Baden-Württemberg ist in Sachen Supercomputing bereits europaweit führend. Diese Position soll in den kommenden Jahren weiter gestärkt und ausgebaut werden. Dafür wird eine halben Milliarde Euro in die digitale Infrastruktur und Supercomputer investiert.
„Spitzenforschung ist heute ohne Simulationsverfahren auf Höchstleistungsrechnern nicht mehr denkbar. Höchstleistungsrechnen ist auch die Basis für innovative Produkte und Prozesse in den Schlüsselbereichen der Wirtschaft. Damit unsere Wissenschaft und unsere Wirtschaft im internationalen Wettbewerb auch in Zukunft vorne dabei sind, brauchen wir eine erstklassige IT-Infrastruktur für das Hoch- und Höchstleistungsrechnen. Baden-Württemberg ist in Sachen Supercomputing bereits europaweit führend. Diese Position wollen wir in den kommenden Jahren weiter stärken und ausbauen. Die Weichen dafür stellen wir heute - mit der Investition von einer halben Milliarde Euro in die digitale Infrastruktur und Supercomputer“, teilte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer im Höchstleistungsrechenzentrum an der Universität Stuttgart (HLRS) mit.
Die Ministerin stellte die neue High-Performance Computing (HPC)-Landesstrategie vor. Gezeigt wurde zudem exemplarisch, welche Bedeutung das Höchstleistungsrechnen für Unternehmen, Städtebauer, Kriminalisten und Wissenschaftler hat und wie die digitale Infrastruktur und einmalige Rechenleistung in Anspruch genommen werden.
„Die Rechenleistung des baden-württembergischen Supercomputers Hazel Hen ist beeindruckend: Der Supercomputer ist etwa 100.000 mal so schnell wie einer unserer Laptops“, so die Ministerin. „Bei der so ausgestatteten Digitalisierung erwarte ich große Sprünge in der Art und Weise, wie wir produzieren und konsumieren, wie wir arbeiten und leben. Wissenschaft und Forschung kommt im Digitalisierungsprozess eine besondere Rolle zu“, betonte Bauer.
Die Verarbeitung großer Datenmengen mit Hilfe von Data Science ist heute die entscheidende Grundlage in vielen Bereichen wissenschaftlicher Forschung. „Unsere Landesstrategie für das Hochleistungsrechnen hilft Werkzeuge und Methoden zu entwickeln, die uns der Lösung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen näher bringen. Dabei sind Mobilitätsforschung und die Transformation der Automobilwirtschaft, Gesundheitsforschung, Klima- oder auch Energieforschung wesentliche Einsatzfelder“, betonte die Ministerin.
Forschung auf Spitzenniveau & innovationskräftige Wirtschaft
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen Wissenschaftsgebieten an allen Hochschulen sowie die Wirtschaft können die IT-Infrastrukturen des Landes nutzen. Die enorme Rechenleistung wird auch von der Filmbranche genutzt für die Bearbeitung komplexer Datenmengen, wie sie heute zum Beispiel bei aufwändigen Animationsfilmen üblich sind. Derzeit stellt allein das HLRS Rechenzeit für etwa 132 wissenschaftliche Projekte mit etwa 900 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bereit. Weitere Rechenzentren in Karlsruhe (Steinbuch Center for Computing am KIT), Freiburg, Heidelberg/ Mannheim, Tübingen und Ulm stellen ihre landesweit nutzbare Rechenleistung zur Verfügung. „Unser Ziel ist eine exzellente Forschungsinfrastruktur für eine exzellente Wissenschaft und eine innovationskräftige Wirtschaft“, so Bauer. Als einziges deutsches Bundeshöchstleistungsrechenzentrum stellt das HLRS seine Rechenleistung und Expertise auch der Industrie – insbesondere dem Mittelstand – zur Verfügung.
Mittelstand hat Zugang zu führendem Zentrum für Simulationstechnologie
In der Wirtschaft hilft Simulation, neue Produkte zu entwickeln. So wird in der Automobil-Industrie Simulation beispielsweise für virtuelle Crashversuche eingesetzt, aber auch für schadstoffärmere und sparsamere Motoren – das hilft nicht nur Kosten zu senken, sondern schützt auch natürliche Ressourcen. Auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wird Simulation immer wichtiger, ob als Zulieferer in der Automobilindustrie oder als autonome Akteure mit innovativen Produkten in anderen Branchen auf dem Weltmarkt. „Wir verschaffen kleinen und mittelständischen Unternehmen Zugang zu Europas führendem Wissenschaftszentrum für Simulationstechnologie“, betonte Bauer. Die Rechenleistung wird auch genutzt, um beispielsweise industrielle Öl- oder Gas-Kessel zu berechnen. In der Simulation werden erstmals Laserscans in großem Umfang berücksichtigt.
Virtuelle Stadtplanung mit Bürgerbeteiligung
Eine Stadt interaktiv im Maßstab eins zu eins erkunden und Planungen bereits vorab sichtbar machen – auch das ermöglicht die digitale Technologie. Im Projekt Reallabor Stadtquartiere 4.0 untersucht das HLRS gemeinsam mit Partnern das Potenzial von virtuellen Stadtmodellen für die Stadtplanung mit Bürgerbeteiligung. Solche Modelle bilden auch die Grundlage für weitergehende Analysen und Simulationen - etwa von Verkehr oder der Ausbreitung von Schadstoffen. Im Reallabor wird ein virtuelles Modell der Stadt Herrenberg aufgebaut und in einem laufenden Planungsprojekt zur Entwicklung eines nachhaltigen Mobilitätskonzepts eingesetzt.
