Hochschulen

Mehr Wissenschaftsfreiheit an den Hochschulen

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Ein Professor hält in einem Hörsaal vor Studierenden eine Vorlesung.

Mit dem neuen Hochschulgesetz stärkt die Landesregierung die nächste Wissenschaftlergeneration und den Gründergeist an Hochschulen. Erstmals in Deutschland erhält die Gruppe der Doktoranden einen eigenen Status.

Das Kabinett hat in seiner heutigen Sitzung den Anhörungsentwurf für das Hochschulrechtweiterentwicklungsgesetz (HRWeitEG) freigegeben, mit dem das Landeshochschulgesetz (LHG) novelliert wird. Der baden-württembergische Verfassungsgerichtshof hatte dem Gesetzgeber aufgetragen, die Wissenschaftsfreiheit in der Hochschulgovernance deutlicher abzubilden. 

„Wir haben den Geist des Urteils umgesetzt und weiterentwickelt. Mit dem neuen Landeshochschulgesetz stärken wir die Wissenschaftsfreiheit der einzelnen Wissenschaftlerin oder des Wissenschaftlers, aber gleichzeitig auch die Freiheit der Wissenschafts-Institution als Ganzer. Beides gehört zusammen, um die Handlungsfähigkeit unserer Hochschulen im internationalen Wettbewerb sicherzustellen“, sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer.

Eigener Status für Doktoranden: Starke Stimme für die junge Generation

Die LHG-Novelle setzt darüber hinaus neue Schwerpunkte. Erstmals in Deutschland werden die Doktoranden in einer eigenen Gruppe zusammengefasst und die Promovierenden erhalten einen eigenen Status in den Hochschulgremien. „Die Doktoranden markieren immer den Beginn einer neuen Forschergeneration“, sagt Bauer. „Sie hinterfragen noch unvoreingenommen und ihre Arbeit ist grundlegend für die Forschungskraft unserer Hochschulen. Deshalb wollen wir ihre Sichtbarkeit und ihr Gewicht in den Universitäten stärken.“

Promovierende werden also künftig wie Studierende oder wissenschaftliche Mitarbeiter zu einer eigenen Mitgliedergruppe. Sie sind damit nicht länger wie bisher als Minderheiten in den beiden anderen Statusgruppen aufgeteilt. Gegenwärtig promovieren rund 30.000 Doktorandinnen und Doktoranden an Baden-Württembergischen Universitäten.

Verlässliche Grundlage für Promotionen von HAW-Absolventen

Das neue Gesetz verbessert auch die Bedingungen für kooperative Promotionen. Talentierte Studierende einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) sollen bessere Möglichkeiten erhalten, zu promovieren, indem HAW-Professoren an die Fakultät einer Universität assoziiert werden können. Mit der Assoziierung in eine universitäre Fakultät können sie Promovierende eigenständig betreuen, ohne weitere inneruniversitären Rechte und Pflichten in der akademischen Selbstverwaltung.

„Unsere Hochschullandschaft in Baden-Württemberg zeichnet sich durch ihre Vielfalt und Differenzierung aus. Gerade hier ist es wichtig, dass Umstiege und Kombinationen möglich sind und dass sie gelebt werden. Die Assoziierung ist deshalb ein wichtiger Schritt, um auch hinsichtlich der Promotion mehr Chancengleichheit in den Bildungskarrieren herzustellen“, so Bauer.

Es ist ein Anliegen des Landes, dass jeder und jede die Möglichkeiten hat, sich gemäß seiner Fähigkeiten zu entfalten – unabhängig von Milieu oder Herkunft. Deshalb ist auch zu gewährleisten, dass ein erfolgreicher  Master-Abschluss an einer HAW anschlussfähig ist zu einer anschließenden Promotion. Das Land unterstützt mit dem neuen Schritt die Möglichkeiten für HAW-Professoren, Verantwortung für die Betreuung von Doktoranden zu übernehmen. 

Neue Spielräume für Gründer an den Hochschulen

Die LHG-Novelle erweitert die Möglichkeiten der Hochschulen, Unternehmensgründungen aus ihrem Umfeld zu fördern. Hochschulen können künftig Gründerinnen und Gründern erlauben, Einrichtungen der Hochschule bis zu drei Jahren zu nutzen, wenn sie zuvor Mitglieder der Hochschule waren.

„Dadurch erleichtern wir den Übergang von der Lehre oder der Forschung in die Gründung in einer entscheidenden Phase. Wir wollen, dass unsere Hochschulen aktiv ein gutes Umfeld für Gründungsgeist schaffen. Wir wünschen uns Absolventen und Forscher, die mutig genug sind, etwas eigenes zu wagen -  und schlau genug, um damit erfolgreich zu sein“, sagt die Wissenschaftsministerin.

Rektorate bleiben handlungsfähig

Der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg hat dem Gesetzgeber aufgetragen, dem Gebot der Wissenschaftsfreiheit stärker zu entsprechen. Dies wurde vom Gericht insbesondere als individuelles Freiheitsrecht der Hochschullehrerinnen und -lehrer sowie ihrer gewählten Vertretung im Senat interpretiert. Diese müssen bei allen wesentlichen wissenschaftsrelevanten Entscheidungen von Forschung und Lehre die Mehrheit haben. 

Der Verfassungsgerichtshof ließ offen, ob die Kompetenzverteilung zwischen Rektorat und Senat verschoben wird. Je stärker jedoch die Handlungsspielräume beim Rektorat verortet wären, desto ausgeprägter müsse im Gegenzug eine Möglichkeit vorgesehen werden, dass die Mehrheit der Hochschullehrer eigenständig das Rektorat abwählen könne – ohne die Beteiligung weiterer Statusgruppen, Hochschulgremien oder des Wissenschaftsministeriums. Bauer: „Wir haben uns bewusst für starke Hochschulleitungen entschieden. Wir halten entscheidungs- und strategiefähige Rektorate für unverzichtbar. Deshalb werden wir die Handlungsfähigkeit der Rektorate nicht beeinträchtigen, sondern ihre Kompetenzen erhalten.“

Im Gegenzug wird nun ergänzend zur bisherigen Regelung im Landeshochschulgesetz ein exklusives Recht für die Gruppe der Professoren eingeführt: Im Fall einer tiefen Vertrauenskrise zwischen Rektorat und Professorenschaft - also einer Ausnahmesituation an einer Hochschule - dürfen künftig die Hochschullehrer die hauptamtlichen Rektoratsmitglieder über den Weg einer Ur-Abwahl des Amtes entheben. Hierfür muss die Mehrheit der Professorinnen und Professoren an der gesamten Hochschule für die Abwahl stimmen. Diese Mehrheit muss außerdem an mindestens der Hälfte aller Fakultäten oder Sektionen erreicht werden. Zuvor muss es die Gelegenheit für Anhörungen und Stellungnahmen geben. Ein solches mehrstufiges Verfahren ermöglicht eine reflektierte Entscheidung und eine breite Beteiligung der Professorinnen und Professoren. 

Die Dekane werden künftig nicht mehr qua Amt Mitglied im Senat sein, sondern als gewählte Vertreter ihrer Fakultät. In Zukunft werden alle professoralen Senatsmitglieder als Vertreter ihrer Fakultäten gewählt. Bauer: „Auf diese Weise entsprechen wir dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes, die Mehrheit der gewählten Hochschullehrer zu garantieren. Der Senat wird jedoch nicht durch zusätzliche Mitglieder aufgebläht.“

Das Gesetz geht nun in die Anhörungsphase. Die Einbringung in den Landtag ist für Anfang Januar 2018 vorgesehen.

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