Im Interview mit RATIO KOMPAKT spricht Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut über das Thema Unternehmensnachfolge und Übernahme. Wichtig sei vor allem die rechtzeitige Nachfolgeplanung und ein transparenter Prozess.
RATIO KOMPAKT: Frau Dr. Hoffmeister-Kraut, für wie relevant halten Sie die Nachfolgeplanung für die Wirtschaft im Ländle?
Nicole Hoffmeister-Kraut: Für sehr relevant. Die geburtenstarken Jahrgänge stehen kurz davor, ins Rentenalter einzutreten. Das betrifft auch Unternehmensinhaberinnen und -inhaber und damit nach einer Schätzung des Instituts für Mittelstandsforschung bis 2018 rund 19.000 Betriebe. Das Thema Unternehmensnachfolge wird also schon rein quantitativ immer virulenter.
Was bedeutet das für die Wettbewerbsfähigkeit Baden-Württembergs?
Hoffmeister-Kraut: Die Erfahrung zeigt: Ohne rechtzeitige Nachfolgeplanung ziehen sich die Inhaber mit steigendem Alter sowohl aus Investitionen in den eigenen Betrieb als auch aus weiterer Innovationstätigkeit zurück. Das Land verliert dadurch ein enormes Potenzial.
Es gibt ganz unterschiedliche Optionen: Übergabe in der Familie, Übernahme durch Externe, Verkauf – haben Sie da Präferenzen?
Hoffmeister-Kraut: Entscheidend ist, dass der Bestand, die Innovationskraft und die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Das Lebenswerk in sichere Hände weiterzugeben, ist ein sensibles und emotionales Thema, bei dem eine familieninterne Nachfolge leichter fallen mag. Diese Lösung verliert aber leider zunehmend an Bedeutung. Nur noch rund 50 Prozent der Betriebe werden innerhalb der Familie übergeben. Es macht daher auch Sinn, sich mit einer Nachfolge von außerhalb zu befassen.
Sie kommen selbst aus einer Unternehmerfamilie und haben eine Übergabe persönlich mitgestaltet – wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen?
Hoffmeister-Kraut: Die Unternehmensübergabe in unserer Familie ist erfolgreich gelungen. Wichtig ist ein offener, ehrlicher und transparenter Prozess. Die Familie sollte möglichst frühzeitig vor der Übergabesituation klare Regeln definieren.
Das Land nimmt Geld in die Hand für Beratungsleistungen und Coaching und fördert die Bereiche Nachfolge und Übernahme ganz bewusst. Warum?
Hoffmeister-Kraut: Wir sind eine der innovativsten Regionen Europas. Unsere starken mittelständischen Unternehmen zeichnen sich durch hohe Wettbewerbsfähigkeit aus, es gibt wenige Insolvenzen. Als einziges Bundesland setzen wir auf Coachings für Übergeber und Nachfolgeinteressierte und auf Nachfolgemoderation für gelingende Nachfolge. Nachfolgern bieten wir darüber hinaus für eine Übernahme dieselben Finanzierungsangebote, wie sie Neu-Gründer auch erhalten können.
Halten Sie eine professionelle Begleitung in der Zeit der Übergabe generell für erforderlich?
Hoffmeister-Kraut: Eine professionelle Begleitung kann situationsbezogen sinnvoll sein, um die Nachfolgeentscheidung sowie -regelung zu gestalten. Erforderlich ist hierbei eine neutrale Begleitung im Nachfolgeprozess. Wir fördern seit über 15 Jahren Nachfolge-Moderatoren, die bei den IHK, Handwerkskammern und dem DEHOGA bei der Nachfolgesuche und bei der ausgeglichenen Moderation des Nachfolgeprozesses behilflich sind. Unsere Programme gelten bei der EU als vorbildlich.
Denken Sie, Familienunternehmen können heute noch einen Wettbewerbsvorteil für sich verbuchen?
