Sicherheit

Verfassungsschutzbericht 2018 vorgestellt

Innenminister Thomas Strobl (r.) zeigt während einer Pressekonferenz den Verfassungsschutzbericht 2018 Baden-Württemberg, daneben sitzt Beate Bube (l.), Präsidentin des Landesamtes für Verfassungsschutz (Bild: © picture alliance/Marijan Murat/dpa)
Innenminister Thomas Strobl (r.) und die Präsidentin des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, Beate Bube (l.)

Gefahr für die Demokratie im Land kommt aus allen extremistischen Bereichen. Dazu zählen der islamistische Extremismus, Rechts- und Linksextremismus oder die Reichsbürgerbewegung. Innenminister Thomas Strobl stellte gemeinsam mit der Präsidentin des Landesamts für Verfassungsschutz, Beate Bube, den Verfassungsschutzbericht 2018 vor.

„Der Verfassungsschutz steht vor großen Herausforderungen. Die Anforderungen haben in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen und es ist absehbar, dass sie noch weiter steigen werden. Unserer Demokratie drohen Gefahren aus allen extremistischen Bereichen – nicht nur aus dem weiterhin bedrohlichen Bereich des islamistischen Extremismus und Terrorismus, sondern auch von Rechts- und Linksextremisten, Reichsbürgern und Selbstverwaltern, extremistischen Ausländern oder der Scientology-Organisation“, fasste der Stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl zusammen. Gemeinsam mit der Präsidentin des Landesamts für Verfassungsschutz, Beate Bube, stellte er den Verfassungsschutzbericht 2018 vor.

Gefahr von Islamismus weiterhin hoch

„Der internationale islamistisch motivierte Terrorismus bleibt auf absehbare Zeit eine der größten Herausforderungen für die deutschen Sicherheitsbehörden, auch in Baden-Württemberg. Die islamistischen Strukturen in unserem Land müssen weiter aufmerksam von unseren Sicherheitsbehörden überwacht werden, um frühzeitig geplante Anschläge zu erkennen und vereiteln zu können. Die Zahl der Islamisten hat sich erneut erhöht, die Gefahr islamistischer Gewalttaten ist also weiterhin groß“, erklärte Innenminister Thomas Strobl.

Das LfV beobachtet derzeit etwa 3.800 Islamisten in Baden-Württemberg. Das ist ein Anstieg von rund 200 Personen im Vergleich zum Vorjahr. „Ein besonders starker Anstieg ist bei der Zahl der Salafisten zu beobachten. Nach 950 erfassten Salafisten im Jahr 2018 ist im ersten Halbjahr 2019 das salafistische Personenpotenzial auf 1.170 Personen gestiegen. Damit hat die Zahl der Salafisten erneut stark zugenommen. Das hat vor allem damit zu tun, dass vermehrt Hinweise eingehen und eine weitere Aufklärung der Szene möglich war. Nachdem der sogenannte Islamische Staat (IS) territorial nicht mehr existiert, ist davon auszugehen, dass verbliebene IS-Kämpfer im Untergrund Anschläge planen. Die terroristische Gefahr, die vom IS ausgeht, ist nach wie vor nicht gebannt. Der Verfassungsschutz hat die islamistische Szene daher weiter sehr aufmerksam im Blick“, erläuterte Minister Thomas Strobl.

Gefährdungslage durch Syrienrückkehrer

Es gab im Jahr 2018 nur vereinzelte Rückreisen aus den Kampfgebieten in Syrien und dem Irak. Große Rückkehrerwellen von jihadistischen Akteuren nach Deutschland sind bislang ausgeblieben. Ein großes Sicherheitsrisiko geht von Rückkehrern aus, die der Ideologie des IS weiterhin verhaftet sind und möglicherweise zu militanten Aktionen und Terroranschlägen bereit sind. Sie stehen im besonderen Fokus der Sicherheitsbehörden. Die deutschen Sicherheitsbehörden sind aktiv bestrebt, weitere Ausreiseplanungen frühzeitig wahrzunehmen und zu verhindern. „Aus Baden-Württemberg wurden 2018 keine Ausreisen bekannt. Die zu erwartenden Rückkehrer müssen wir genau im Blick behalten und sie gegebenenfalls im Rahmen unserer Rechtsordnung strafrechtlich belangen“, betonte Thomas Strobl.

Anstieg der politisch motivierten Kriminalität

Die seit Jahren angespannte Lage in der Türkei hat auch weiterhin direkte Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland und Baden-Württemberg. Auch 2018 kam es zu zahlreichen Reaktionen der PKK-Szene in Baden-Württemberg gegen die türkische Militäroperation gegen Stellungen der PKK und ihrer syrischen Schwesterorganisation PYD in Syrien. Trotz Verbots wurden bei den Protestveranstaltungen immer wieder PKK-Symbole gezeigt und entsprechende Parolen skandiert.

