Staatssekretärin Andrea Lindlohr hat zwei nachhaltig gebaute Schulen sowie eine Turnhalle besucht. Nachhaltig gebaute Gebäude sind für das Erreichen der Klimazieleziele unverzichtbar.
Wie funktioniert nachhaltiges Bauen in der Praxis? Ein Bild davon machen konnte sich die Staatssekretärin im Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen, Andrea Lindlohr, bei den Besuchen der Oscar-Paret-Schule in Freiberg am Neckar sowie der Grundschule Braith und der Mali-Sporthalle in Biberach an der Riß.
Bei dem Neubau der der Oscar-Paret-Schule handelt es sich um eines der größten Schulbauprojekte in Baden-Württemberg. Drei Schularten – Gemeinschaftsschule, Realschule und Gymnasium, für über 1.300 Schülerinnen und Schüler – sind hier unter einem Dach vereint. Planungsbeginn war 2017, 2019 rollte der erste Bagger; 2022 wurde der Neubau fertiggestellt. In allen Planungs- und Bauphasen kamen wie bei der Grundschule Braith und der Mali-Sporthalle in Biberach an der Riß die Nachhaltigkeitskriterien von N!BBW („Nachhaltiges Bauen Baden-Württemberg“) zum Einsatz.
Staatssekretärin Lindlohr sagte: „Rund 40 Prozent der Kohlenstoffdioxid(CO2)-Emissionen bundesweit lassen sich auf Gebäude zurückführen. Für das Erreichen unserer Klimaschutzziele sind nachhaltig geplante und gebaute Gebäude deshalb unverzichtbar. Mit N!BBW unterstützen wir als Land die Bauherren und Planer dabei ganz konkret. Unser Planungswerkzeug lässt die verschiedenen Nachhaltigkeitskriterien als selbstverständlichen Bestandteil in alle Projektphasen einfließen – vom Reißbrett bis zur Schlüsselübergabe. Dass wir Nachhaltigkeit dabei ganzheitlich verstehen, dafür ist die Oscar-Paret-Schule in Freiberg ein gutes Beispiel. Bei diesem Mammutprojekt standen vor allem die Reinigungs- und Instandhaltungsfreundlichkeit, die Innenraumluft, der Wärmeschutz und die Akustik sowie die Prozessqualität im Fokus – allesamt Aspekte, die in N!BBW von großer Bedeutung sind. Die Stadt Biberach geht hier als N!BBW-Nutzerin ebenfalls mit gutem Beispiel voran und berücksichtigt die Nachhaltigkeitsaspekte bei Planung und Bau ihrer Schulen und Sportstätten konsequent. Die Grundschule Braith und die Mali-Sporthalle zeigen, wie ein moderner und flexibler Einsatz von Holz im Schulbau aussehen kann, und welche weiteren Vorteile das nachhaltige Planen und Bauen mit sich bringt: für die Ökobilanz, aber auch für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Nutzerinnen und Nutzer.“
Was ist das NBBW-Planungswerkzeug?
Das Planungswerkzeug „N!BBW – Nachhaltiges Bauen Baden-Württemberg“ ist ein onlinebasierter, kostenloser Leitfaden für nachhaltiges Planen, Bauen und Sanieren. Es hilft den am Bau Beteiligten dabei, während allen Planungs- und Bauphasen die verschiedenen Nachhaltigkeitsaspekte im Blick zu behalten – von Baustoffen über Ökobilanz bis zum Raumklima. Indem es zur richtigen Zeit die richtigen Themen einbringt, können Bauherren, Planer und Nutzer gemeinsam die passenden Abwägungen treffen. Damit verbessert N!BBW die Kommunikation und Transparenz im Prozess und hilft dabei, die Nachhaltigkeitsziele für ein Gebäude bestmöglich zu erreichen.