Weiteres Einsatzfeld: Tatort-Rekonstruktion
Experten nutzen hochmoderne digitale Technologien und Anwendungen auch, um Tatorte mithilfe von Hochleistungsrechnern zu rekonstruieren. Digitale Untersuchungsdaten von Tatorten werden beispielsweise unter Einsatz von dreidimensionalen Scans in Simulationen verwandelt. Danach können Ermittler den virtuellen Tatort in Ruhe begehen, Spuren suchen und die Situationsbedingungen mit höherer Gewissheit nachvollziehen.
Landesstrategie in Baden-Württemberg international Vorbild
Mit seinem Konzept hat Baden-Württemberg auch eine internationale Führungsrolle übernommen. „Mit unserer Landesstrategie Hochleistungsrechnen sichern wir den Vorsprung des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandortes Baden-Württemberg im nationalen und internationalen Wettbewerb“, betonte die Ministerin abschließend.
Finanzierung mit Partnern
Zur Finanzierung der Landesstrategie ist ein Gesamtvolumen in Höhe von 489,7 Millionen Euro über den Zeitraum 2017 bis 2024 angesetzt. Der Bund wird sich voraussichtlich mit rund 108 Millionen Euro beteiligen. Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet einen Beitrag von rund 175 Millionen Euro. Die Hochschulen im Land beteiligen sich mit rund 93 Millionen Euro an den Kosten. Der Landesanteil beträgt rund 113 Millionen Euro.
digital@bw - Beitrag des MWK
Die Landesregierung hat vor kurzem eine eigene Digitalisierungsstrategie digital@bw verabschiedet. Die Landesstrategie Hochleistungsrechnen ist neben Cyber Valley ein weiterer Beitrag des Wissenschaftsministeriums zur Digitalisierungsstrategie des Landes. Die HPC-Landesstrategie ist bundesweit einzigartig und wurde vom Wissenschaftsrat und der Deutschen Forschungsgemeinschaft bereits als „beispielgebend und innovativ“ bewertet.
Forschungsinfrastruktur: Kluge Strategie
Die Hoch- und Höchstleistungs-Recheninfrastruktur Baden-Württembergs gliedert sich pyramidal in drei Leistungsebenen mit ansteigender Rechenleistung. Ganz oben als internationale Spitze steht der Supercomputer „Hazel Hen“, der für die komplexesten Rechenoperationen reserviert ist und mit seinen fast 200.000 Rechenkernen bereits einen Weltrekord aufgestellt hat. Mit bis zu 7,4 Billiarden Rechenschritten pro Sekunde steht Hazel Hen für geballte Rechenkraft. Die darunter liegenden Recheneinheiten sind dezentral über die Hochschulen des Landes verteilt. Auf Ebene 2 steht das Steinbuch Center for Computing (SCC) als Hochleistungsrechenzentrum am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zur Verfügung. Auf Ebene 3 werden an vier Standorten in Freiburg, Heidelberg/Mannheim, Tübingen und Ulm Rechencluster für ausgewählte Fachdisziplinen betrieben. Die baden-württembergische Landesstrategie umfasst – das ist ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland – alle Ebenen des Hoch- und Höchstleistungsrechnens.
Die Ebenen sind durchlässig und so organisiert, dass die von den Anwendern gestellten Anfragen immer von der Ebene beantwortet werden, die für das jeweilige Problem geeignet ist. Die Strategie funktioniert nach dem Subsidiaritätsprinzip. So werden die Kapazitäten auf allen Ebenen optimal ausgelastet. Die Rechenzeitvergabe erfolgt im wettbewerblichen Verfahren.
Supercomputer
Im Bereich Supercomputing spricht man heutzutage von Petaflops. Ein Petaflop bedeutet, dass ein Supercomputer eine Billiarde (1015) „floating point operations“ (mathematische Operationen) in einer Sekunde kalkulieren kann. Hazel Hen, der Supercomputer am HLRS, ist deutlich schneller und hat eine Höchstleistung von 7,42 Petaflops. Normale Rechner haben heutzutage weniger als 10 Kerne. Hazel Hen hat 185.088 Prozessorkerne, die in einer parallelen Architektur kombiniert sind. Im Moment steht der Rechner auf Platz 17 auf der Top500-Liste der schnellsten Rechner der Welt.
Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart
Das Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS) der Universität Stuttgart wurde im Jahr 1996 als Deutschlands erstes Bundeshöchstleistungsrechenzentrum gegründet. Es bildet heute mit dem Jülich Supercomputing Centre und dem Leibniz Supercomputing Centre das Gauss Centre for Supercomputing, die nationale Institution für Supercomputing und steht nationalen Forschern sowie Wissenschaftlern aus ganz Europa zur Verfügung. Der HLRS Höchstleistungsrechner Hazel Hen ist der schnellste Supercomputer Deutschlands und einer der leistungsfähigsten Rechner weltweit. Das HLRS unterstützt Wissenschaftler sowie Anwender aus der Industrie mit modernsten HPC-Technologien, Dienstleistungen und Support. Sein Schulungsprogramm bietet eine große Auswahl von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Wissenschaftler, Programmierer- und Systementwicklern im Bereich HPC sowie aus der Industrie.
Höchstleistungsrechenzentrum an der Universität Stuttgart (HLRS) (englisch)