Das Land trauert um den künstlerisch-wissenschaftlichen Vorstand des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM), Professor Peter Weibel, der am 1. März 2023 nach kurzer, schwerer Krankheit in Karlsruhe verstorben ist.
Das Land Baden-Württemberg trauert um den künstlerisch-wissenschaftlichen Vorstand des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM), Professor Peter Weibel, der am 1. März 2023 nach kurzer, schwerer Krankheit in Karlsruhe verstorben ist. Dem ZKM stand er seit 1999 vor.
Für den Kunststandort Baden-Württemberg eine Ära geprägt
„Peter Weibel war alles in einem: Künstler, Pionier, Rebell, Forscher, Medientheoretiker, Kurator, Professor, Kunstmanager, Visionär – ein modernes Universalgenie. Er hat die Grenzen zwischen Kunst, Wissenschaft und Technik aufgehoben. In seinem Wirken und Wirbeln hat Weibel das ZKM nicht nur an die Weltspitze der Museen geführt, sondern das Museum selbst zum Co-Produzenten von Kunst gemacht. Weibel hat Kunst nicht ausgestellt, sondern angestellt, die Perspektiven geweitet, und Gewissheiten über Bord geschmissen. Weibel war im ursprünglichsten Sinne Avantgarde: immer schon da, wo der Rest erst hinwollte. Er hat Kunst als soziale Praxis gelebt und sie immer auch als Absage an die Bestätigung des Bekannten verstanden. Peter Weibel hat für den Kunststandort Baden-Württemberg eine Ära geprägt und unser Land als weltweit geschätzter und viel beachteter Botschafter vertreten. Wir sind ihm zu großem Dank verpflichtet“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
„Peter Weibel war eine der prägenden Figuren des künstlerischen und intellektuellen Lebens der Gegenwart mit weltweiter Ausstrahlung. Er stand für Innovation und Mut und hatte auch jetzt noch viele Ideen und Pläne für seine ´postinstitutionelle Phase`, wie er sie genannt hat – es ist unvorstellbar, dass er diese nun nicht mehr umsetzen kann“, sagte die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Petra Olschowski.
Großer Visionär, der seiner Zeit stets voraus war
„Mit Peter Weibel verlieren wir einen bedeutenden Medienkünstler und einen großen Visionär, der seiner Zeit stets voraus war“, so Ministerin Olschowski weiter. Peter Weibel habe das ZKM als künstlerisch-wissenschaftlicher Vorstand nicht nur geprägt, sondern definiert. „Es ist ihm mit seinen avancierten Ansätzen und seinem kompromisslosen Einsatz für die Kunst gelungen, den baden-württembergischen Leuchtturm ZKM gleichsam als Inkubator für zahlreiche künstlerische Ausdrucksformen und für kunsttheoretischen Diskurs an die Spitze der bedeutendsten Museen der Welt zu bringen. Peter Weibel war auch ein großer Kommunikator und Erklärer, der Zusammenhänge hergestellt und Entwicklungslinien aufgezeigt hat. Er hat sich jederzeit aktiv, manchmal provozierend, aber immer bereichernd in kulturpolitische und gesellschaftliche Debatten eingemischt. Auch das macht ihn einzigartig.“
Vordenker unseres Landes
„Peter Weibel war ein großer Vordenker unseres Landes, einer der ganz großen Köpfe unserer Zeit. Er hat zuvorderst sich, freilich damit auch sein ganzes Umfeld angespornt, immer weiter und immer wieder neu zu denken. Wir trauern um einen intellektuellen Motor, der Impulse weit über die Landesgrenzen gesetzt hat. Peter Weibel wird dem Land, wird uns fehlen“, sagte der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl zum Tod von Professor Peter Weibel.
Zur Person: Peter Weibel
Für seine außerordentlichen Verdienste wurde Prof. Peter Weibel 2008 der Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg verliehen. Eine Verleihung des Bundesverdienstkreuzes war im Zuge seiner Verabschiedung Ende März 2023 geplant. Sein letztes großes Projekt als ZKM-Vorstand war die Ausstellung „Renaissance 3.0.“, die sich mit neuen Allianzen von Kunst und Wissenschaft im 21. Jahrhundert befasst. Sie wird Ende März mit einem Veranstaltungswochenende eröffnet.
Der oft als Nomade zwischen Wissenschaft und Kunst betitelte Österreicher Weibel wurde 1944 in Odessa geboren. Er war Künstler, Ausstellungskurator und Kunst- und Medientheoretiker, der neben seinen zahlreichen Tätigkeiten in Institutionen auch stets Zeit für eine intensive publizistische und kuratorische Tätigkeit fand und sich als streitbarer Intellektueller auch zu politischen Themen äußerte. Seit 1984 war er Professor für visuelle Mediengestaltung an der Universität Wien, später dann Direktor eines nach ihm benannten Instituts. Weibel war international bestens vernetzt und Träger zahlreicher nationaler und internationaler Auszeichnungen.
Bedeutende Stationen seines Schaffens waren unter anderem seine Tätigkeit für die Ars Electronica in Linz in den 1980er und 1990er Jahren. Von 1993 bis 1999 kuratierte er den Pavillon des Staates Österreich auf der Biennale von Venedig. Als Nachfolger des Gründungsdirektors Heinrich Klotz leitete der Österreicher seit 1999 das ZKM, das er gerne als „Raumschiff mit unglaublicher Flughöhe“ bezeichnete. Ab April 2023 wird der Brite Alistair Hudson die Leitung übernehmen.
Das Werk von Peter Weibel umfasst ein ungewöhnlich breites Spektrum künstlerischer Formate – von Performance, Film, Expanded Cinema, Klangkunst und Videokunst bis hin zur digitalen Kunst – und ist deutlich von seiner theoretischen Arbeit beeinflusst. Aus seiner Auseinandersetzung mit Sprachphilosophie, Kunst- und Filmgeschichte, Erkenntnistheorie, politischer Philosophie, Automatentheorie, Mathematik und Physik leitet Weibel eine Vielfalt von Inhalten und Formen ab, um die für ihn zentralen Fragen immer wieder neu zu thematisieren: die Frage nach der Konstruktion von Wirklichkeit sowie nach den Bedingungen von Gerechtigkeit für den Einzelnen und die Gesellschaft. Peter Weibel selbst betont, Kunst sei für ihn ein „Akt der Erkenntnis“ – sowohl auf Seiten des Künstlers als auch auf Seiten des Publikums.