Im Jahr 2018 hat sich die Zahl extremistischer Straftaten im Bereich „Politisch motivierte Kriminalität – Ausländische Ideologie“ mit 281 im Vergleich zu 128 im Vorjahr mehr als verdoppelt. Das hängt vor allem mit den Protesten gegen die türkische Militäroffensive zusammen, bei denen es zu zahlreichen Verstößen gegen das Vereinsgesetz und zu Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte kam.

„Durch die weiterhin bestehende Konfliktlage in der Türkei besteht nach wie vor die Gefahr von gewalttätigen Eskalationen zwischen kurdischen und türkischen extremistischen Organisationen auch in Baden-Württemberg. Wir müssen daher die weitere Entwicklung in der Türkei und die Aktivitäten der ausländerextremistischen Organisationen fest im Blick behalten“, unterstrich der Minister.

Rechtsextremistisch motivierte Straf- und Gewalttaten leicht gestiegen

Die Gesamtzahl der Rechtsextremisten in Baden-Württemberg stieg 2018 auf rund 1.700 gegenüber circa 1.630 im Jahr 2017. Der langjährige Trend weist jedoch in die entgegengesetzte Richtung: Seit 1993 hat die Szene mehr als drei Viertel ihrer Anhänger verloren. Das gewaltorientierte Spektrum stagnierte 2018 im Vergleich zu 2017 bei circa 770 Personen. Die Zahl rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten stieg nach zwei Jahren des Rückgangs auf 48 an. 2017 lag sie noch bei 39 Gewalttaten, 2016 bei 44 Gewalttaten, 2015 bei 71 Gewalttaten. Dieselbe Tendenz war bei den rechtsextremistisch motivierten Straftaten insgesamt zu beobachten: Hier stieg die Zahl nach zwei Jahren des Rückgangs von 1.318 im Jahr 2017 auf 1.375; damit lag sie im langjährigen Vergleich relativ hoch. Es kann deshalb keine Entwarnung gegeben werden. „Rechtsextremistische, ideologisch-fanatische Gewaltbereitschaft und ihre möglichen Folgen dürfen keinesfalls unterschätzt werden. In Baden-Württemberg gibt es zwar derzeit keine Hinweise auf konkrete Anschlagsplanungen. Grundsätzlich besteht aber auch in Deutschland und Baden-Württemberg das Risiko, dass rechtsextremistische Einzeltäter oder Gruppen Gewalttaten bis hin zu schweren Anschlägen verüben. Diese Gefahr müssen wir ernst nehmen und ihr mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln entgegentreten“, erklärte Innenminister Thomas Strobl.

"Verbreitung extremistischer Ideologie verhindern"

Die seit Dezember 2015 unter Beobachtung stehende „Identitäre Bewegung“ (IB) verfügt im Land über ein Personenpotenzial von insgesamt circa 100 Mitgliedern. Sie tritt nach wie vor im Internet, mit Aktionen wie Flugblattverteilungen, regionalen Stammtischen sowie Informationsständen in Fußgängerzonen, den sogenannten „IB-Zonen“ in Erscheinung. „Da die fremdenfeindliche Bewegung vor allem junge Erwachsene anspricht, werden wir sie im Fokus behalten, um eine weitere Verbreitung ihrer extremistischen Ideologie zu verhindern“, sagte Thomas Strobl. Seit November 2018 beobachtet das LfV den Landesverband der „Jungen Alternative“ (JA BW), der Jugendorganisation der Alternative für Deutschland (AfD). Aus den programmatischen Schriften, Äußerungen und Positionen von Funktionären und Gliederungen der JA BW ergeben sich Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. So finden sich zum Beispiel fremdenfeindliche Beiträge in sozialen Medien. Außerdem bestehen Bezüge der JA BW zu rechtsextremistischen Gruppierungen wie der IB, die auf gemeinsame verfassungsfeindliche politische Ziele hindeuten. Teilweise bestehen sogar personelle Überschneidungen zwischen den Organisationen.

Reichsbürger und Selbstverwalter: Affinität zu Schusswaffen

Dem Milieu der Reichsbürger und Selbstverwalter gehören aktuell schätzungsweise 3.200 Personen in Baden-Württemberg an, darunter circa 2,6 Prozent Rechtsextremisten. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 47 Straftaten von Reichsbürgern und Selbstverwaltern gezählt, darunter 6 Gewaltdelikte, gegenüber 77 Straftaten und 12 Gewaltdelikten im Vorjahr.

