Die Halbjahresbilanz der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg zeigt Erfolge in der Luftreinhaltepolitik. An fast allen verkehrsnahen Messstellen im Land geht die Belastung mit Stickstoffdioxid deutlich zurück. Verschiedene Faktoren haben zu dieser positiven Entwicklung beigetragen.
An fast allen verkehrsnahen Messstellen im Land geht die Belastung mit Stickstoffdioxid (NO2) deutlich zurück. Dies zeigen die nun von der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) veröffentlichten Werte für das erste Halbjahr 2020.
Maßnahmen wirken
„Unsere Maßnahmen wirken: Mehr öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) zu besseren Tarifen, mehr Radwege und Tempobeschränkungen und Filtersäulen zeigen, die Luft wird besser. Es gilt die Werte dauerhaft und trotz Corona-Beschränkung einzuhalten“, betont Verkehrsminister Winfried Hermann.
„Eine Einhaltung des Jahresgrenzwertes von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft scheint somit für die meisten Messstellen im Land in greifbare Nähe zu rücken. Die Luft in den belasteten Straßenabschnitten wird besser“, so Werner Altkofer, stellvertretender Präsident der LUBW.
NO2-Werte sind für alle Messstationen im Land abrufbar
Auf der LUBW-Webseite Auswertungen der NO2-Messungen in Baden-Württemberg für das erste Halbjahr 2020 sind alle Ergebnisse der Messungen aufgeführt, die im Rahmen des landesweiten Luft- und Spotmessnetzes der LUBW erfasst werden. Für einen übersichtlichen Vergleich der Halbjahreswerte sind die Jahresmittelwerte für das Jahr 2019 und die Mittelwerte für das erste Quartal 2020 auf der Webseite ebenfalls dargestellt.
Verschiedene Faktoren haben zu dieser positiven Entwicklung beigetragen: die zahlreichen Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität insbesondere die konsequente Stärkung des ÖPNV, der zeitweise deutliche Verkehrsrückgang aufgrund der Corona-Verordnung, die Erneuerung der Kfz-Flotte sowie die aus lufthygienischer Sicht günstige Witterung im ersten Halbjahr 2020.
Deutlicher Rückgang der Luftbelastung mit NO2
Die Grafik veranschaulicht den deutlichen Rückgang der Stickstoffdioxide seit dem Jahr 2010. Die stärksten Reduzierungen gegenüber dem Jahr 2019 wurden an den hoch belasteten Messstellen in Stuttgart erzielt. So wurde beispielsweise an der Messstelle „Stuttgart Am Neckartor“ im Jahr 2018 noch ein Jahresmittelwert von 71 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft ermittelt, im Jahr 2019 lag dieser bei 53 Mikrogramm und im ersten Halbjahr 2020 bei 39 Mikrogramm. An der Messstelle „Stuttgart Hohenheimer Straße“ wurde für das Jahr 2018 65 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft ermittelt, für das Jahr 2019 50 Mikrogramm und für das erste Halbjahr 2020 34 Mikrogramm.
An der Messstelle „Stuttgart Pragstraße“ wurde im ersten Halbjahr eine Belastung von 43 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft ermittelt. Bei der neu in das Messprogramm aufgenommenen Messstelle „Ludwigsburg Schlossstraße“ lag der Wert bei 49 Mikrogramm. Bei einer gleichbleibenden Belastung würde dies am Ende des Jahres für beide Messpunkte eine Überschreitung des Jahresgrenzwertes von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft bedeuten.
Grenzwertüberschreitungen an zwei Messstellen im Land
Trotz der immer noch bestehenden Grenzwertüberschreitung an der Messstelle „Stuttgart Pragstraße“ nimmt die Stickstoffdioxidkonzentration – wie an anderen Messstellen im Land – seit Jahren ab. Im Jahr 2018 wurden noch 65 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen, im Jahr 2019 58 Mikrogramm und nun im ersten Halbjahr 2020 43 Mikrogramm.
„Unser Ziel ist, Ende des Jahres den Jahresgrenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft auch in diesen besonderen Belastungsbereichen einzuhalten“, unterstreicht Minister Hermann vor dem Hintergrund, dass etwa in der Landeshauptstadt die Daten der Messstationen eine erfreuliche Tendenz nach unten aufweisen.
