Stadt, Landkreis und Land haben eine Vereinbarung zur Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Sigmaringen unterzeichnet. Das Erstaufnahmekonzept der Landesregierung sieht vor, dass es in jedem Regierungsbezirk dauerhaft eine Erstaufnahmestelle geben soll. Die Vereinbarung regelt unter anderem, wie lange die Flüchtlinge in der Einrichtung verweilen und welchen Ausgleich Stadt und Landkreis bekommen.
Der Sigmaringer Bürgermeister Thomas Schärer, Sigmaringens Landrätin Stefanie Bürkle und Ministerialdirektor Julian Würtenberger, der Amtschef des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration, haben am 13. Oktober 2017 einen Vertrag zur Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Sigmaringen unterschrieben.
Im November 2016 hatte das Land Baden-Württemberg die Grundzüge einer Erstaufnahmekonzeption vorgestellt. Diese sieht vor, dass in jedem Regierungsbezirk eine Erstaufnahmeeinrichtung dauerhaft betrieben wird. Für den Regierungsbezirk Tübingen ist Sigmaringen als Standort vorgesehen. Die Stadt Sigmaringen, der Landkreis Sigmaringen und das Land Baden-Württemberg haben in intensiven Gesprächen eine schriftliche Vereinbarung ausgehandelt. Dieser hat der Gemeinderat der Stadt Sigmaringen in seiner Sitzung am 27. September 2017 zugestimmt und damit den Weg zur Vertragsunterschrift geebnet.
Bürgermeister Thomas Schärer erklärte bei der Vertragsunterzeichnung: „Die Stadt bekennt sich mit dieser Vereinbarung zu ihrer humanitären Aufgabe. Gleichzeitig gibt der ausgehandelte Kompromiss der Stadt genügend Spielraum für eine positive Entwicklung der Stadt, indem das interkommunale Gewerbegebiet unterstützt und so die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen ermöglicht wird.“
Gemeinsam der Aufgabe stellen
Landrätin Stefanie Bürkle sagte: „Diese Vereinbarung ist ein Commitment von Land, Stadt und Landkreis, dass wir uns gemeinsam der Erstaufnahme von Flüchtlingen stellen. Klärungsbedürftige Punkte wurden nun für alle Seiten verbindlich und in einem fairen Ausgleich untereinander vereinbart. Wichtige Punkte für den Landkreis, wie die Anzahl und Aufenthaltsdauer der Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung, die Unterstützung des interkommunalen Gewerbeschwerpunkts, wie auch die Einrichtung einer Polizeiwache und die Regelungen zu Gesundheitsuntersuchungen konnten positiv geklärt werden. Danken möchte ich Innenminister Thomas Strobl und dem Bürgermeister der Stadt Sigmaringen, Thomas Schärer, die sich aufeinander zubewegt und einen für alle Seiten tragfähigen Kompromiss verhandelt haben.“
Ministerialdirektor Julian Würtenberger, der Amtschef des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration, erklärte: „Für die Landesregierung ist klar: Bund, Land und Kommunen sind in einer Verantwortungsgemeinschaft. Gemeinschaftlich, solidarisch und verantwortungsbewusst gehen wir die Flüchtlingsunterbringung an. Deshalb haben wir Ende des letzten Jahres den Entwurf für eine Standortkonzeption vorgestellt, um eine Gesprächsgrundlage zu haben. Es war uns ganz wichtig, dass wir dann mit den Kommunen ins Gespräch kommen. Wir sind ganz bewusst bereits zu einem frühen Zeitpunkt an die Öffentlichkeit gegangen, um einen offenen und transparenten Dialog zu ermöglichen und eine einvernehmliche Lösung zu finden. Die Verhandlungen zur LEA Sigmaringen waren zugegebenermaßen schwierig – aber auch von einem offenen und vertrauensvollen Umgang geprägt. Jetzt hat das Land mit dem Ankunftszentrum in Heidelberg und den vier Landeserstaufnahmeeinrichtungen in allen Landesteilen ein gutes und tragfähiges Modell mit Zukunft.“
Im Ergebnis sind sich alle Verhandlungspartner entgegengekommen. So wurde vereinbart, dass in der LEA Sigmaringen im Regelbetrieb bis zu 875 Personen untergebracht werden können. Die Aufenthaltsdauer der Asylbewerber beträgt dabei in der Regel höchstens sechs Monate. Die LEA wird zusätzlich mit einer Polizeiwache ausgestattet sowie das Polizeirevier Sigmaringen personell verstärkt. Sofern die Flüchtlingszahlen weiter zurückgehen sollten, kann die LEA Sigmaringen ab 2020 in den Stand-by-Betrieb versetzt werden. Der ausgehandelte Kompromiss sieht vor, dass auf Basis einer Evaluation des Betriebsjahres 2020 im Jahr 2022 die Vereinbarung neu verhandelt wird.