Die den deutschen Staat ablehnenden Reichsbürger und Selbstverwalter haben eine besondere Affinität zu Schusswaffen. In der Zeit vom 1. Februar 2017 bis zum 31. Januar 2019 konnten bereits rund 100 waffenrechtliche Erlaubnisse von Reichsbürgern und Selbstverwaltern endgültig widerrufen werden. Von den Maßnahmen waren über 300 erlaubnispflichtige Waffen betroffen, die sich nicht länger in den Händen von Reichsbürgern befinden. Das LfV hat bei einem Großteil dieser Fälle mitgewirkt und Erkenntnisse an die Waffenbehörde weitergeleitet. „Dies zeigt, dass wir konsequent gegen diese in Teilen gewaltbereite Szene vorgehen“, so Thomas Strobl.

Linksextremismus – Anstieg des Personenpotenzials, Rückgang der Straftaten

In Baden-Württemberg ist die Zahl der Linksextremisten 2018 erneut gestiegen, von 2.780 Personen im Jahr 2017 auf nunmehr 2.950 Personen. Die Zahl gewaltorientierter Linksextremisten hat sich auf 880 Personen gegenüber 860 Personen im Vorjahr erhöht. Insgesamt ist damit ein bereits seit Jahren anhaltender Aufwärtstrend des Linksextremismus in Baden-Württemberg festzustellen. Bei den linksextremistisch motivierten Straftaten war in Baden-Württemberg ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen, von 461 im Jahr 2017 auf 334, ebenso bei den Gewalttaten, von 69 im Jahr 2017 auf 60. Als Grund für die rückläufigen Zahlen nannte Innenminister Strobl das Fehlen von Großereignissen für die Szene im Land sowie die Nachwirkung des Verbots der Internetplattform linksunten.indymedia vom 25. August 2017 durch den Bundesminister des Innern. Die fortgesetzten Ermittlungen nach den gewaltsamen Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg vom Juli 2017 seien ebenfalls ein Grund für die Szene gewesen, sich weitgehend zurückzuhalten.

Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz – Deutschland und Baden-Württemberg im Fokus ausländischer Nachrichtendienste

Aufgrund seiner politischen und wirtschaftlichen Bedeutung war Baden-Württemberg auch 2018 Ziel von Spionageaktivitäten fremder Geheimdienste. Wie bereits in den Vorjahren waren in den Bereichen der Cyber- und Wirtschaftsspionage die Dienste Russlands und Chinas besonders aktiv. Aber auch der Iran und die Türkei entfalteten hierzulande intensive Aufklärungsaktivitäten, die sich vor allem gegen oppositionelle Bestrebungen ihrer in Deutschland lebenden Staatsbürger richteten.

Die Zahl der Cyberangriffe durch ausländische Geheimdienste oder von diesen beauftragten Hacker-Gruppierungen nimmt weltweit stetig zu. Ihre Vorgehensweisen werden immer ausgefeilter und komplexer. Insoweit ist auch die Abwehrarbeit auf diesem Gebiet eine besondere Herausforderung, der das LfV in enger Kooperation mit den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der anderen Bundesländer begegnet.

Um kleinere und mittlere Unternehmen zielgerichtet beim Auf- und Ausbau präventiver Sicherheitsmaßnahmen zu unterstützen, hat das Innenministerium Baden-Württemberg in Kooperation mit dem Sicherheitsforum im Jahr 2018 die Durchführung einer Studie beauftragt, mit der die Bedrohungslage durch Cyber-Angriffe und sonstige Formen der Ausspähung am Standort Baden-Württemberg umfassend bestimmt werden soll. „Die Ergebnisse dieser Studie und ein Informationsschutzkonzept, das Unternehmen auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse konkrete Handlungsempfehlungen und Orientierungshilfen bieten soll, werden wir voraussichtlich noch in diesem Sommer veröffentlichen“, kündigte Minister Thomas Strobl an.

Scientology-Organisation – Neues SO-Zentrum in Stuttgart eröffnet

Auch Scientology muss der Verfassungsschutz trotz stagnierender Mitgliederzahlen in Baden-Württemberg aufmerksam beobachten. Im September 2018 eröffnete Scientology ein neues Zentrum mit überregionaler Bedeutung in einer prestigeträchtigen Immobilie im Stuttgarter Europaviertel. Die neue Niederlassung soll für eine Intensivierung der Mitgliederwerbung genutzt werden.

Innenministerium: Verfassungsschutzbericht 2018

Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg

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