Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut hat sich mit den Spitzenvertretern des Handwerks im Land getroffen, um sich zu aktuellen Herausforderungen sowie Zukunftsthemen des Handwerks und der Mittelstandspolitik auszutauschen.
Ansatzpunkte hierfür liefert der anlässlich der Sitzung veröffentlichte Zwischenbericht des gemeinsam von Wirtschaftsministerium und Baden-Württembergischem Handwerkstag (BWHT) initiierten Strategieprojekts „Dialog und Perspektive Handwerk 2025“, der erstmals eine umfassende Bestandsaufnahme des Handwerks im Land vornimmt und künftige Herausforderungen skizziert.
„Dem Handwerk in Baden-Württemberg geht es – auch im Bundesvergleich – insgesamt gut. Gleichwohl steht es in den nächsten Jahren vor großen Umwälzungen, die wir alle – also Betriebe, Handwerksorganisationen und Politik – gemeinsam meistern müssen“, sagte Ministerin Hoffmeister-Kraut.
„Die Studie gibt nicht nur einen aktuellen Stand zu Situation und Strukturen des Handwerks im Land, sondern zeigt auch die Herausforderungen auf“, unterstrich BWHT-Präsident Rainer Reichhold. Mit der Durchführung der Studie waren das Volkswirtschaftliche Institut für Mittelstand und Handwerk (ifh) Göttingen und das Institut für Technik der Betriebsführung (itb) Karlsruhe beauftragt.
Das Handwerk im Land sei ein zentraler Baustein der wirtschaftlichen Stärke Baden-Württembergs, fassten Hoffmeister-Kraut und Reichhold erste Ergebnisse zusammen.
Strategieprojekt „Dialog und Perspektive Handwerk 2025“
Die Stärke des Handwerks zeigt sich vor allem an der Zahl der tätigen Personen und am Umsatz. Die Werte für Baden-Württemberg übertreffen hier das Bundesergebnis deutlich. Grund hierfür sind die vielen Zulieferer und Investitionsgüterhersteller im Land. Allerdings sind die Stundenverrechnungssätze beispielsweise in den baden-württembergischen elektro- und informationstechnischen Handwerken um über zwölf Prozent höher als im Bundesdurchschnitt. Konsequenz ist, dass die Betriebe relativ selten außerhalb der Landesgrenzen arbeiten und eher Handwerksbetriebe aus anderen Bundesländern in Baden-Württemberg tätig sind.
Als weiteres Ergebnis kommt der Zwischenbericht der Studie zum Schluss, dass die Folgen der Novellierung der Handwerksordnung 2004 in Baden-Württemberg etwas weniger sichtbar sind als im bundesweiten Vergleich. So gibt es beispielsweise weniger Soloselbstständige und die zulassungsfreien Gewerke sind nicht ganz so stark gewachsen wie andernorts. Die zulassungspflichtigen Handwerke haben dagegen einen vergleichsweise großen Stellenwert. Generell ergab die Analyse, dass die Polarisierung des Handwerks einerseits in kleine und andererseits in sehr große Unternehmen im Land stärker ist als bundesweit, was wiederum an den für Handwerksbetriebe oft überdurchschnittlich großen Zulieferern und Investitionsgüterherstellern liegen dürfte.
Zu den großen Herausforderungen für das Handwerk zählt die Studie die Fachkräftesituation. Zwar ist ein hohes Potenzial an Auszubildenden vorhanden, das Handwerk kann aber fast zwei Drittel seiner Fachkräfte über die Lebensarbeitszeit nicht halten. Offene Stellen können vielfach nicht wiederbesetzt werden. Im Vergleich zu 2008 ist das Handwerk bei Umsatz und tätigen Personen zudem weniger stark gewachsen als die Gesamtwirtschaft des Landes. Die Zahl der Betriebe ging – anders als in der gesamten Wirtschaft – sogar zurück. Das Handwerk hat also gesamtwirtschaftlich an Stellenwert verloren.
„Aus diesen Erkenntnissen müssen wir jetzt die richtigen Schlüsse ziehen“, sagte Reichhold. Die Wirtschaftsministerin hob die große Bedeutung des Handwerks „für Arbeitsplätze auch im ländlichen Raum, für eine flächendeckende wohnortnahe Versorgung und insbesondere für die Qualifikation der Beschäftigten“ hervor. Das Handwerk bilde nach wie vor über den eigenen Bedarf hinaus aus. Dies solle so bleiben, betonte Hoffmeister-Kraut.
Nächster Schritt des Gesamtprojekts ist nun die Auswertung der zehn regionalen Workshops, in denen diese und weitere Herausforderungen der nächsten zehn Jahre unter wissenschaftlicher Begleitung mit Betriebsinhabern diskutiert wurden. Aus Bestandsanalyse und Ergebnissen der Workshops würden Handlungsempfehlungen für Betriebe und Handwerksorganisationen, aber auch für die Politik formuliert, so Hoffmeister-Kraut und Reichhold, die im Rahmen der Abschlussveranstaltung zum Projekt am 30. Januar 2017 im Haus der Wirtschaft in Stuttgart vorgestellt werden. Das Handwerk brauche keine Studie für die Schublade, sondern die Theorie müsse auch tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden. Handwerk und Ministerium würden in engem Kontakt die weitere Umsetzung der Empfehlungen begleiten.
Handwerk und Mittelstandspolitik
Weitere Themen der Beratungen von Ministerin Hoffmeister-Kraut und den BWHT-Beiratsmitgliedern waren die Weiterentwicklung der „Allianz Industrie 4.0“ zur „Allianz Wirtschaft 4.0“ sowie die Rolle des künftigen Technologiebeauftragten der Landesregierung. Auch die Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Beschäftigung, Maßnahmen zugunsten der Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung, die geplante Evaluierung des Bildungszeitgesetzes sowie der Bürokratieabbau wurden als aktuelle mittelstandspolitische Themen, von denen das Handwerk breit betroffen sei, diskutiert.
Struktur- und Bestandsanalyse „Dialog und Perspektive Handwerk 2025“ (PDF)
Quelle:
Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg / Baden-Württembergischer Handwerkstag (BWHT)