Kooperation, Hi-Tech, Ökologie – das waren die Botschaften von Ministerpräsident Winfried Kretschmann auf seiner ersten Indienreise. Auf der Sondierungsreise ging es auch darum, ein Gefühl für Indien zu bekommen.
Am vorletzten Tag seiner Indienreise hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann sich mit der wissenschaftlichen Kooperation beschäftigt. An der renommierten Ingenieurs-Universität IIT Bombay in Mumbai hielt er am Freitag eine Grundsatzrede zur Zukunft von Energie und Mobilität. Dabei wies er auf das enge Zusammenspiel von Wirtschaft und Umweltschutz hin: „Ich bin mir bewusst, wie wichtig Wirtschaftswachstum ist“, sagte er. „Aber es darf nicht auf Kosten der Natur gehen“. Er rief die Wissenschaftler und Studenten auf, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, zum Beispiel zur Elektromobilität.
Auch gegen geschlossene Grenzen sprach Kretschmann sich aus: „Wir erleben heute leider in Teilen der Welt eine Abschottung“, sagte er „Ich bin überzeugt, dass Protektionismus vielleicht ein lokales wirtschaftliches Strohfeuer auslösen kann, das Wachstum aber auf Dauer bremsen wird.“
Das IIT Bombay gehört zu den am höchsten angesehenen Universitäten in Indien. Im „QS University Ranking“ steht sie nur hinter dem Indian Institute of Science in Bangalore und dem IIT in Neu Delhi. Im weltweiten Vergleich steht das IIT Bombay auf Platz 219. Zum Vergleich: Die deutsche Universität mit der besten Bewertung ist die TU in München. Sie steht weltweit auf Platz 60. Insgesamt gibt es in Indien 23 ingenieurwissenschaftliche IIT-Institute.
Ein Gefühl für Indien bekommen
Kretschmanns Indienreise hatte am Montag in der Industriestadt Pune begonnen. „Ich sehe aktuell ein Zeitfenster mit einer gewissen Dynamik in Indien“, kommentierte der Politiker seine erste Reise auf den Subkontinent. „Das könnte auch entscheidend für deutsche Unternehmen sein, die hier einen Fuß in die Tür bekommen wollen.“
Die Reise gilt offiziell als Sondierungsreise, große bilaterale Verträge gab es nicht. „Wir müssen erst einmal ein Gefühl für Indien bekommen“, so der Politiker. Kretschmann und Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut betonten jedoch die seit 2015 bestehende Partnerschaft zwischen Baden-Württemberg und Indiens wirtschaftlich stärkstem Bundesstaat Maharashtra, in dem auch Pune und Mumbai liegen. Zudem verkündete Kretschmann, dass das Bundesland eine ständige Vertreterin in Maharashtra bekommt. Am Samstag endet die sechstägige Delegationsreise mit einem Besuch in Bangalore.
Kleinigkeiten machen viel aus
„Wir müssen auch vorsichtig sein, wenn wir mit unseren Vorstellungen hierher kommen und denken, alles würde wie gewohnt funktionieren“, sagt Kretschmann. Er bezieht sich damit auf das indische Wirtschaftsleben. Aber auch die Kultur und die Gepflogenheiten überraschen die mehr als 100-köpfige Delegation ein ums andere Mal.
Immer wieder erwähnt Kretschmann zum Beispiel eine Anekdote, die ihm ein deutscher Unternehmer in Indien erzählt hat: „Die konnten eine Waschmaschine nicht verkaufen, weil die Tür an der falschen Stelle war. In Indien wollen die Kunden die Waschmaschine von oben befüllen, nicht von vorne. Solche Kleinigkeiten machen manchmal viel aus.“
Trotzdem wird der grüne Ministerpräsident nicht müde, auch die Gemeinsamkeiten zu betonen. „Maharashtra und Baden-Württemberg haben eine sehr ähnliche Wirtschaftsstruktur.“ Dort liegen auch Pune und Mumbai, die beiden Städte, in denen die Delegation sich am längsten aufhält. Schwerpunkte der Wirtschaft sind Chemie, Maschinenbau, Automobile und Informationstechnologie. Maharashtra steht für das boomende Indien der vergangenen Jahre.
Lösungen Made in Baden-Württemberg
Aber Maharashtra steht auch für viele Probleme. Im letzten Sommer litt der Staat unter einer so schlimmen Dürre, dass ein Gericht Sportveranstaltungen verbot, weil der Rasen in den Stadien nicht mehr gewässert werden konnte. Menschen verhungerten, in mehreren Güterzügen wurde tonnenweise Wasser in die verdorrenden Gebiete gebracht. Gleichzeitig leitet die Stadt Mumbai täglich rund zwei Milliarden Liter Abwasser ungeklärt ins Meer, wie Kretschmann im Gespräch mit dem Stadtvorsteher Ajoy Mehta erfährt.
Probleme, die Kretschmann am liebsten mit deutscher Technologie gelöst sähe. Wie das gehen kann, schaut er sich etwa beim Besuch der Niederlassung von Bosch Chassis Systems in Pune an. Dort werden zum Beispiel Brems- und Fahrassistenten für Autos und Motorräder entwickelt und gebaut. Man wolle dazu beitragen, die rund 150.000 Verkehrstoten pro Jahr auf Indiens Straßen zu reduzieren. „Ich habe den Eindruck, dass deutsche Hersteller von Investitionsgütern es zurzeit leichter in Indien haben als Hersteller von Konsumgütern“, lautet Kretschmanns Einschätzung nach einigen Besuchen dieser Art.
Quelle:
dpa/lsw