Hoffmeister-Kraut: Familienunternehmen denken und handeln in langfristigen, großen Linien – das ist ihr großer Wettbewerbsvorteil. Nehmen Sie beispielsweise Schlagworte wie Nachhaltigkeit oder Mitarbeiterbindung. Das hat an Relevanz gewonnen und wurde hauptsächlich von Familienunternehmen vorangetrieben. Hinzu kommt oft der enge Bezug zum eigenen Produkt, für das oft der Name der Familie steht. Große Konzerne haben es schwerer, solche Attribute glaubwürdig zu vermitteln.
Tun diese sich leichter, Fach- und Führungskräfte zu gewinnen?
Hoffmeister-Kraut: Leichter nicht. Aber auch nicht schwerer. Mittelständische Unternehmen können bei Bewerbern oft mit flachen Hierarchien, der Chance auf mehr Verantwortung und einem guten Ruf punkten. In Verbindung mit einem guten Talentmanagement können gerade Familienunternehmen wichtige Positionen oft aus der eigenen Belegschaft nachbesetzen.
Muss immer alles neu gemacht werden: Produkte, Geschäftsfelder, Prozesse, Organisationsstrukturen? Und welche Rolle spielt hier die junge Generation?
Hoffmeister-Kraut: Nicht zwingend neu. Aber diese Dinge müssen beständig weiterentwickelt werden, um Wettbewerbsvorteile zu sichern, innovativ zu sein, das macht ja auch das unternehmerische Gen aus. Genau das eröffnet ja neue Geschäftsfelder, Märkte und Chancen. Wir sind gerade dabei, die baden-württembergischen Unternehmen mit der Allianz Industrie 4.0 zum Vorreiter in der Digitalisierung zu machen. Für die junge Generation, die Digital Natives, ist dieser Schritt vielleicht selbstverständlicher und leichter als für die ältere Generation.
Stichworte Globalisierung und Digitalisierung – sind die Jüngeren da tatsächlich innovativer?
Hoffmeister-Kraut: Das ist keine Frage des Alters! Innovationskraft basiert ja auf mehreren Faktoren. Baden-Württemberg profitiert – unabhängig vom Altersdurchschnitt – von qualifizierten Fachkräften, ideenreichen mittelständischen Unternehmen und hohen Investitionen in Wissenschaft und Forschung. Erfahrung und neue Ideen – Hand in Hand.
Der Verkauf an strategische Investoren nimmt weiter zu, chinesische Investoren gewinnen mehr und mehr an Bedeutung – wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Hoffmeister-Kraut: Grundsätzlich profitiert Baden-Württembergs exportorientierte Wirtschaft von international aufgestellten Unternehmen. Daher sollten wir uns eine positive Einstellung gegenüber ausländischen Direktinvestitionen bewahren, denn auch baden-württembergische Unternehmen investieren ja stark im Ausland. Bei technologisch sensiblen Bereichen und bei Investitionen durch staatseigene Betriebe gilt es gleichwohl, Chancen und Risiken gegeneinander abzuwägen. Insbesondere dann, wenn für unsere Unternehmen im Gegenzug nicht die gleiche Investitionsfreiheit in den jeweiligen Ländern herrscht. Dieser Grundsatz gilt für China genauso wie für andere Länder.
So ein Generationswechsel will gut vorbereitet sein. In welchen Zeiträumen sollte man da denken?
Hoffmeister-Kraut: Wichtig ist einfach, sich frühzeitig und für alle transparent mit dem Thema ernsthaft zu befassen. Für alle Beteiligten in diesem Prozess muss klar sein, zu welchen Regeln der Übergang erfolgen soll, unabhängig davon, wie lange es bis dahin noch dauert.
Quelle:
Das Interview erschien in der Ausgabe Nr. 1-2017 im Magazin RATIO KOMPAKT des RKW Baden-Württemberg Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft.