklarheit über den zukünftigen Status Großbritanniens haben viele Unternehmen bereits in den letzten Monaten und Jahren wichtige Investitions- und Zukunftsentscheidungen gescheut. Daran wird sich nach der gestrigen Entscheidung so schnell nichts ändern“, so Hoffmeister-Kraut.
Auch die von der britischen Regierung heute Morgen veröffentlichten möglichen Auffangmaßnahmen für den Fall eines ungeordneten Brexit hält die Ministerin für wenig zielführend. „Zwar würde damit auf kurze Sicht eine gewisse Schadensbegrenzung erzielt. Die Exportwirtschaft im Südwesten würde möglicherweise kurzfristig von einem vorübergehenden Wegfall britischer Importzölle profitieren. Am bürokratischen Aufwand und den damit verbundenen Kosten würde sich aber wohl wenig ändern“, sagte die Ministerin. Auch den vorgeschlagenen Verzicht auf Kontrollen an der Grenze zwischen Irland und Nordirland hält sie wirtschaftspolitisch für äußerst fraglich. Schließlich handle es sich nach einem harten Brexit um eine EU-Außengrenze, die allein schon im Interesse des EU-Binnenmarktes gegen unkontrollierte Einfuhren etwa von Billigware geschützt werden müsse.
„Die britische Regierung schlägt nun Einzelfallregelungen vor, die sie im Gesamtpaket eines Austrittsabkommens günstiger und konsistenter erhalten hätte. Einen Austritt ohne Grenzkontrollen und einen weiterhin uneingeschränkten Zugang zum Binnenmarkt wäre mit dem Abkommen deutlich einfacher erreichbar gewesen“, betonte Hoffmeister-Kraut.
„Wir haben den Brexit-Prozess von Beginn an sehr intensiv begleitet. Die im Wirtschaftsministerium eingerichtete Kontaktstelle Brexit steht den Unternehmen bei allen Fragen und Anliegen zum Brexit weiterhin und jetzt erst recht zur Seite“, so die Ministerin.
Kein Grund zur Schadenfreude
Baden-Württembergs Europaminister Guido Wolf ist angesichts der gestrigen zweiten Ablehnung des Austrittsabkommens der EU mit Großbritannien durch das britische Parlament besorgt. Wolf sagte: „Man muss es leider so sagen, das Vereinigte Königreich befindet sich im blanken innenpolitischen Chaos. Das ist aber alles andere als ein Grund zur Schadenfreude. Denn auch für Baden-Württemberg steht einiges auf dem Spiel. Landesweit ging der Export ins Vereinigte Königreich bereits 2017 um neun Prozent zurück.
Jetzt steuern wir frontal auf einen harten Brexit zu. Ein Austritt ohne Abkommen wäre schmerzhaft – für die Menschen und die Wirtschaft in Europa, aber ganz besonders in Großbritannien. Die EU ist den Briten zuletzt nochmals entgegengekommen und hat alles getan, um zu einem Abkommen zu gelangen. Aber letztlich ist die britische Position noch immer nicht klar, das macht weitere Ver-handlungen derzeit praktisch unmöglich. Falls Großbritannien nun eine Verschiebung des Austrittstermins beantragt, sollte wir das in Betracht ziehen. Ein Austritt ohne Abkommen sollte, solange noch möglich, verhindert werden. Zu hart wären die wirtschaftlichen Folgen eines No-Deals. Und die Briten müssen sich zunächst selbst darüber klarwerden, was sie eigentlich wollen. Das einzig Positive in diesem Desaster: Die übrigen 27 Mitgliedsstaaten der EU stehen und lassen sich nicht auseinanderdividieren, die EU-Verhandler vertreten ihre Position klar und einig.“