Einflussfaktoren für den Rückgang der Stickstoffdioxide
Verschiedene Einflussfaktoren tragen zum Rückgang der Stickstoffdioxide an den verkehrsnahen Messstellen in Baden-Württemberg bei. Unterschiedliche Maßnahmen wurden parallel ergriffen. Zusätzlich wirkt sich das Wettergeschehen auf die Konzentration der Luftschadstoffe aus. Folgende Faktoren haben zum Rückgang beigetragen oder beeinflussen die Konzentration von Stickstoffdioxid in der Luft.
Ein Bündel von Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität wurden im Rahmen der Luftreinhaltepläne umgesetzt. Seit dem 1. Januar 2019 gelten in ganz Stuttgart Fahrverbote für Euro 4 Fahrzeuge. Vor allem werde der Umweltverbund mit dichten Takten und günstigen Tarifen gestärkt. Die Fahrzeugflotte wurde in Folge der Fahrverbote Euro 4 modernisiert. Seit dem 1. Januar 2020 gelten beispielsweise in Stuttgart am Neckartor, an der Hohenheimer Straße, der Hauptstätter Straße und der Heilbonner Straße streckenbezogene Verkehrsverbote für Euro 5 Dieselfahrzeuge, ab 1. Juli in der Umweltzone. Zusätzlich wurden in Stuttgart weitere verkehrslenkende Maßnahmen eingeführt sowie Maßnahmen zur Reinigung der Luft am Neckartor, der Hohenheimer Straße und der Pragstraße durch Filtersäulen umgesetzt. Außerdem gilt an den Hauptverkehrsstraßen im Talkessel sowie an weiteren Strecken Tempo 40.
Die einzelnen Luftreinhaltepläne können für die einzelnen Städte auf den entsprechenden Webseiten der Regierungspräsiden abgerufen werden.
Der Corona-Lockdown sorgte ab Mitte März für einen starken Verkehrsrückgang. Die LUBW betreibt in Baden-Württemberg zehn Verkehrszähleinrichtungen in der Nähe von verkehrsnahen Messstellen zur Messung der Luftschadstoffe. An diesen Zähleinrichtungen wurde je nach Standort und Woche ein Rückgang des Verkehrs um 34 bis 51 Prozent gegenüber dem Verkehrsaufkommen vor den Corona-Beschränkungen verzeichnet. Mit den Lockerungen der Corona-Beschränkungen stieg der Verkehr langsam wieder auf rund 90 Prozent des Niveaus vor den Corona-Beschränkungen an. An den vielen Zählstellen lagen die Werte ab Mitte Juni (Kalenderwoche 25) sogar darüber, beispielsweise an den Messstellen „Tübingen Mühlstraße“, „Backnang Eugen-Adolff-Straße“, „Pfinztal Karlsruher Straße“ und „Freiburg Schwarzwaldstraße“.
Im Zuge der Flottenerneuerung zeigt die Einführung des verschärften Zulassungsverfahrens für neue Pkw mit den Euro-Normen 6dTEMP beziehungsweise 6d zunehmend Wirkung. Auswertungen der LUBW zeigen deutlich den höheren Anteil der Emissionswerte für Stickstoffoxide für ältere Diesel-Pkw im Vergleich zu Benzin betriebenen Pkw. Die Auswertungen hierzu sind auf der LUBW-Webseite Luft / Emissionen / Verkehrsemissionen zu finden unter dem Dropdown-Menü „Emissionen pro Fahrzeug“.
Die für die Luftqualität entscheidenden Austauschbedingungen waren im 1. Halbjahr 2020 überwiegend sehr gut. Der warme, im Februar auch sehr stürmische Winter sorgte für gute lufthygienische Bedingungen. Auch im Mai und Juni überwiegte eine wechselhafte Witterung. Generell nimmt die Konzentration von Luftschadstoffen bei starkem Wind und Regen ab.
Von Ende März bis April gab es allerdings eine ausgeprägte Hochdruckwetterlage mit austauscharmen Witterungsbedingungen. Die Luftschadstoffe reichern sich dann in der Luft leichter an. Dies führte im Frühjahr zu der Entwicklung, dass ab März die Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid nicht im gleichen Maß zurückging, wie man das aufgrund der deutlichen Rückgängen bei den Verkehrszahlen hätte annehmen können.
Im Sommerhalbjahr können wiederum in städtischen Ballungsgebieten hohe Ozonwerte auch zu erhöhten Stickstoffdioxidkonzentrationen führen. Die LUBW hat das Zusammenspiel zwischen den Schadstoffen Ozon und Stickstoffdioxid detailliert beschrieben in dem Bericht „Sekundäre Bildung von Partikeln PM10 und Stickstoffdioxid“, insbesondere in Kapitel 3.5.
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