Wesentliche Inhalte der Vereinbarung
- 875 Personen im Regelbetrieb der LEA: Die Stadt Sigmaringen hatte im Forderungskatalog 500 Personen als Obergrenze gefordert. Rechtlich gesehen hat die Stadt keine Handhabe, eine solche Obergrenze festzulegen. Da es allen Vertragsparteien daran gelegen ist, eine Zustimmung zu einer schriftlichen Vereinbarung zu erhalten, hat man den Mittelwert zwischen den Vorstellungen der Stadt und denen des Landes mit 1.250 Personen gewählt.
- Gesundheitsuntersuchungen: Zwischen dem Landkreis Sigmaringen und dem Land wurde eine Vereinbarung zu den Gesundheitsuntersuchungen geschlossen. Die Kosten trägt danach das Land nach Maßgabe der jeweils geltenden Kostentragungsregelungen.
- Dauer der Unterbringung: Asylbewerber werden in der LEA Sigmaringen in der Regel höchstens sechs Monate untergebracht.
- Stand-by-Betrieb: Zusätzlich wurde eine Regelung zum sogenannten „Stand-by-Betrieb“ gefasst. Sofern die Flüchtlingszahlen weiter zurückgehen, kann das Land die Erstaufnahmeeinrichtungen nach und nach in einen Stand-by-Betrieb überführen. In diesem Fall sollen die LEA Sigmaringen und Ellwangen als erste deaktiviert und für den Fall wieder ansteigender Flüchtlingszahlen als letzte wieder aktiviert werden.
- Polizeiwache in der LEA Sigmaringen: Für die Dauer des aktiven Betriebs wird das Polizeirevier lageorientiert personell verstärkt, zum Beispiel mit einer Ermittlungsgruppe. Auf dem Gelände wird eine Polizeiwache eingerichtet. Der Personaleinsatz für diese Wache wird nicht geregelt, da die Parteien einmütig der Auffassung sind, dass diese Entscheidungen von den Verantwortlichen der Polizei gefällt werden müssen.
- Keine Verpflichtung zur Anschlussunterbringung: Erstmals wird festgeschrieben, dass die Stadt keine Flüchtlinge zur Anschlussunterbringung aufnehmen muss, solange die LEA in Betrieb ist. Natürlich können Flüchtlinge in Sigmaringen trotzdem wohnhaft werden, sofern sie eigenständig Wohnraum finden. Bis heute haben alle Menschen mit Fluchthintergrund in der Stadt Sigmaringen über den privaten Wohnungsmarkt Unterkünfte finden können.
- Unterstützung der Stadt in ihren Konversionsanstrengungen: Das Land hat in den vergangenen Jahren die Stadt Sigmaringen bei ihren Konversionsanstrengungen unterstützt, zum Beispiel mit dem RegioWIN-Projekt „Innovationscampus Sigmaringen“. Das Land sichert zu, dass die Ausweisung eines interkommunalen Gewerbeschwerpunkts im Zuge der Fortschreibung des Regionalplans aktiv und positiv unterstützt wird. Auch in den Verhandlungen mit der BImA wird das Land die Stadt unterstützen.
- Keine Schließung der LEA Sigmaringen: Der Forderung nach einer Schließung der LEA Sigmaringen zum 31. Dezember 2020 konnte das Land nicht entsprechen. Der ausgehandelte Kompromiss sieht vor, dass auf Basis einer Evaluation des Betriebsjahres 2020 im Jahr 2022 die Vereinbarung neu verhandelt wird.