Staatssekretärin Lindlohr sagte: „Je früher Nachhaltigkeitsaspekte in die Planung einfließen, desto größer ist ihre Wirkung. Sie sollten deshalb bereits in Wettbe-werben und Ausschreibungen aufgenommen werden. Denn eins ist klar: Erfolgreiche Planungsprozesse leben von der guten Zusammenarbeit aller Akteure. Mit N!BBW setzen wir genau da an. Es hilft allen am Bau Beteiligten, gemeinsam die verschiedenen Nachhaltigkeitsaspekte ins Gleichgewicht zu bringen und die beste, passgenaue Lösung für das Gebäude zu finden.“
Bereits seit 2014 unterstützt das Land mit dem N!BBW-Planungswerkzeug Bauherren, Planer und weitere Nutzer bei der Erstellung von nachhaltigen Gebäuden. Baden-Württemberg war das erste Bundesland, welches die Forderungen für nachhaltiges Bauen gesetzlich verankerte. Inzwischen sollen gemäß „Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz“ (KlimaG BW) alle Förderprogramme des Landes für Nichtwohngebäude diesen Grundsätzen des nachhaltigen Bauens Rechnung tragen.
Der Neubau der Oscar-Paret-Schule von 2022 löste einen mangelhaften Vorgängerbau ab: Diese Gebäude aus den Jahren 1970 bis 2007 waren schadstoffbelastet, wirtschaftlich nicht zu sanieren und für schulische Zwecke auch nicht mehr erweiterbar. Einzig das Mensagebäude konnte erhalten und in den Neubaukomplex integriert werden; eine neue Sporthalle ist noch im Bau und wird voraussichtlich 2024 fertiggestellt. Die Nachhaltigkeitskriterien von N!BBW sind ab der Vorplanung in das Projekt eingeflossen. Unterschiedliche Bearbeiterinnen und Bearbeiter haben gemeinsam an der N!BBW-Dokumentation mitgewirkt – ein Plus für die Kommunikation und Abstimmung innerhalb dieses Großprojekts.
Angesichts der Größe des Neubaus wurde besonderer Wert auf die Dauerhaftigkeit der Gebäude und deren Reinigungs- und Instandhaltungsfreundlichkeit gelegt. Für den Außenbau wurde eine Stahlbetonkonstruktion mit Ziegelfassade gewählt. Die Gänge und Verkehrsflächen im Inneren wurden mit Sichtbeton gestaltet, einzelne Wände in Leichtbauweise ermöglichen eine flexible Nutzung und machen das Gebäude anpassungsfähig. Die Klassenzimmer und Nebenräume sind robust gebaut und leicht zu reinigen.
Wärmeschutz und hohe Qualität der Innenraumluft
Ebenfalls im Fokus: der in den N!BBW-Kriterien geforderte sommerliche Wärmeschutz sowie die Qualität der Innenraumluft. Die Sonnenschutzverglasung wirkt sich hier positiv aus, ebenso die zahlreichen Innenhöfe, die auch für angenehmes Licht im Gebäude sorgen. Bei den abschließenden Raumluftmessungen wurden die Grenzwerte für die Konzentrationen für flüchtige organische Verbindungen (TVOC) und für Formaldehyd deutlich unterschritten, um rund 70 Prozent. Diese Messungen sind ein wichtiger Bestandteil des N!BBW-Monitorings und bestätigen die gute Planung des Gebäudes. Auch alle Baustoffe wurden mit Hilfe von N!BBW umfassend dokumentiert. Das erleichtert auch künftige Sanierungsarbeiten.
Das Dach des eingeschossigen Gebäudeteils ist begehbar und wurde mit Grünflächen versehen. Auf den Dächern der mehrgeschossigen Abschnitte und der Sporthalle finden sich Lüftungsanlagen: Diese tauschen die Luft in allen Klassenzimmern zweimal pro Stunde aus, um den CO2-Gehalt niedrig zu halten und Pollen und Schadstoffe zu entfernen – ein Plus für die Konzentrationsfähigkeit, das Wohlbefinden und die Gesundheit. Neben den Lüftungsanlagen wurden auch Photovoltaikanlagen installiert, diese liefern Strom für den Eigenbedarf. Für die Wärmeversorgung ist die Schule an das Nahwärmenetz angebunden, dieses wird von einem Blockheizkraftwerk der Stadt gespeist.
Der Neubau der Oscar-Paret-Schule steht auch in engem Zusammenhang mit der Erneuerung des Freiberger Stadtzentrums: Dieses wird umfassend neugestaltet und als Einzelhandels- und Wohnstandort aufgewertet. Für das städtebauliche Erneuerungsgebiet „Stadtzentrum“ erhält die Stadt im aktuellen Bewilligungszeitraum rund fünf Millionen Euro Fördermittel aus der Städtebauförderung des Landes. Damit wurde auch die Baufreimachung des Geländes der neuen Oscar-Paret-Schule finanziert.
