In Niedersachsen und Sachsen-Anhalt wurden gravierende Missstände auf Schlachthöfen aufgedeckt. Die Tierschutzbeauftragte Julia Stubenbord fordert zur Sicherstellung des Tierschutzes auf Schlachthöfen ein umfangreiches Maßnahmenpaket.
Von Tierrechtsorganisationen aufgenommene Videomaterialien zeigen erhebliche Missstände auf Schlachthöfen bei der Anlieferung, dem Zutrieb und bei der Betäubung von Rindern in Niedersachsen und in Sachsen-Anhalt. Dies stellt einmal mehr dar, dass eine verbesserte Überwachung auf Schlachthöfen dringend notwendig ist. Dafür wird eine Reihe an Verbesserungen benötigt, unter anderem eine verpflichtende Videoüberwachung in sensiblen Bereichen, um den Tierschutz hier sicherzustellen. Auch zur Gewährleistung der Akzeptanz für Schlachthöfe mit guter tierschutzfachlicher Praxis ist eine gewisse Transparenz zwingend erforderlich.
Verpflichtende Videoüberwachung für Schlachthöfe
„Eine verpflichtende Videoüberwachung ist ein wichtiger Baustein für die Einhaltung des Tierschutzes auf Schlachthöfen“, so die Landesbeauftragte für Tierschutz Julia Stubenbord. Einerseits könne der Schlachthofbetreiber selbst damit Schwachpunkte analysieren und Betriebsabläufe verbessern. Andererseits könne die Behörde das Material für Stichprobenkontrollen und zur Strafverfolgung verwenden. „Denn dokumentierte tierquälerische Handlungen, wie das Ziehen gehunfähiger Rinder per Seilwinde vom Tiertransporter bis in die Betäubungsanlage oder das Malträtieren von gehunfähigen Rindern mit Elektroschockgeräten, sind aufs Schärfste zu verurteilen und zu ahnden“, betont Stubenbord.
Eine Videoüberwachung sei allerdings keine hundertprozentige Absicherung gegen Tierquälerei. Dass Videomaterial für Stichprobenkontrollen oder zur Ahndung herangezogen werde, setze beispielsweise voraus, dass flächendeckend überhaupt genügend staatliches Kontrollpersonal zur Verfügung stehe. „Der Regelfall, dass Missstände durch NGOs aufgedeckt werden und die Behörden lediglich als Feuerwehr die größten Brände löschen, ist nicht weiter hinzunehmen. Das Kontrollpersonal muss darüber hinaus dahingehend unabhängig werden, dass es tierschutzwidrige Zustände anzeigen beziehungsweise ahnden kann, ohne bei etwaiger Betriebsschließung um seine eigene berufliche Existenz bangen zu müssen“, fordert Stubenbord und bezieht sich insbesondere auf amtliche Tierärzte oder amtliche Fachassistenten, deren Gehälter an die Arbeitsstunden auf dem Schlachthof geknüpft sind. „Allem Kontrollpersonal, insbesondere dem in tierschutzsensiblen Bereichen Tätigen, muss genügend Rückendeckung gegeben werden, um Skandale ohne Existenzsorgen und Angst vor Mobbing aufdecken zu können“, so Stubenbord weiter und erinnert an den teils massiven Druck, unter dem die Amtstierärzte im Tierschutzvollzug oft stehen.
Sensibilisierung aller Beteiligten
Ein weiterer Punkt, der laut Stubenbord ehrlich angesprochen werden muss, ist die nicht abzustreitende Gefahr der Desensibilisierung aller Beteiligten im Umgang mit Tieren. „Die Arbeit auf Schlachthöfen ist psychisch sehr fordernd und je nach Aufgabe auch körperlich außerordentlich anstrengend. Das dort etwa nach mehreren Stunden Akkordarbeit schneller zu einem Elektrotreiber gegriffen wird, anstatt das Rind in Ruhe nach den Regeln der guten tierschutzfachlichen Praxis voranzutreiben, ist vorstellbar. Um das Tier als Mitgeschöpf wahrzunehmen, bedarf es immer wieder einer Sensibilisierung aller Beteiligten – vom Landwirt, über den Schlachthofmitarbeiter bis hin zum Kontrollpersonal. Gute Werkzeuge hierfür sind Mitarbeiterschulungen, in denen tierschutzwidrige Missstände analysiert und Lösungswege aufgezeigt werden, sowie ein konsequentes Ahnden bei tierquälerischen Handlungen“, unterstreicht Stubenbord.
Die aktuell veröffentlichten Bilder aus Stendal und Bad Iburg von ausgezehrten und gehunfähigen Kühen, die noch zum Schlachthof transportiert werden, sind kein Einzelfall, sondern ein systematisches Vergehen zur Gewinnmaximierung. Hier wäre
bereits ein Eingreifen auf dem landwirtschaftlichen Betrieb geboten gewesen. „Ein Landwirt ist verpflichtet, kranke Rinder in einem separaten Krankenabteil unterzubringen und gegebenenfalls einen Tierarzt hinzuziehen. Kann das Rind nicht mehr behandelt werden, ist es durch eine sachkundige Person auf dem Betrieb zu töten. Allenfalls bei frischen Verletzungen, wie einem unfallbedingten Knochenbruch eines Rindes, ist unter gewissen Voraussetzungen eine Nottötung auf dem Betrieb erlaubt. Nicht transportfähige Tiere, also solche, die nicht aus eigener Kraft auf den Tiertransporter gehen können, dürfen nicht transportiert werden“, fasst Stubenbord die Rechtslage kurz zusammen. „Die veröffentlichten Missstände sind auf ein massives und schockierendes Versagen aller Beteiligten – des Landwirts, des Transporteurs, des Schlachthofbetreibers – zurückzuführen“, betont Stubenbord. „Jedes Rind muss auf dem Schlachthof einer Schlachttieruntersuchung durch amtliches Kontrollpersonal unterzogen werden. Wie ein solches Netz von Verfehlungen zustande kommen konnte, ist nicht nachvollziehbar und mit höchster Priorität aufzuklären“, so Stubenbord abschließend.