Die Grundschule Braith wurde 2022 um einen zweigeschossigen Neubau für die Ganztagsbetreuung erweitert. Betreuungsräume, der Hort, eine Mensa und eine Bibliothek finden hier Platz. In den Planungs- und Bauprozess wurden die N!BBW-Nachhaltigkeitskriterien von Beginn an integriert. Der Neubau wurde auf dem fünfeckigen Grundriss eines ehemaligen Kindergartens gebaut: Er nutzt dessen betoniertes Untergeschoss als Gründung, so dass nur wenig Rückbau nötig war – das spart Ressourcen. Das Raumkonzept mit mobilen Trennwänden erlaubt verschiedene flexible Nutzungen, eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und eine Photovoltaik(PV)-Anlage auf dem Dach verbessern die Energiebilanz.
Errichtet ist das neue Gebäude komplett aus Holz. Für den Außenbau wurde vor allem unbehandelte Lärche gewählt, kombiniert mit rückbaubaren, kaum verklebten Materialien. Auch im Innenausbau dominiert Holz. Das wirkt sich positiv auf die Raumluft aus: Bei den abschließenden Messungen wurden die geforderten Grenzwerte für TVOC und für Formaldehyd deutlich unterschritten, um rund 97 Prozent beziehungsweise rund 92 Prozent (TVOC: unter 100 statt 3.000 Mikrogramm pro Kubikmeter, Formaldehyd: unter 10 statt 120 Mikrogramm pro Kubikmeter; auch die verschärften Grenzwerte qua N!BBW-Aktualisierung von 2023 sind noch spürbar unterschritten, sie liegen bei 1.000 beziehungsweise 60 Mikrogramm). Diese Raumluftmessungen sind ein wichtiger Bestandteil des N!BBW-Monitorings und bestätigen die gute Planung des Gebäudes. Auch alle Baustoffe wurden mit Hilfe von N!BBW umfassend dokumentiert. Das erleichtert auch künftige Sanierungsarbeiten oder, mit Blick auf den gesamten Lebenszyklus, einen etwaigen Rückbau.
Die Mali-Sporthalle – eine Dreifach-Sporthalle für den Schul- und Vereinssport mit Gymnastikraum und Werkschulräumen – ist ebenfalls als moderner Holzbau konzipiert. Der Neubau wurde 2022 fertiggestellt. Auch hier dienten die N!BBW-Kriterien als Leitplanken für den Entwurf. Das Untergeschoss und die Zuschauertribüne sind aus Beton, ansonsten handelt es sich um eine reine Holzkonstruktion – vom gesamten Tragwerk über die Außenfassade bis hin zum Innenausbau und den Prallwänden in der Sporthalle. Das sorgt für eine hohe Raumluftqualität. Für das Konstruktionsholz wurde bewusst unbehandeltes Holz aus regionaler Produktion gewählt, das Fassadenholz stammt aus zertifiziertem Anbau.
Im Vergleich zum gesetzlichen Neubaustandard spart die Sporthalle 41 Prozent Energie und erfüllt damit nahezu den Energiestandard KfW 55 von 45 Prozent. Beheizt wird sie über das Nahwärmenetz der benachbarten Heizzentrale. Eine Photovoltaikanlage auf dem begrünten Flachdach liefert Strom für den Eigenbedarf, die Sonnenschutzverglasung sorgt für den in den N!BBW-Kriterien geforderten Wärmeschutz im Sommer. Auch auf den Geräuschpegel in der Halle hatte N!BBW positiven Einfluss: Durch die raumakustischen Maßnahmen konnte die Nachhallzeit deutlich reduziert werden – ein Plus für die Wohlfühl-Atmosphäre in der Sporthalle und auch die Gesundheit.
N!BBW in der Praxis
Das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen bietet regelmäßig kostenfreie Workshops, Veranstaltungen und Seminare zur N!BBW-Nutzung an.
Das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen hat sich zum Ziel gesetzt, dass Nachhaltigkeitsaspekte als selbstverständlicher Bestandteil bei der Planung und Realisierung von Neubauten und Modernisierungsmaßnahmen noch stärker betrachtet werden. Deshalb wird das digitale Planungswerkzeug N!BBW laufend weiterentwickelt.